Beamtenrecht – Dienstliche Beurteilung – Anfechtungsfrist

Arbeit Betrieb
12.11.20113537 Mal gelesen
In Beförderungsverfahren stellt sich häufig die Frage, ob eine schon ältere dienstliche Beurteilung, die Grundlage einer Auswahlentscheidung sein soll, noch angefochten werden kann.

Eine gesetzliche Anfechtungsfrist gibt es für dienstliche Beurteilungen grundsätzlich nicht. Denn die Beurteilung ist nach der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte kein Verwaltungsakt. Die gesetzlichen Anfechtungsfristen für Verwaltungsakte sind deshalb nicht übertragbar. Es gibt auch keine feststehende Regel, dass eine Anfechtung nach Ablauf eines Jahres seit Eröffnung der Beurteilung ausgeschlossen ist.

Die Verwaltungsgerichte gehen davon aus, dass eine Beurteilung unter bestimmten Umständen noch später als ein Jahr anfechten darf. Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht hat z.B. in einem Beschluss vom 07.04.2009 entschieden, dass das Recht, eine Beurteilung anzufechten, bei bevorstehenden Beförderungsentscheidungen schon deshalb nicht verwirkt, weil der Dienstherr nicht erwarten darf, dass der Beamten gegen seine Beurteilung einen Rechtsbehelf ergreift, solange er nicht die Beurteilung seines Konkurrenten einsehen und Vergleiche ziehen konnte. Es sei - so das Gericht - nicht Aufgabe der in einem Beförderungsverfahren miteinander konkurrierenden Beamten, ihren Dienstherrn so frühzeitig auf etwaige, zu ihren Lasten im Verfahren der Anlassbeurteilung begangene Rechtsverstösse gegen untergesetzliche Normen (gemeint sind Beurteilungsrichtlinien) hinzuweisen, dass der Dienstherr die etwaigen Rechtsfolgen der eigenen Unzulänglichkeit noch vor Bekanntgabe der Auswahlentscheidung vermeiden kann. So weit gehe die Treuepflicht des Beamten nicht.

Nds. OVG - Beschluss vom 07.04.2009 - 5 ME 19/09

Das Verwaltungsgericht Münster hat in ähnlichem Zusammenhang entschieden, dass das Anfechtungsrecht nicht etwa dann verwirkt, wenn der Beamte nicht innerhalb eines Jahres zu erkennen gibt, dass er mit der Beurteilung nicht einverstanden sei. In diesem Fall hatte der Beamte gegen eine Beurteilung vom 5. Dezember 2005 erst mit einem Schreiben vom 25. Januar 2007 Widerspruch eingelegt. Ein Beamter sei - so das Gericht - nicht an gesetzliche Fristen gebunden. Er dürfe zwar die Rechtsbehelfseinlegung nicht beliebig lang hinauszögern. Er könne - je nach Zeitablauf und den Umständen des Einzelfalls - sein Widerspruchsrecht verwirken, wenn er bei seinem Dienstherrn in zurechenbarer Weise den Anschein erwecke, dass er die Beurteilung als rechtmäßig anerkenne. Bei der Beurteilung, ob ein Widerspruchsrecht verwirke, sei zu berücksichtigen, welcher Laufbahngruppe der Beamte angehört, wie er sich bei der etwaigen Besprechung der Beurteilung verhalten hat, ob anerkennswerte Gründe vorliegen, die ihn gehindert haben, sein Anliegen in angemessener Frist zu verfolgen, ob es sich um eine Regel - oder Bedarfsbeurteilung handelt und inwieweit die Nachprüfbarkeit der Beurteilung in tatsächlicher Hinsicht durch den Zeitablauf erschwert ist.

Wenn es sich bei der fraglichen Beurteilung um eine Regelbeurteilung handele, betrage der Beurteilungszeitraum nach Maßgabe der einschlägigen polizeilichen Beurteilungsrichtlinien drei Jahre. Bei einem dreijährigen Beurteilungsrhythmus dürfe die zur Entscheidung über Beförderungen berufene Behörde in der Regel davon ausgehen, dass der betroffene Beamte eine frühere ihm bekannte Beurteilung hingenommen hat, wenn er drei Jahre lang es unterlassen hat, die nächsthöhere Behörde anzurufen bzw. Klage zu erheben. Denn bei turnusmäßigen Beurteilungen verliert die vorangegangene Beurteilung mit der neuen Beurteilung weitgehend ihre Bedeutung. Die Bedeutung dieses gewichtigen Aspektes sei allerdings nicht dahingehend misszuverstehen, dass vor Ablauf des Beurteilungsturnus eine Verwirkung generell ausscheiden würde. Der Beurteilungszeitraum stellt keine Mindestzeit dar, während der der Beamte untätig geblieben sein muss, um ihm Verwirkung anzulasten.

In einem solchen Fall seien jedoch an die "besonderen Umstände des Einzelfalls", die zu den zeitlichen Element des Verwirkungstatbestandes hinzutreten müssen und die auf ein etwaiges die Akzeptanz der rechtswidrigen Beurteilung hindeutendes Verhalten des Beamten schließen lassen können, gesteigerte Anforderungen zu stellen. Allein aus dem Umstand, dass der Beamte im Jahr 2006 mehrere vom Antragsgegner anderweitig durchgeführte Beförderungen nicht zum Anlass genommen hat, gegen seine dienstliche Beurteilung vorzugehen, reiche hierzu nicht aus. Dieser Gesichtspunkte könne, wenn überhaupt, allenfalls dann relevant sein, wenn der Beamte bei den vom Antragsgegner erwähnten Beförderungsaktionen überhaupt zum Kreis der Konkurrenten gezählt und benachrichtigt worden wäre. Das sei aber weder vorgetragen noch aus den Personalakten ersichtlich. Allein aus dem Verstreichenlassen von Beförderungsaktionen, in deren Rahmen nicht einmal eine Einbeziehung in die engere Konkurrenzsituation seitens des Dienstherrn erfolgt sei, lasse sich ein treuwidriges Verhalten in Bezug auf die Anfechtung einer Beurteilung nicht herleiten.

VG Münster - 24.04.2007 - 4 L 136/07

 

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