1. Einleitung
Aufgrund einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes zum Kündigungsschutz für GmbH-Geschäftsführer ist erneut die Diskussion aufgekommen, ob ein GmbH-Geschäftsführer ein Arbeitnehmer im Sinne des Arbeitsrechts sein kann. Die Entscheidung ist zwar zu einer alleinigen Geschäftsführerin einer Gesellschaft in Lettland ergangen, die eine Kündigung erhalten hat, obwohl sie schwanger war, dürfte jedoch aufgrund der Reichweite eines Urteils des Europäischen Gerichtshofes auch in Deutschland relevant sein.
2. Rechtslage
Mit Urteil von 11.11.2010 urteilte der Europäische Gerichtshof, dass eine schwangere Geschäftsführerin einer Gesellschaft in Lettland nicht gekündigt werden kann, da die Kündigung gegen die Mutterschutz-Richtlinie (Richtlinie 95/85/iwg vom 19.10.1992) verstößt. Diese Richtlinie ist grundsätzlich anwendbar für jede "schwangere Arbeitnehmerin". In dem Gerichtsurteil wird ausgeführt, dass nach Ansicht des Europäischen Gerichtshof unter bestimmten Umständen auch eine Geschäftsführerin "schwangere Arbeitnehmerin" im Sinne der Richtlinie sein kann.
Entscheidend für die Anwendbarkeit der Richtlinie war für den Europäischen Gerichtshof, dass der Arbeitnehmerbegriff im Sinne des Gemeinschaftsrechts zu interpretieren sei. Wichtig hierfür ist die sogenannte Weisungsabhängigkeit. Eine Arbeitnehmereigenschaft scheidet nicht schon alleine deshalb aus, weil die Arbeitnehmerin Mitglied des Vertretungsorgans einer Kapitalgesellschaft sei (GmbH-Geschäftsführer, Vorstand). Wenn dann noch das Organmitglied jederzeit ohne Einschränkung von seinem Amt abberufen werden kann und es seine Tätigkeit nach Weisung oder Aufsicht ausübt, liegt nach dem Europäischen Gerichtshof eine Arbeitnehmereigenschaft vor. Für diesen Fall ist eine Kündigung wegen Verstoß gegen die Mutterschutzrichtlinie ausgeschlossen und stellt im Übrigen auch eine Diskriminierung wegen des Geschlechts dar.
3. Fazit
Zukünftig wird ein GmbH-Geschäftsführer auch unter dieser geänderten Rechtsprechung beurteilt werden müssen. Da die deutschen Arbeitsgesetze vielfach GmbH-Geschäftsführer von ihren Schutznormen ausnehmen, wird zukünftig überprüft werden müssen, ob diese Gesetze nicht gleichwohl anwendbar sind. Dieses ist es meines Erachtens auch unabhängig davon, welches Geschlecht der GmbH-Geschäftsführer hat. Das Kriterium der Weisungsabhängigkeit sowie der Abberufungsmöglichkeit ist geschlechtsunabhängig. Insoweit wird zukünftig auch berücksichtigt werden müssen, ob zum Beispiel die derzeitige Rechtsprechung zur Rechtswegzuständigkeit der Arbeitsgerichte bzw. ordentlichen Gerichte bei GmbH-Geschäftsführern aufrecht erhalten werden kann. Gleiches gilt für die Frage des generellen Kündigungsschutzes, des Urlaubsrechts, aber zum Beispiel auch für das Schwerbehindertenrecht. Im letzteren Fall stellt sich zum Beispiel die Frage, ob bei der Kündigung eines schwerbehinderten Geschäftsführers die vorherige Zustimmung des Integrationsamtes benötigt wird. Hier bleibt die weitere Entwicklung der Rechtsprechung abzuwarten. In jedem Fall müsste ein GmbH-Geschäftsführer sich für den Fall, dass er betroffen ist, hier entsprechend aufklären lassen, ob entsprechende Schutzgesetze für ihn unter Berücksichtigung dieser neuen Rechtsprechung anwendbar sind.