Arbeitsrecht: Kündigungszugang bei Einwurf in Briefkasten nach 16:00 Uhr

Arbeit Betrieb
06.02.20112104 Mal gelesen
Ein Kündigungsschreiben, das nach 16.00 Uhr in den Briefkasten eines Arbeitnehmers eingeworfen wird, geht dem Arbeitnehmer nicht mehr am Tag des Einwurfs, sondern erst am nächsten Tag zu.

Das LAG Köln hatte sich mit der Frage zu befassen, ob ein nach 16:00 Uhr in den Briefkasten eines Arbeitnehmers eingeworfenes Kündigungsschreiben diesem noch an diesem oder erst am nächsten Tag zugeht.

Das Gericht schloss sich der Ansicht des Arbeitnehmers an und entschied, dass ein Kündigungsschreiben, das nach 16:00 Uhr in den Briefkasten eines Arbeitnehmers eingeworfen wird, diesem nicht mehr am Tag des Einwurfs, sondern erst am nächsten Tag zugeht, mithin auch dieser Tag maßgeblich für einhaltung der 3-Wochenfrist für die Erhebung der Kündigungsschutzklage ist.

Offen ließ das Gericht, ob anders zu entscheiden ist, wenn die Kündigung vor 16:00 Uhr, aber nach 14:00 Uhr in den Briefkasten eingeworfen wird.

Sachverhalt

Die dortigen Parteien stritten darum, ob durch eine als fristlose, hilfsweise als fristgerechte ausgesprochene Kündigung des Arbeitgebers vom 17.11.2009 das Arbeitsverhältnis mit Datum der fristlosen Kündigung beendet worden ist oder ob es noch bis zum 02.12.2009 bestanden hat, und um im Wesentlichen davon abhängige Zahlungsansprüche. Dabei ging der Streit insbesondere darum, ob der Arbeitnehmer mit seiner Kündigungsschutzklage die 3wöchige Klagefrist des § 4 KSchG eingehalten hatte, was davon abhängt, ob die Kündigung bereits am 17.11.2009 oder erst am Folgetage zugegangen ist. Das Kündigungsschreiben hatte der Arbeitgeber per Boten am 17.11.2009 um 16:13 Uhr in den Briefkasten des Arbeitnehmers einwerfen lassen.

Entscheidung und Begründung

Das LAG Köln entschied - wie die Vorinstanz -, dass die nach 16:00 Uhr in den Briefkasten des Arbeitnehmers eingeworfene Kündigung diesem erst am nächsten Tag zuging, und der Arbeitnehmer daher die Kündgungsschutzklage innerhalb der 3-Wochenfrist gem. § 4 KSchG erhoben hatte.

Grundsatz für den Zugang von Willenserklärungen

Zunächst verwies es auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, nach der allgemein für den Zugang einer schriftlichen Willenserklärung gilt, dass diese in verkehrsüblicher Art in die tatsächliche Verfügungsgewalt des Empfängers oder eines empfangsbereiten Dritten gelangen und für den Empfänger unter gewöhnlichen Umständen eine Kenntnisnahme zu erwarten sein muss. Erreicht eine Willenserklärung die Empfangseinrichtungen des Adressaten (Briefkasten) zu einer Tageszeit, zu der nach den Gepflogenheiten des Verkehrs eine Entnahme oder Abholung durch den Adressaten nicht mehr erwartet werden kann, so ist die Willenserklärung nicht mehr an diesem Tag, sondern erst am nächsten Tag zugegangen.

Arbeitgeber trägt Beweislast

Sodann verwies das LAG Köln darauf, dass der Arbeitgeber die Darlegungs- und Beweislast dafür trägt, dass die Kündigung dem Arbeitnehmer an Einwurftat zugegangen ist, d.h. er muss 1. den Einwurfzeitpunkt beweisen und 2. dass zu diesem Zeitpunkt noch eine Kenntnisnahme des Arbeitnehmers, d.h. eine Entnahme des Schreibens aus dem Briefkasten erwartet werden kann. Dies hängt maßgeblich von den lokalen Postzustellgewohnheiten ab.

Dem Arbeitgeber ist es nicht gelungen nachzuweisen, dass am Wohnort des Arbeitnehmers, geschweige denn bundesweit mit Postzustellungen nach 16:00 Uhr zu rechnen ist. Vielmehr hat der Arbeitnehmer unter Beweisantritt vorgetragen, dass die Post an seinem Wohnort stets in den Vormittagsstunden eingelegt wird.

Keine allgemein übliche Postzustellung nach 16:00 Uhr

Es kann nach den Darlegungen der Beklagten weder festgestellt werden, dass in der Wohnumgebung des Klägers nach der Verkehrsanschauung davon auszugehen wäre, dass auch noch nach 16.00 Uhr mit der Leerung des Briefkastens zu rechnen war, noch kann festgestellt werden, dass eine allgemeine, für das gesamte Bundesgebiet oder auch nur für den Wohnort des Klägers geltende Verkehrsanschauung bestünde, dass mit der Leerung des Briefkastens nach 16.00 Uhr zu rechnen wäre.

"Der Kläger hat unter Vorlage von Bestätigungen verschiedener, nach dem von ihm eingereichten Lageplan in seiner Nachbarschaft wohnender Personen dargetan, dass die Post in die Briefkästen der Anlieger stets in den Vormittagsstunden eingelegt werde. Die Beklagte hat den Vortrag des Klägers lediglich mit Nichtwissen bestritten, ohne substantiierten Vortrag für ihre Behauptung zu bringen, dass eine Zustellung der Post in der Wohnumgebung des Klägers auch noch nach 16.00 Uhr üblich sei. Die Beklagte hat auch keinen entsprechenden Beweis angetreten."

Auch eine übliche Zustellung nach 16:00 Uhr am Wohnort des Arbeitnehmers durch Wettbewerber der Post oder eine übliche Zustellung im Bundesgebiet nach 16:00 Uhr konnte der Arbeitgeber nicht beweisen:

"Die Beklagte hat nicht vorgetragen, welcher Wettbewerber der Post nach 16.00 Uhr im Wohngebiet des Klägers zustelle. Selbst dann aber, wenn einzelne Wettbewerber der Post auch noch nach 16.00 Uhr im Wohngebiet des Klägers zustellen würden, so wäre angesichts eines Marktanteils von rund 10% dieses nicht geeignet, eine allgemeine Verkehrsanschauung dahingehend zu begründen, dass dort mit der Leerung der Briefkästen auch noch nach 16.00 Uhr zu rechnen sei.

Auch eine allgemeine Verkehrsanschauung, die etwa das ganze Bundesgebiet betreffen würde und die dahin ginge, dass eine Leerung der Briefkästen auch noch nach 16.00 Uhr verkehrsüblich sei, lässt sich nicht feststellen. Die Beklagte hat dazu nichts Substantiiertes, einer Beweisaufnahme Zugängliches vorgetragen.

Im Übrigen wird auch in der Rechtsprechung der Landesarbeitsgerichte an keiner Stelle vertreten, dass es eine Verkehrsanschauung gebe, nach der die Postzustellung nach 16.00 Uhr noch üblich sei bzw. dass eine Briefkastenleerung nach 16.00 Uhr der allgemeinen Verkehrsanschauung entspreche."

Postzustellung in Großstädten bis 14:00 Uhr üblich - Kündigungseinwurf bis 14:00 Uhr bewirkt Zugang am Tag des Einwurfs

Bis zu welchem Zeitpunkt in kleineren Gebieten mit einer Postzustellung gerechnet werden muss, insbesondere ob eine Zustellung um 14:00 Uhr noch ausreicht, ließ das LAG offen, verwies jedoch auf die Rechtsprechung des LAG Berlin und München, nach der jedenfalls in Großstädten wie Berlin und München mit einer Postzustellung noch bis 14:00 Uhr gerechnet und damit noch mit einer Briefkastenleerung bis 14:00 Uhr gerechnet werden kann:

"Das Landesarbeitsgericht Berlin geht davon aus, dass in größeren Städten die Briefzustellung etwa gegen 14.00 Uhr endet und deshalb der Erklärende bei Übersendung einer Willenserklärung durch Boten berechtigterweise erwarten darf, dass der Empfänger eine um 14.00 Uhr in seinen Hausbriefkasten geworfene Willenserklärung noch an diesem Tag zur Kenntnis nimmt.

Das Landesarbeitsgericht München hat sich in dem Beschluss vom 05.03.2008 (7 Ta 2/08) ausdrücklich der Entscheidung es Bundesarbeitsgerichts vom 08.12.1983 angeschlossen und wie das LAG Berlin für eine Großstadt wie München und Berlin ausgeführt, dass mit Postzustellungen bis 14.00 Uhr gerechnet werden müsse."

 LAG Köln, Urteil vom 17.09.2010 - Az.: 4 Sa 721/10 -

PRAXISTIPP

Arbeitgeber sollten sicherstellen, dass dem Arbeitnehmer eine Kündigung am Vormittag, spätestens am Mittag zugestellt wird; dies jedenfalls dann, wenn es gilt, die Kündigungsfrist an diesem Tag zu wahren.