Widerruf Darlehensvertrag: BGH zu Verwirkung, Rechtsmissbrauch und Abweichungen vom gesetzlichen Muster

Widerruf Darlehensvertrag: BGH zu Verwirkung, Rechtsmissbrauch und Abweichungen vom gesetzlichen Muster
05.10.2016219 Mal gelesen
BGH stellt klar: Keine Verwirkung des Widerrufsrechts durch Zeitablauf, kein Rechtsmissbrauch bei späterer Ausübung des Widerrufsrechts zur Konditionenverbesserung, Änderungen am Muster lassen die Schutzwirkung entfallen

Mit der mit Spannung erwarteten vollständigen Begründung des am 12.07.2016 ergangenen Urteils (Az. XI ZR 564/15) hat der BGH nun nicht nur klargestellt, dass die von vielen Sparkassen verwendeten Belehrungen mit der Fußnote "Bitte Frist im Einzelfall prüfen" fehlerhaft sind und wirksam widerrufen werden konnten, sondern hat insbesondere auch für die Widerrufsbelehrungen, die möglicherweise noch heute widerrufen werden können, wichtige Grundfragen geklärt.

Zur Schutzwirkung der vollständigen Musterverwendung

Regelmäßig berufen sich Kreditinstitute darauf, sie hätten das gesetzliche Muster der Widerrufsbelehrung vollständig verwendet bzw. die vorgenommenen Änderungen am Muster seien marginal, so dass die Schutzwirkung der unveränderten Verwendung des gesetzlichen Musters greife.

Der Bundesgerichtshof hat nun klargestellt, dass sich die Bank z.B. dann nicht auf eine Schutzwirkung berufen kann, wenn

  • sie eine Postfachadresse angibt, obwohl das gesetzliche Muster eine ladungsfähige Anschrift fordert
  • sie Bearbeiterhinweise in Klammern in der Widerrufsbelehrung belässt bzw. einfügt - dies gilt auch für Fußnoten

Ausdrücklich zulässige Änderungen nach dem BGH sind lediglich eingerückte oder zentrierte Überschriften, der Verzicht auf Einrahmungen oder die Gestaltung von Einrahmungen, die Zuordnung der Belehrung zu einem konkreten Vertrag, die Verwendung synonymer Begrifflichkeiten ohne Inhaltsänderung oder der Austausch von "wir" statt "er" bei der Bezeichnung des Unternehmers.

Postfachadressen und Bearbeiterhinweise sind in einer Vielzahl von neueren Darlehensverträgen nach dem 10.06.2010 vorhanden. Für diese Darlehensverträge gilt noch immer ein ewiges Widerrufsrecht bei einer fehlerhaften Belehrung. Dem Argument des Musterschutzes hat der BGH mit dieser für Verbraucher erfreulichen Entscheidungen für viele neue Verträge damit einen Riegel vorgeschoben.

Zur Verwirkung und zum Rechtsmissbrauch

Der BGH stellt klar: Fehler der Widerrufsbelehrung gehen zu Lasten der Bank. Sie kann sich nicht auf Vertrauensschutz berufen, wenn sie eine Nachbelehrung unterlässt, die der Gesetzgeber ausdrücklich vorgesehen hat. Das Widerrufsrecht ist daher nicht schon deshalb verwirkt, da eine lange Zeit verstrichen ist und die Bank überhaupt "irgendeine" Belehrung erteilt hat.

Der Wunsch sich zur Zinsverbesserung von einem Vertrag durch die Ausübung des Widerrufsrechtes lösen zu wollen ist auch nicht rechtsmissbräuchlich. Die Gründe des Verbrauchers für einen Widerruf sind unbeachtlich, dies hat der Gesetzgeber festgelegt. Der Umstand, dass viele Verträge widerrufen werden, rechtfertigt keine Abweichung von diesem Grundsatz.

Nutzungsersatz

Herrschte bislang noch Unsicherheit über die Höhe des Nutzungsersatzes hat der BGH nun klargestellt: Kreditinstitute müssen bei Immobilien­krediten Nutzungen in Höhe von 2,5%-Punkten über dem Basiszins­satz heraus­geben, so lange höhere oder nied­rigere Nutzungen nicht im Einzel­fall dargelegt und im Zweifel bewiesen sind.

Was bedeutet das Urteil für die Durchsetzung von Widerrufen?

Wer als Sparkassenkunde mit einer "frühestens"-Belehrung mit Fußnote auf die Einzelfallfrist schon den Widerruf erklärt hat, bislang aber mit einer Durchsetzung seiner Ansprüche zögerte, dürfte nun deutlich erleichterte Voraussetzungen zur Durchsetzung des Widerrufs vorfinden. Auch die Vergleichsbereitschaft der Sparkassen dürfte in mit der Entscheidung des BGH vergleichbaren Fällen deutlich steigen.

Wer einen neueren Vertrag bei einem beliebigen Kreditinstitut besitzt (abgeschlossen ab dem 11.06.2010), sollte prüfen, ob die mit dem Vertrag erhaltene Widerrufsbelehrung einen Verweis auf Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB besitzt ohne alle Pflichtangaben aufzuzählen. Wenn als Pflichtangabe dann noch eine Aufsichtsbehörde genannt ist, Bearbeiterhinweise eingefügt sind oder eine Postfachadresse oder Großkundenadresse genannt wird, empfiehlt sich eine Prüfung des Vertrages durch einen spezialisierten Rechtsanwalt. Ein Widerruf kann hier in vielen Fällen noch heute möglich sein.

Ein Widerruf kann eine von der Bank geforderte Vorfälligkeitsentschädigung entfallen lassen, die Rückforderung bereits bezahlter Vorfälligkeitsentschädigung begründen, eine Nutzungsersatzforderung auslösen und/oder eine zinsgünstige Umschuldung des Vertrages vor Ablauf der Zinsbindung ermöglichen.

Die Kanzlei ARES Rechtsanwälte ist auf das Bank- und Kapitalanlagerecht spezialisiert und vertritt Darlehensnehmer bundesweit außergerichtlich und gerichtlich gegenüber Banken und Sparkassen zur Durchsetzung von Ansprüchen nach Widerruf. Gerne beraten wir auch Sie zu Ihren Möglichkeiten.

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