Filesharing: Abmahnindustrie verliert gegenüber Rentner

Filesharing: Abmahnindustrie verliert gegenüber Rentner
20.10.2015223 Mal gelesen
Abmahnkanzleien wie Waldorf Frommer stellen in Filesharing Verfahren hohe Anforderungen an die sogenannte sekundäre Darlegungslast des Anschlussinhabers. Dieser soll im Rahmen seiner Verteidigung genau darlegen, wo sich seine Familienangehörigen aufgehalten haben. Dass diese Täterschaftsvermutung besonders gegenüber Abgemahnten der Generation 60 + fragwürdig ist, ergibt sich aus einer Entscheidung des Amtsgerichtes Kassel.

Als ein über 60-jähriger Familienvater eine Abmahnung wegen Filesharing erhielt, staunte er nicht schlecht. In der Abmahnung wurde ihm vorgeworfen, dass er Computerspiel "Dirt 3" über eine Tauschbörse im Internet verbreitet und dadurch eine Urheberrechtsverletzung begangen haben soll.

Der Rentner weigerte sich jedoch zu zahlen. Er berief sich darauf, dass er an Filesharing kein Interesse hat und zudem über keine hinreichenden Kenntnisse über das Internet verfügt. Des Weiteren machte er darauf aufmerksam, dass sein bei ihm lebender volljähriger Sohn ebenfalls Zugang zu seinem Internetanschluss verfügt. Doch das interessierte den mutmaßlichen Rechteinhaber wenig. Dieser verklagte den Anschlussinhaber auf Ersatz der Kosten der Abmahnung in Höhe sowie auf Schadensersatz.

Filesharing: Keine Kontrollpflichten oder Nachforschungspflichten gegenüber Angehörigen

Das Amtsgericht Kassel entschied mit Urteil vom 14.04.2015 (Az. 410 C 2240/14), dass dem vermeintlichen Rechteinhaber keine Ansprüche wegen Filesharing zustehen. Dies begründete das Gericht zunächst einmal damit, dass ein Anspruch auf Schadensersatz ausscheidet. Eine Inanspruchnahme des Anschlussinhabers als Täter einer Urheberrechtsverletzung scheitert insbesondere daran, dass aufgrund seiner Darlegungen auch der Sohn als Täter in Betracht kommt. Dabei verwies das Gericht darauf, dass gegenüber nahen Angehörigen normalerweise weder eine Kontrollpflicht, noch eine Nachforschungspflicht besteht. Hierzu gehören Ehegatten, Kindern, Eltern sowie eingetragene Lebenspartner.

Rentner begehen gewöhnlich kein Filesharing

Darüber hinaus gab das Gericht Im Rahmen der Beweiswürdigung der Aussage der Ehefrau zu bedenken, dass Angehörige dieser Generation "60 " nicht von jungen Jahren an mit dem Gebrauch von Computern vertraut sind. Von daher ist hier nur in Ausnahmefällen davon auszugehen, dass sie überhaupt zu der vorgeworfenen Urheberrechtsverletzung durch Filesharing in der Lage sind.

Schließlich verneinte das Gericht auch eine Heranziehung zum Ersatz der Abmahnkosten im Wege der Störerhaftung. Denn gegenüber volljährigen Familienmitgliedern ist eine Kontrolle oder auch Belehrung erst Recht unzumutbar.

Fazit:

Diese Entscheidung des Amtsgerichtes Kassel steht im Einklang mit vielen Gerichtsentscheidungen. Aufgrund einiger abweichender Entscheidungen hinsichtlich der Frage der subjektiven Darlegungslast des Anschlussinhabers und der damit verbundenen Nachforschungspflichten ist derzeit ein Grundsatzverfahren vor dem Bundesgerichtshof anhängig. Dieses wird derzeit unter dem Aktenzeichen I ZR 154/15 geführt. Aufgrund dieser rechtlichen Situation sollten Abgemahnte sich beraten lassen und auf keinen Fall vorschnell eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgeben.(HAB)

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