Weiterer Etappensieg für viele Betroffene, die eine Abmahnung wegen Urheberrechtsverletzung in Filesharing Fällen erhalten haben:
Für die im Auftrag der Rechteinhaber ausgesprochenen Abmahnungen wegen Urheberrechtsverletzung in sog. Tauschbörsen (Filesharing) wie z.B. durch die Rechtsanwälte Rasch (Rechtsanwalt Clemens Rasch) aus Hamburg, Waldorf aus München, Negele Zimmel Kremer Greuter aus Augsburg, U C aus Regensburg (vor dem 1.7.08 als KUW Rechtsanwälte firmierend), SBR Schindler Boltze aus Karlsruhe, Schutt Waetke aus Karlsruhe, Kern Cherkeh aus Hannover, Simon und Partner aus Wiesbaden oder Cramer von Clausbruch aus Frankfurt oder jetzt neu auch Demirci & Dr. Nal aus München, dürfte es zunehmend schwieriger werden, eine Abmahnung wegen Urheberrechtsverletzung verbunden mit der Aufforderung zur Abgabe einer Unterlassungserklärung nebst Kostenerstattung und Schadensersatzzahlung vor Gericht erfolgreich durchzusetzen.
In einem am 1.7.2008 verkündeten Urteil hat der 11. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main zu der Frage Stellung genommen, inwieweit der Inhaber eines Internetanschlusses für die unberechtigte Nutzung einer WLAN-Verbindung durch Dritte einzustehen hat:
Nach Ansicht des OLG Frankfurt besteht keine Einstandspflicht des Inhabers eines Internetanschlusses für die unberechtigte Nutzung eines WLAN durch Dritte.
Die Klägerin hatte in dem von ihr angestrengten Rechtsstreit behauptet und und es wurde festgestellt, dass ein Filesharing-Nutzer unter der IP-Adresse des Beklagten einen ihrer Tonträger auf einer Internet-Tauschbörse zum Download angeboten hatte. Die Klägerin machte vor Gericht Unterlassungs- und Kostenerstattungs bzw. Schadensersatzansprüche wegen behaupteter Urheberrechtsverletzung geltend.
Die Klägerin war der Ansicht, der Beklagte Internetanschlussinhaber eröffne eine Gefahrenquelle und habe daher sicherzustellen, dass sein Anschluss nicht durch Dritte für Rechtsverletzungen genutzt werde. In den Medien werde immer wieder über die missbräuchliche Nutzung von WLAN-Verbindungen berichtet. Der Beklagte habe daher Sicherheitsvorkehrungen treffen müssen, wie die Sicherung des Routers durch ein individualisiertes Passwort, den Einsatz der besonderen Verschlüsselungsmethode WPA 2 und den Verzicht einer Aufstellung des Routers am Fenster oder Außenwänden.
Der Beklagte hatte sich dahin eingelassen, er sei zum Zeitpunkt des Vorfalls urlaubsabwesend gewesen und kein Dritter habe Zugang zu seinem PC gehabt.
Das Landgericht hatte der Klage noch im Wesentlichen stattgegeben. Es hatte dahinstehen lassen, ob der Beklagte die Verletzungshandlung selbst begangen habe, weil nicht auszuschließen sei, dass die Rechtsverletzung durch andere, nicht bekannte Dritte erfolgt sei. Für diese habe der Beklagte aber einzustehen.
Auf die Berufung des Beklagten hat nun der 11. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt dieses Urteil nun aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Zur Begründung stellte der Senat fest, dass der Beklagte entgegen der Auffassung der Vorinstanz nicht als Störer hafte. Selbst wenn man - wie ein Teil der Rechtsprechung - eine anlassunabhängige Überwachungspflicht des Anschlussinhabers - z.B. für Familienangehörige - annehme, gehe eine uneingeschränkte Haftung des WLAN-Anschlussinhabers deutlich weiter, weil er für das vorsätzliche Verhalten beliebiger Dritter einstehen müsse, die mit ihm in keinerlei Verbindung stünden. Dies sei bedenklich, weil die jeden in eigener Verantwortung Handelnden treffende Pflicht, sich recht- und gesetzmäßig zu verhalten, nicht mit Hilfe der Störerhaftung über Gebühr auf Dritte ausgedehnt werden dürfe.
Eine Störerhaftung komme danach nur in Betracht, wenn Prüfungspflichten verletzt worden seien. Dies wiederum setze konkrete Anhaltspunkte für rechtswidrige Handlungen Dritter voraus. Auch der WLAN-Anschlussbetreiber im privaten Bereich hafte daher nicht wegen der abstrakten Gefahr eines Missbrauchs seines Anschlusses von außen, sondern erst, wenn konkrete Anhaltspunkte hierfür bestünden. Solche konkreten Anhaltspunkte hätten für den Beklagten nicht vorgelegen. Die Behauptung der Klägerin, das Risiko, dass Dritte sich über einen fremden WLAN-Anschluss Zugang zum Internet verschafften, sei allgemein bekannt, sei zweifelhaft und im Übrigen viel zu ungenau, als dass sich daraus Rückschlüsse auf das tatsächlich bestehende Risiko herleiten ließen.
Darüber hinaus wies der 11. Zivilsenat darauf hin, dass die von der Klägerin für erforderlich gehaltenen Sicherungsmaßnahmen als unverhältnismäßig zu bezeichnen sind.
Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig, da der Senat die Revision zugelassen hat. Das Urteil kann laut Pressemitteilung in Kürze im Volltext unter www.rechtsprechung.hessen.de abgerufen werden. Quelle: Pressemitteilung des OLG Frankfurt, OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 1.7.2008, Aktenzeichen 11 U 52/07.
Kommentar: Die Entscheidung zeigt die klare Tendenz zumindest im Gerichtsbezirk Frankfurt auf, die Störerhaftung des Internetanschlussinhabers, wie übrigens vom BGH bei der Auslegung der Störerhaftung bereits entschieden, nicht über Gebühr auf Dritte zu erstrecken. Der 11. Zivilsenat des OLG Frankfurt hatte bereits in einem Beschluss vom 20.12.2007 die Ansicht vertreten, dass der Inhaber eines Internetanschlusses nicht ohne weiteres verpflichtet sei, nahe Familienangehörige bei der Nutzung des Anschlusses zu überwachen. Eine solche Pflicht bestehe nur dann, wenn der Anschlussinhaber konkrete Anhaltspunkte dafür habe, dass der Anschluss zu Rechtsverletzungen missbraucht werden könnte.
Es bleibt abzuwarten, ob sich die Auffassung des OLG Frankfurt durchsetzt. Bliebe es bei dieser Auffassung, könnten Abmahnungen wegen Urheberrechtsverletzung in sog. Filesharingfällen fortan nur noch unter erheblichen Schwierigkeiten gerichtlich durchgesetzt werden.
Selbstverständlich ist die vorliegende Entscheidung des OLG Frankfurt vom 1.7.2008 für die Verteidigung gegen Abmahnungen wegen Urheberrechtsverletzungen von erhebilcher Bedeutung. Die Erfolgsaussichten vieler Betroffener, die sich gegen Abmahnungen zur Wehr setzen wollen, wird durch das Urteil natürlich erheblich verbessert.