OLG Köln: Höhe des Schadensersatzes in Filesharing-Verfahren darf nicht pauschalisiert werden

Abmahnung Filesharing
27.02.2013338 Mal gelesen
Bereits an anderer Stelle haben wir darüber berichtet, dass das OLG Köln mit Beschluss vom 15.01.2013 (Az.: 15.01.2013) einer allzu leichtfertigen Berechnung der geltend gemachten Ansprüche in sogenannten Filesharing-Verfahren entgegen getreten ist.

Wie sich aus dem nunmehr vorliegenden Volltext der Entscheidung ergibt, ist dies nicht nur auf die Höhe der geltend gemachten Abmahnkosten, sondern auch auf die Höhe des regelmäßig ebenfalls geltend gemachten Lizenzschadens zu beziehen.

 

Im zu Grunde liegenden Fall hatte der 15-jährige Sohn des Beklagten 234 Musiktitel in einer sogenannten Tauschbörse zur Verfügung gestellt. Die Rechteinhaberschaft wurde von den Klägerinnen aber nur hinsichtlich 75 dieser Musiktitel substantiiert dargelegt und unter Beweis gestellt. Auf der Grundlage eines Gegenstandswerts von 200.000,00 EUR machten die Klägerinnen Abmahnkosten in Höhe von 2.380,80 EUR geltend. Für 15 Musiktitel verlangten Sie außerdem pauschal Schadensersatz in Höhe von 200,00 EUR je Titel (insgesamt also 3.000,00 EUR).

 

Zur Höhe der Abmahnkosten äußerte sich der Senat wie folgt:

 

"In der nachfolgenden Anspruchsbegründung haben die Klägerinnen demgegenüber nur noch angeführt, sie besäßen "an einer Vielzahl" der verfügbar gemachten Musikaufnahmen ausschließliche Online-Verwer­tungsrechte. Hierzu haben sie im Folgenden "beispielhaft" 75 Musiktitel aufgelistet, ohne die ihnen darüber hinaus zustehenden Werke nach Anzahl und Inhalt weiter zu konkretisieren. Zu einem solchen ergänzenden Vorbringen sind die Klägerinnen jedenfalls, nachdem der Beklagte die unzureichende Darlegung der Aktivlegitimation gerügt hat, gehalten. Unter diesen Umständen stellt sich die Abmahnung derzeit nur hinsichtlich der Beanstandung der Bereitstellung von 75 Musiktiteln zum Download als berechtigt dar. Für eine Rechtsverletzung derartigen Ausmaßes erscheint nicht der vom Landgericht auf der Basis von 234 Musiktiteln rechtsfehlerfrei veranschlagte Gegenstandswert von 80.000,00 EUR, sondern lediglich ein solcher von 50.000,00 EUR angemessen."

 

Dies bedeutet aber nicht, dass deshalb Abmahnkosten aufgrund eines Streitwerts von 50.000 EUR (=1.359,80 EUR) erstattet werden müssten. Vielmehr ist der zu erstattende Betrag nach dem OLG Köln wie folgt zu berechnen:

 

"Dabei ist die Höhe der zu erstattenden Abmahnkosten nach dem Verhältnis des Gegenstandswerts des berechtigten Teils der Abmahnung (vorliegend 50.000,00 EUR) zum Gegenstandswert der gesamten Abmahnung (hier 80.000,00 EUR) zu bestimmen (vgl. BGH GRUR 2010, 744 Rn. 52 - Sondernewsletter; GRUR 2012, 949 Rn. 49 - Missbräuchliche Vertragsstrafe). Von dem bei einem Gegenstandswert von 80.000,00 EUR (bei zutreffender Berechnung) zu errechnenden Betrag von 1.560,00 EUR entfällt ein Anteil von 62,5 %, mithin ein Teilbetrag von 975,00 EUR, auf den berechtigten Teil der Abmahnung. Zuzüglich der Auslagenpauschale steht den Klägerinnen folglich eine Summe von 995,00 EUR zu gleichen Teilen zu."

 

Darüber hinaus stellt der Senat klar, dass sich auch bei Geltendmachung des Schadensersatzes im Wege der Lizenzanalogie eine pauschalisierte Berechnung verbietet. Vielmehr müssen die Anspruchsteller Anknüpfungstatsachen wie die Dauer des Anbietens sowie Aktualität und Attraktivität der fraglichen Musiktitel darlegen und ggf. auch beweisen:

 

"Nachdem der Beklagte mehrere hundert Zugriffe pro Titel (wenn auch unter unbehelflicher Bezugnahme auf seinen 15-jährigen Sohn) in Abrede gestellt hat, haben die Klägerinnen keine tatsächlichen Anhaltspunkte vorgetragen, mit deren Hilfe sich die Größenordnung der Zugriffshäufigkeit ansatzweise ermitteln ließe.

So haben die Klägerinnen zwar angeführt und mit Hilfe der vorgelegten Screenshots belegt, dass zum Tatzeitpunkt 603.8094 Nutzer in Filesharing-System online waren. Sie haben sich aber nicht dazu geäußert, über welchen Zeitraum die streitgegenständlichen Musiktitel zum Upload im Filesharing-Netzwerk über den Internetanschluss des Beklagten bereitgestellt worden sind. Vor allem aber fehlen Ausführungen zur Aktualität und Attraktivität der jeweils in Rede stehenden, überwiegend in deutscher Sprache verfassten Mu­siktitel sowie zur Popularität der - vorwiegend deutschen - Künstler(gruppen) jeweils im März 2007. Mangels näherer diesbezüglicher Angaben fehlen daher bislang zureichende konkrete Anknüpfungstatsachen, die eine Scha­densschätzung nach § 287 ZPO (vgl. Senat a.a.O.) dahingehend ermöglichen, dass von unbekannten Dritten auf Grund der Beteiligung des Sohns des Beklagten an der Musiktauschbörse auf die in Rede stehenden Musiktitel mindestens 400mal oder in einer schätzbaren geringeren Anzahl zugegriffen worden ist (vgl. Senat vom 22.08.2012 - 6 W 158/12 -)."

 

Auch diese Auffassung ist zu begrüßen, da in der bisherigen gerichtlichen Praxis allzu gerne ohne nähere Hinterfragung pauschale Lizenzbeträge angenommen worden sind, die den tatsächlich eingetretenen Schaden in der Regel weit überschreiten.