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Bundesgerichtshof
Beschl. v. 21.12.2018, Az.: AnwZ (Brfg) 33/18
Widerruf einer Zulassung zur Rechtsanwaltschaft wegen Vermögensverfalls; Geltung der Vermutung eines Vermögensverfalls
Gericht: BGH
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 21.12.2018
Referenz: JurionRS 2018, 47570
Aktenzeichen: AnwZ (Brfg) 33/18
ECLI: ECLI:DE:BGH:2018:211218BANWZ.BRFG.33.18.0

Verfahrensgang:

vorgehend:

AGH Rheinland-Pfalz - 10.01.2018 - AZ: 2 AGH 8/17

Rechtsgrundlage:

§ 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO

Verfahrensgegenstand:

Widerruf der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft

BGH, 21.12.2018 - AnwZ (Brfg) 33/18

Redaktioneller Leitsatz:

Bei Vermögensverfall ist die Zulassung eines Anwalts zur Rechtsanwaltschaft zu widerrufen. Ein Vermögensverfall liegt vor, wenn der Rechtsanwalt in ungeordnete, schlechte finanzielle Verhältnisse geraten ist, die er in absehbarer Zeit nicht ordnen kann, und außerstande ist, seinen Verpflichtungen nachzukommen. Ist der Rechtsanwalt im Schuldnerverzeichnis eingetragen, wird sein Vermögensverfall vermutet.

Der Bundesgerichtshof, Senat für Anwaltssachen, hat durch Richter Bellay als Berichterstatter
am 21. Dezember 2018
beschlossen:

Tenor:

Das Zulassungsverfahren wird eingestellt.

Das Urteil des 2. Senats des Anwaltsgerichtshofs Rheinland-Pfalz vom 10. Januar 2018 ist wirkungslos.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Der Streitwert des Zulassungsverfahrens wird auf 50.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Der Kläger ist seit 1994 zur Rechtsanwaltschaft zugelassen. Die Beklagte widerrief mit Bescheid vom 8. März 2017 die Zulassung des Klägers zur Rechtsanwaltschaft wegen Vermögensverfalls (§ 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO). Seine hiergegen gerichtete Klage wies der Anwaltsgerichtshof mit Urteil vom 10. Januar 2018 ab. Der Kläger beantragte zunächst die Zulassung der Berufung; mit an die Beklagte gerichtetem Schreiben vom 3. Dezember 2018 hat er dann auf die Rechte aus der Zulassung als Rechtsanwalt verzichtet. Die Beklagte hat daraufhin mit Bescheid vom 4. Dezember 2018 seine Zulassung zur Rechtsanwaltschaft gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 4 BRAO widerrufen. Die Parteien haben nunmehr den Rechtsstreit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt.

II.

2

Nachdem die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, ist für die noch zu treffenden Entscheidungen nach § 112e Satz 2 BRAO, § 125 Abs. 1 Satz 1, § 87a Abs. 1 Nr. 3 bis 5, Abs. 3 VwGO der Berichterstatter zuständig.

3

1. Gemäß § 112e Satz 2 BRAO, § 125 Abs. 1 Satz 1, § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO ist das Zulassungsverfahren einzustellen. Zudem ist zur Klarstellung nach § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 173 Satz 1 VwGO, § 269 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 ZPO auszusprechen, dass das angefochtene Urteil wirkungslos geworden ist.

4

2. Über die Kosten des Verfahrens ist gemäß § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands zu entscheiden. Danach hat der Kläger die Verfahrenskosten zu tragen. Der von ihm geltend gemachte Zulassungsgrund liegt nicht vor (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).

5

Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) bestehen nicht. Dieser Zulassungsgrund setzt voraus, dass ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird (BGH, Beschlüsse vom 29. Dezember 2016 - AnwZ (Brfg) 36/16, juris Rn. 3; vom 15. Dezember 2017 - AnwZ (Brfg) 11/17, juris Rn. 3). Daran fehlt es. Das Urteil des Anwaltsgerichtshofs steht im Einklang mit der Rechtsprechung des erkennenden Senats.

6

a) Ein Vermögensverfall liegt vor, wenn der Rechtsanwalt in ungeordnete, schlechte finanzielle Verhältnisse geraten ist, die er in absehbarer Zeit nicht ordnen kann, und außerstande ist, seinen Verpflichtungen nachzukommen. Beweisanzeichen hierfür sind Schuldtitel und Vollstreckungsmaßnahmen, die sich gegen den Rechtsanwalt richten (BGH, Beschlüsse vom 8. Dezember 2010 - AnwZ (B) 119/09, juris Rn. 12; vom 29. Juni 2011 - AnwZ (Brfg) 11/10, BGHZ 190, 187 Rn. 4 und vom 20. Dezember 2013 - AnwZ (Brfg) 40/13, juris Rn. 4). Ist der Rechtsanwalt in dem vom Vollstreckungsgericht zu führenden Verzeichnis gemäß § 882b ZPO eingetragen, wird der Vermögensverfall vermutet. Maßgeblich ist hier allein der Zeitpunkt des Widerrufsbescheids, vorliegend also der 8. März 2017; die Beurteilung danach eingetretener Entwicklungen ist einem Wiederzulassungsverfahren vorbehalten (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 29. Juni 2011 - AnwZ (Brfg) 11/10, BGHZ 190, 187 Rn. 9 ff.).

7

b) Der Kläger hat sich zum maßgeblichen Zeitpunkt des Widerrufsbescheids vom 8. März 2017 in Vermögensverfall befunden. Zu diesem Zeitpunkt bestanden nach den Feststellungen des Anwaltsgerichtshofs in dem vom Vollstreckungsgericht zu führenden Verzeichnis (§ 882b ZPO) zwei den Kläger betreffende Eintragungen mit der Folge, dass der Eintritt des Vermögensverfalls vermutet wird (§ 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO).

8

aa) Die Vermutung des Vermögensverfalls gilt aber dann nicht, wenn der Rechtsanwalt nachweist, dass die der Eintragung zugrunde liegenden Forderungen im maßgeblichen Zeitpunkt bereits getilgt waren (vgl. Senatsbeschluss vom 25. August 2016 - AnwZ (Brfg) 30/16, juris Rn. 6 mwN).

9

bb) Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben. Der Kläger räumt selbst ein, dass zum Zeitpunkt der Widerrufsentscheidung zwei Eintragungen im Schuldnerverzeichnis vorhanden gewesen seien. Eine der Forderungen habe er (erst) nach Erlass des Widerrufsbescheids ausgeglichen, die weitere sei noch nicht getilgt.

10

c) Ist der Rechtsanwalt im Schuldnerverzeichnis nach § 882b ZPO eingetragen, wird sein Vermögensverfall gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 7 Halbsatz 2 BRAO vermutet. Die Vermutung ist zwar widerlegbar. Zur Widerlegung der Vermutung muss der Rechtsanwalt jedoch ein vollständiges und detailliertes Verzeichnis seiner Gläubiger und Verbindlichkeiten vorlegen und dartun, dass seine Vermögens- und Einkommensverhältnisse - wiederum bezogen auf den maßgeblichen Zeitpunkt des Widerrufsbescheides - nachhaltig geordnet waren (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 24. März 2017 - AnwZ (Brfg) 60/16, juris Rn. 6). Der Rechtsanwalt muss insbesondere darlegen, welche Forderungen im maßgeblichen Zeitpunkt des Widerrufsbescheides gegen ihn bestanden und wie er sie zurückführen oder anderweitig regulieren wollte (BGH, aaO Rn. 7).

11

Dies hat der Kläger, der bestreitet, sich im Vermögensverfall befunden zu haben, nicht getan. Die beim Anwaltsgerichtshof erstmals vorgelegten Unterlagen reichen für eine Prüfung, dass ein Vermögensverfall zum Widerrufszeitpunkt nicht vorgelegen habe, nicht aus. Zutreffend führt der Anwaltsgerichtshof aus, dass insbesondere konkrete Angaben zu Maßnahmen fehlen, die zur Konsolidierung der Vermögensverhältnisse des Klägers führen könnten. Auch bleibt unklar, welche liquiden Mittel vorhanden sind, um die noch bestehenden Verbindlichkeiten ausgleichen zu können. Nach den Angaben des Klägers sei der ihm und seiner Ehefrau gehörende Immobilienbesitz zwar werthaltig; das Einfamilienhaus sei aber mit einem Immobiliendarlehen finanziert, das etwa noch in Höhe von einem Drittel dessen Wertes valutiert sei. Der Umstand, dass auch dieses Darlehen vom Kläger bedient werden muss, spricht aber bei einem Gewinn aus anwaltlicher Tätigkeit im Jahre 2014 in Höhe von 17.917 EUR und im Jahre 2015 in Höhe von 23.288 EUR dagegen, dass die Einkommens- und Vermögensverhältnisse nachhaltig geordnet waren.

12

d) Eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden lässt sich bei dem als Einzelanwalt tätigen Kläger nicht ausschließen. Mit dem Vermögensverfall eines Rechtsanwalts ist nach der in § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO zum Ausdruck gekommenen Wertung des Gesetzgebers grundsätzlich eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden verbunden. Die Annahme ist regelmäßig schon im Hinblick auf den Umgang des Rechtsanwalts mit Fremdgeldern und den darauf möglichen Zugriff von Gläubigern gerechtfertigt (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 29. Dezember 2016 - AnwZ (Brfg) 53/16, NJW 2017, 1181 Rn. 15 f. mwN). Tragfähige Anhaltspunkte dafür, dass eine solche Gefährdung ausnahmsweise nicht bestand, liegen nicht vor. Um eine solche Gefährdung auszuschließen, darf der Rechtsanwalt seine anwaltliche Tätigkeit nur noch im Rahmen einer anwaltlichen Sozietät ausüben und muss mit dieser entsprechende Sicherungsmaßnahmen verabreden. Selbst auferlegte Beschränkungen des in Vermögensverfall geratenen Rechtsanwalts sind hingegen nicht geeignet, eine Gefährdung der Rechtsuchenden auszuschließen (BGH, Beschlüsse vom 29. Dezember 2016 - AnwZ (Brfg) 53/16, NJW 2017, 1181 [BGH 13.09.2016 - VII ZR 17/14] Rn. 15 f. mwN; vom 31. März 2017 - AnwZ (Brfg) 58/16, juris Rn. 6). BellayVorinstanzen: AGH Koblenz, Entscheidung vom 10.01.2018 - 2 AGH 8/17

III.

13

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 194 Abs. 2 Satz 1 BRAO.

Bellay

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