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Bundesgerichtshof
Beschl. v. 15.12.2017, Az.: AnwZ (Brfg) 11/17
Widerruf der Zulassung eines Rechtsanwalts zur Rechtsanwaltschaft wegen Vermögensverfalls
Gericht: BGH
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 15.12.2017
Referenz: JurionRS 2017, 29533
Aktenzeichen: AnwZ (Brfg) 11/17
ECLI: ECLI:DE:BGH:2017:151217BANWZ.BRFG.11.17.0

Verfahrensgang:

vorgehend:

AGH Bayern - 12.01.2017

Verfahrensgegenstand:

Widerruf der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft

BGH, 15.12.2017 - AnwZ (Brfg) 11/17

Der Bundesgerichtshof, Senat für Anwaltssachen, hat durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kayser, die Richter Dr. Bünger und Dr. Remmert sowie die Rechtsanwälte Dr. Braeuer und Dr. Lauer
am 15. Dezember 2017
beschlossen:

Tenor:

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des 5. Senats des Bayerischen Anwaltsgerichtshofs vom 12. Januar 2017 wird abgelehnt.

Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.

Der Streitwert des Zulassungsverfahrens wird auf 50.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Der 1953 geborene Kläger wurde 1986 erstmals als Rechtsanwalt zugelassen. Mit Bescheid vom 1. September 2016 widerrief die Beklagte die Zulassung des Klägers zur Rechtsanwaltschaft wegen Vermögensverfalls (§ 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO). Die hiergegen gerichtete Klage hat der Anwaltsgerichtshof abgewiesen. Der Kläger beantragt nunmehr die Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Anwaltsgerichtshofs.

II.

2

Der Antrag des Klägers ist nach § 112e Satz 2 BRAO, § 124a Abs. 4 VwGO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Er hat jedoch keinen Erfolg. Der von dem Kläger geltend gemachte Zulassungsgrund liegt nicht vor (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 1, § 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO).

3

Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) bestehen nicht. Dieser Zulassungsgrund setzt voraus, dass ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird (st. Rspr.; vgl. nur Senatsbeschlüsse vom 29. Juni 2011 - AnwZ (Brfg) 11/10, BGHZ 190, 187 Rn. 3; vom 21. April 2016 - AnwZ (Brfg) 1/16, [...] Rn. 3; vom 8. Juni 2016 - AnwZ (Brfg) 18/16, [...] Rn. 3; vom 12. Oktober 2017 - AnwZ (Brfg) 39/17, [...] Rn. 3; jeweils mwN). Daran fehlt es hier.

4

1. Gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO ist die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu widerrufen, wenn der Rechtsanwalt in Vermögensverfall geraten ist, es sei denn, dass dadurch die Interessen der Rechtsuchenden nicht gefährdet sind. Ein Vermögensverfall liegt vor, wenn der Rechtsanwalt in ungeordnete, schlechte finanzielle Verhältnisse geraten ist, die er in absehbarer Zeit nicht ordnen kann, und außer Stande ist, seinen Verpflichtungen nachzukommen. Beweisanzeichen hierfür sind insbesondere die Erwirkung von Schuldtiteln und Vollstreckungsmaßnahmen gegen ihn (st. Rspr.; vgl. nur Senatsbeschlüsse vom 16. April 2007 - AnwZ (B) 6/06, ZVI 2007, 619 Rn. 5; vom 29. Juni 2011 - AnwZ (Brfg) 11/10, aaO Rn. 4; vom 21. April 2016 - AnwZ (Brfg) 1/16, aaO Rn. 6; jeweils mwN).

5

Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Widerrufs der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft ist dabei allein auf den Zeitpunkt des Abschlusses des behördlichen Widerrufsverfahrens, hier mithin auf den Erlass des Widerrufsbescheids der Beklagten vom 1. September 2016, abzustellen; die Beurteilung danach eingetretener Entwicklungen ist einem Wiederzulassungsverfahren vorbehalten (st. Rspr.; vgl. nur Senatsbeschlüsse vom 29. Juni 2011 - AnwZ (Brfg) 11/10, aaO Rn. 9 ff.; vom 9. Juni 2015 - AnwZ (Brfg) 16/15, [...] Rn. 7; vom 21. April 2016 - AnwZ (Brfg) 1/16, aaO Rn. 4; vom 12. Oktober 2017 - AnwZ (Brfg) 39/17, aaO Rn. 4; jeweils mwN).

6

2. Hiervon ausgehend hat der Anwaltsgerichtshof zutreffend angenommen, dass sich der Kläger zum maßgeblichen Zeitpunkt in Vermögensverfall befunden hat und seine Zulassung zur Rechtsanwaltschaft deshalb zu widerrufen war.

7

a) Nach den Feststellungen des Anwaltsgerichtshofs war der Kläger zum Zeitpunkt des Widerrufsbescheids in das vom Vollstreckungsgericht zu führende Verzeichnis (§ 882b ZPO) in 18 Fällen eingetragen. Auf den vom Kläger in der Begründung des Zulassungsantrags angeführten Umstand, dass nach den Feststellungen des Anwaltsgerichtshofs zum (späteren) Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (nur) noch 15 Eintragungen im Schuldnerverzeichnis vorlagen, kommt es bereits aus den vorstehend (unter II 1) genannten Gründen nicht an.

8

aa) Der Anwaltsgerichtshof ist zutreffend davon ausgegangen, dass bei dieser Sachlage gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 7 Halbs. 2 BRAO bereits eine gesetzliche Vermutung für einen Vermögensverfall des Klägers spricht. Diese gesetzliche Vermutung hat der Kläger nicht widerlegt. Zwar kommt die an eine Eintragung anknüpfende gesetzliche Vermutung nicht zur Geltung, wenn der Rechtsanwalt nachweist, dass die der jeweiligen Eintragung zugrunde liegende Forderung im maßgeblichen Zeitpunkt bereits getilgt war (vgl. nur Senatsbeschluss vom 12. Oktober 2017 - AnwZ (Brfg) 39/17, aaO Rn. 6 mwN). Dies ist hier aber jedenfalls hinsichtlich des überwiegenden Teils der Forderungen nicht der Fall gewesen.

9

Es trifft zwar zu, dass ausweislich der im Tatbestand des Urteils des Anwaltsgerichtshofs enthaltenen Tabelle - wie der Kläger in der Begründung seines Zulassungsantrags geltend macht - hinsichtlich acht der 18 Eintragungen im Schuldnerverzeichnis eine Vollzahlung der zugrunde liegenden Forderungen vermerkt ist. Entgegen der Auffassung des Klägers ist jedoch davon auszugehen, dass der Anwaltsgerichtshof diesen Umstand, wie bereits dessen Erwähnung im Tatbestand des Urteils zeigt, bei seiner Entscheidung berücksichtigt hat. Nichts anderes gilt für die in der Begründung des Zulassungsantrags außerdem erwähnten amtsgerichtlichen Verfahren und für die Zwangsvollstreckungsmaßnahmen der Gerichtsvollzieher, die in der vorgenannten Tabelle zusätzlich aufgeführt und teilweise ebenfalls mit dem Vermerk einer Vollzahlung versehen sind. Diese vom Kläger angeführten Umstände ändern zudem nichts daran, dass zum maßgeblichen Zeitpunkt des Widerrufsbescheids - neben mehreren offenen Zwangsvollstreckungsverfahren - jedenfalls zehn Eintragungen im Schuldnerverzeichnis vorlagen, bei denen die zugrunde liegenden (zum Teil beträchtlichen) Forderungen auch nach dem Vortrag des Klägers noch nicht getilgt waren.

10

bb) Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats muss ein Rechtsanwalt, der - wie der Kläger - im Schuldnerverzeichnis eingetragen ist, zur Widerlegung der Vermutung des Vermögensverfalls ein vollständiges und detailliertes Verzeichnis seiner Gläubiger und Verbindlichkeiten vorlegen und konkret darlegen, dass seine Vermögens- und Einkommensverhältnisse - wiederum bezogen auf den maßgeblichen Zeitpunkt des Widerrufs - nachhaltig geordnet sind (vgl. nur Senatsbeschlüsse vom 6. Februar 2014 - AnwZ (Brfg) 83/13, BRAK-Mitt. 2014, 164 Rn. 5; vom 4. Februar 2016 - AnwZ (Brfg) 59/15, [...] Rn. 5; vom 18. September 2017 - AnwZ (Brfg) 33/17, [...] Rn. 5; jeweils mwN).

11

Dies hat der Kläger trotz entsprechender Aufforderung der Beklagten nicht getan. Insbesondere hat er nicht hinreichend dargelegt, dass seine Vermögens- und Einkommensverhältnisse - vom maßgeblichen Zeitpunkt des Widerrufsbescheids aus gesehen - zumindest in absehbarer Zeit nachhaltig geordnet sein würden (vgl. Senatsbeschluss vom 4. Februar 2016 - AnwZ (Brfg) 59/15, aaO Rn. 6); er hat insbesondere auch nicht nachgewiesen, die oben genannten offenen Forderungen beglichen zu haben.

12

Soweit der Kläger - allerdings wiederum ohne Vorlage entsprechender Nachweise - geltend macht, es seien gegen ihn "zwischenzeitlich keine weiteren Verfahren anhängig geworden, insbesondere keine Vollstreckungsmaßnahmen", vermag dies an der gesetzlichen Vermutung für einen Vermögensverfall des Klägers schon deshalb nichts zu ändern, weil es entscheidend auf den Zeitpunkt des Widerrufs der Anwaltszulassung ankommt.

13

cc) Der Anwaltsgerichtshof hat den Vermögensverfall des Klägers schließlich aufgrund der oben genannten Beweisanzeichen und angesichts der im Urteil festgestellten Schuldenhöhe des Klägers von mindestens 124.874,82 € mit zutreffenden Erwägungen zudem auch als erwiesen erachtet.

14

b) Soweit der Kläger gegen den Widerruf seiner Zulassung zur Rechtsanwaltschaft einwendet, es fehle - selbst wenn eine "schwierige Vermögenssituation" unterstellt werde - an einer Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden, ist dieses Vorbringen ebenfalls nicht geeignet, ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils zu begründen.

15

aa) Nach der in § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO zum Ausdruck kommenden Wertung des Gesetzgebers ist mit dem Vermögensverfall eines Rechtsanwalts grundsätzlich eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden verbunden. Auch wenn diese Regelung nicht im Sinne eines Automatismus zu verstehen ist, die Gefährdung daher nicht zwangsläufig und ausnahmslos schon aus dem Vorliegen eines Vermögensverfalls folgt, kann die Gefährdung im nach der gesetzlichen Wertung vorrangigen Interesse der Rechtsuchenden nur in seltenen Ausnahmefällen verneint werden, wobei den Rechtsanwalt hierfür die Feststellungslast trifft. Die Annahme einer derartigen Sondersituation setzt jedoch zumindest voraus, dass der Rechtsanwalt seine anwaltliche Tätigkeit nur noch für eine Rechtsanwaltssozietät ausübt und mit dieser rechtlich abgesicherte Maßnahmen verabredet hat, die eine Gefährdung der Mandanten effektiv verhindern (vgl. nur Senatsbeschlüsse vom 26. August 2013 - AnwZ (Brfg) 31/13, [...] Rn. 5; vom 9. Februar 2015 - AnwZ (Brfg) 46/14, [...] Rn. 12; vom 17. März 2016 - AnwZ (Brfg) 6/16, [...] Rn. 4; jeweils mwN). Eine solche Ausnahmesituation ist hier nicht gegeben. Der Kläger ist nach wie vor als Einzelanwalt tätig.

16

bb) Der Hinweis des Klägers, er führe zur Verwaltung von Fremdgeldern ein Rechtsanwaltsanderkonto, ist, wie der Anwaltsgerichtshof zutreffend angenommen hat, nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ungeeignet, die von Gesetzes wegen vermutete Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden auszuschließen. Die Einrichtung eines Anderkontos schließt weder aus, dass Fremdgeld - insbesondere wenn Zahlungen per Scheck oder in bar erfolgen - in den Gewahrsam des Klägers gelangt noch dass Gläubiger darauf Zugriff nehmen können (Senatsbeschlüsse vom 26. August 2013 - AnwZ (Brfg) 31/13, aaO Rn. 5; vom 9. Februar 2015 - AnwZ (Brfg) 46/14, aaO Rn. 14 mwN; st. Rspr.).

17

Im Übrigen sind selbst auferlegte Beschränkungen des in Vermögensverfall geratenen Rechtsanwalts - wie der Senat ebenfalls in ständiger Rechtsprechung annimmt (vgl. nur Senatsbeschlüsse vom 16. März 2015 - AnwZ (Brfg) 47/14, [...] Rn. 6; vom 3. Juni 2015 - AnwZ (Brfg) 11/15, [...] Rn. 8; vom 8. Juni 2016 - AnwZ (Brfg) 18/16, aaO Rn. 5; jeweils mwN) - grundsätzlich nicht geeignet, eine Gefährdung der Rechtsuchenden auszuschließen.

18

cc) Die somit vorliegend anzunehmende Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden rechtfertigt - anders als der Kläger meint - den mit dem Widerruf der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft verbundenen Eingriff in dessen Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG). Entgegen der Auffassung des Klägers ist hiermit kein dauerhaftes "Berufsverbot" verbunden. Denn es ist ihm unbenommen, nach Wegfall des Vermögensverfalls seine Wiederzulassung zu beantragen und sodann wieder als Einzelanwalt tätig zu werden (vgl. Senatsbeschluss vom 29. Dezember 2016 - AnwZ (Brfg) 53/16, NJW 2017, 1181 [BGH 13.09.2016 - VII ZR 17/14] Rn. 18).

III.

19

Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts auf § 194 Abs. 2 Satz 1 BRAO.

Kayser

Bünger

Remmert

Braeuer

Lauer

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