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Bundesgerichtshof
Urt. v. 16.10.1997, Az.: IX ZR 164/96

Auslegung eines Bürgschaftsvertrages nach Entstehungsgeschichte, Zweck und die damit verbundene Interessenlage ; Berücksichtigung des nachträglichen Verhaltens bei der Vertragsauslegung; Festlegung des Umfangs der Bürgschaftserklärung; Differenzierung zwischen Bürgschaft auf erstes Anfordern und schlichter selbstschuldnerischer Bürgschaft

Bibliographie

Gericht
BGH
Datum
16.10.1997
Aktenzeichen
IX ZR 164/96
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1997, 15171
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
OLG Nürnberg - 09.05.1996
LG Nürnberg-Fürth

Fundstellen

  • BB 1997, 2609-2610 (Volltext mit amtl. LS)
  • BauR 1998, 138-140 (Volltext)
  • EWiR 1998, 167-168 (Volltext mit red. LS u. Anm.)
  • MDR 1998, 113-114 (Volltext mit amtl. LS)
  • NJW-RR 1998, 259-260 (Volltext mit amtl. LS)
  • WM 1997, 2305-2307 (Volltext mit amtl. LS)
  • WuB 1998, 215-216
  • ZBB 1998, 34
  • ZIP 1998, 106-108 (Volltext mit amtl. LS)

Amtlicher Leitsatz

Zur Bedeutung des nachträglichen Verhaltens der Vertragspartner für die Auslegung ihres Bürgschaftsvertrages.

Redaktioneller Leitsatz

  1. 1.

    Der für einen bestimmten Vertrag ausgearbeitete Entwurf fällt nicht unter Allgemeine Geschäftsbedingungen.

  2. 2.

    Der Bürge muß seine Erklärung so gegen sich gelten lassen, wie sie aus der Sicht des Gläubigers mit Rücksicht auf die ihm erkennbaren Umstände aufzufassen ist. Für diesen objektiven Erklärungswert ist in erster Linie der Wortlaut der Bürgschaftsurkunde maßgeblich. Begleitumstände können in die Auslegung einbezogen werden, soweit sie für den Gläubiger einen Schluß auf den Sinngehalt der Bürgschaftserklärung zulassen.

In dem Rechtsstreit
hat der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs
auf die mündliche Verhandlung vom 16. Oktober 1997
durch
die Richter Dr. Kreft, Stodolkowitz, Dr. Fischer, Dr. Zugehör und Dr. Ganter
für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 13. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 9. Mai 1996 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Klage abgewiesen worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an den 6. Zivilsenat des Berufungsgerichts zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Klägerin nimmt den Beklagten als Bürgen in Anspruch wegen Verbindlichkeiten der Sch. GmbH (fortan: GmbH oder Hauptschuldnerin), deren Geschäftsführer und Mehrheitsgesellschafter der Beklagte war.

2

In der von der Klägerin vorbereiteten, vom Beklagten unterzeichneten "Bürgschaftsurkunde" vom 28. April 1994 heißt es u.a.:

Die Klägerin als "Auftragnehmer" und die GmbH als "Auftraggeber ... schließen Baustoff-Lieferungsverträge für jeweils genannte Bauvorhaben ab.

Als Sicherheit für die vertragsgemäße Erfüllung der Zahlungsverpflichtung ist dem Auftragnehmer eine Bürgschaft in Höhe von 100 % der Auftrags-/Abrechnungs-Summe (einschließlich Mehrwertsteuer) zu stellen.

Dies vorausgeschickt, übernehme ich ...

(Name und Anschrift des Beklagten)

hiermit für den Auftraggeber die unwiderrufliche, selbstschuldnerische Bürgschaft und verpflichten uns, jeden Betrag bis zu einer Gesamthöhe von

DM 81.350,41

...

an den Auftragnehmer auf erstes Anfordern zu zahlen.

Auf die Einreden der Anfechtung, der Aufrechnung und der Vorausklage gemäß §§ 768, 770 und 771 BGB wird verzichtet. § 776 BGB kommt nicht zur Anwendung."

3

Damals bestanden Kaufpreisforderungen der Klägerin gegen die Hauptschuldnerin aus Baustofflieferungen in Höhe des Bürgschaftsbetrages. Nach Übernahme der Bürgschaft lieferte die Klägerin an die Hauptschuldnerin weitere Baustoffe für mehrere Bauvorhaben. Dafür berechnete die Klägerin 64.108,73 DM, die nach Ansicht des Beklagten nicht verbürgt worden sind. Über das Vermögen der Hauptschuldnerin wurde 1995 das Konkursverfahren eröffnet.

4

Das Landgericht hat die streitige Bürgschaftsforderung wegen der Rechnungen, die die Klägerin nach der Bürgschaftserklärung erteilt hat, zuerkannt, das Oberlandesgericht hat die Klage insoweit abgewiesen. Mit ihrer Revision begehrt die Klägerin, das Urteil des Landgerichts wiederherzustellen.

Entscheidungsgründe

5

Die Revision führt insoweit, als die Klage abgewiesen worden ist, zur Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung der Sache (§§ 564, 565 Abs. 1 Satz 1 ZPO); von der Möglichkeit des § 565 Abs. 1 Satz 2 ZPO wird Gebrauch gemacht.

6

I.

Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Dem Wortlaut der Bürgschaftsurkunde könne die verbürgte Verbindlichkeit nicht zweifelsfrei entnommen werden. Die Auslegung ergebe mit Rücksicht auf die Entstehungsgeschichte und den Zweck der Bürgschaft, daß diese nur die bei Übernahme bestehende Forderung von 81.350,41 DM umfasse. Der Beklagte habe die ihm von der Klägerin übersandte Bürgschaftserklärung unterzeichnet, weil die Klägerin mit Schreiben vom 19. April 1994 einen Zahlungsaufschub in Aussicht gestellt habe. Der spätere Schriftwechsel zwischen der Klägerin und der Hauptschuldnerin sei nicht zu berücksichtigen.

7

II.

Diese Erwägungen halten einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

8

1.

Nach dem vorliegenden Sach- und Streitstand hat das Berufungsgericht den Bürgschaftsvertrag der Parteien zu Recht als individuelle Vereinbarung und nicht als Formularvertrag im Sinne des § 1 Abs. 1 AGBG ausgelegt (vgl. zum verschiedenen Auslegungsmaßstab: BGH, Urt. v. 19. Oktober 1995 - IX ZR 20/95, NJW-RR 1996, 375 [BGH 19.10.1995 - IX ZR 20/95]). Die Parteien haben nicht vorgetragen, daß der von der Klägerin verwendete Entwurf einer Bürgschaftserklärung für eine Vielzahl von Verträgen aufgestellt worden sei. Der für einen bestimmten Vertrag ausgearbeitete Entwurf fällt, soweit - wie hier - § 24 a AGBG noch nicht anzuwenden ist, nicht unter Allgemeine Geschäftsbedingungen gemäß § 1 Abs. 1 AGBG (BGH, Urt. v. 22. September 1987 - IX ZR 220/86, WM 1987, 1430, 1431; v. 29. Mai 1989 - II ZR 220/88, NJW 1989, 2638, 2685).

9

2.

Weiterhin ist das Berufungsgericht nach dem Zusammenhang seiner Ausführungen zutreffend davon ausgegangen, daß die Parteien trotz des Wortlauts der Urkunde keine Bürgschaft auf erstes Anfordern, sondern eine schlichte selbstschuldnerische Bürgschaft vereinbart haben (vgl. BGH, Urt. v. 12. März 1992 - IX ZR 141/91, NJW 1992, 1446 f). Etwas anderes haben auch die Parteien nicht geltend gemacht.

10

3.

Die tatrichterliche Auslegung des Umfangs der Bürgschaftsverpflichtung der Parteien bindet den Senat nicht. Die Revision rügt mit Erfolg, daß das Berufungsgericht wesentliche Tatsachen rechtsfehlerhaft außer acht gelassen hat.

11

Der Bürge muß seine Erklärung so gegen sich gelten lassen, wie sie aus der Sicht des Gläubigers mit Rücksicht auf die ihm erkennbaren Umstände aufzufassen ist. Für diesen objektiven Erklärungswert ist in erster Linie der Wortlaut der Bürgschaftsurkunde maßgeblich. Begleitumstände können in die Auslegung einbezogen werden, soweit sie für den Gläubiger einen Schluß auf den Sinngehalt der Bürgschaftserklärung zulassen (BGH, Urt. v. 18. Februar 1993 - IX ZR 108/92, WM 1993, 1141 f [BGH 18.02.1993 - IX ZR 108/92]).

12

a)

Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, daß die Bürgschaftserklärung des Beklagten der Auslegung bedarf. Entgegen der Ansicht der Revision ergibt der Wortlaut nicht eindeutig, daß - neben der damals bestehenden Forderung der Klägerin gegen die Hauptschuldnerin - auch künftige Kaufpreisansprüche wegen weiterer Baustofflieferungen bis zum angegebenen Höchstbetrag verbürgt worden sind. Die Bürgschaftssumme von 81.350,41 DM kann darauf hindeuten, daß nur die entsprechende, bei Abschluß des Bürgschaftsvertrages bestehende Forderung der Klägerin gegen die Hauptschuldnerin verbürgt worden ist. In der Urkunde fehlt auch die Bezeichnung "Höchstbetragsbürgschaft". Andererseits kann für die Verbürgung künftiger Forderungen folgendes sprechen: Als Anlaß ist vom Bürgen "vorausgeschickt" worden, daß die Hauptschuldnerin und die Klägerin Verträge über Baustofflieferungen für jeweils genannte Bauvorhaben "abschließen" (nicht: abschlossen) und als Sicherheit für die vertragsmäßige Erfüllung der Zahlungsverpflichtung der Klägerin eine Bürgschaft in Höhe der vollen Auftrags- und Abrechnungssumme zu stellen ist. In seiner Bürgschaft hat sich der Beklagte verpflichtet, "jeden Betrag bis zu einer Gesamthöhe von DM 81.350,41" an die Klägerin zu zahlen.

13

Das Berufungsgericht hat - dies ist zulässig - abgestellt auf die Entstehungsgeschichte des Bürgschaftsvertrages (vgl. dazu BGH, Urt. v. 23. Februar 1987 - II ZR 183/86, NJW 1987, 2437, 2438) sowie auf den Zweck und die damit verbundene Interessenlage (vgl. BGHZ 109, 19, 22). Die Schreiben der Klägerin vom 11. und 19. April 1994 konnten von der Hauptschuldnerin dahin gewertet werden, daß die Klägerin Zug um Zug gegen die Bürgschaftsübernahme ihre damals bestehende Forderung stunden und von gerichtlichen Maßnahmen absehen wollte. Allerdings kann sich bei der gebotenen Gesamtwürdigung aller Umstände ergeben, daß der im Schreiben der Klägerin vom 19. April 1994 angebotene "Zahlungsaufschub von 14 Tagen" nicht der einzige Zweck der Bürgschaft gewesen ist. Ein solches Entgegenkommen hätte der Beklagte als zu gering für eine Bürgschaft ansehen können. Deswegen ist es nicht ausgeschlossen, daß die Parteien einen weitergehenden Zweck mit der Bürgschaft verbunden haben.

14

b)

Die Revision entnimmt vor allem dem Schriftwechsel zwischen der Klägerin und der Hauptschuldnerin nach der Bürgschaftsübernahme, daß Zweck der Bürgschaft gewesen sei, die weitere Belieferung der Hauptschuldnerin mit Baustoffen - für mehrere Bauvorhaben - zu sichern.

15

Das nachträgliche Verhalten von Vertragspartnern kann zwar den bei Vertragsschluß zum Ausdruck gebrachten objektiven Gehalt der wechselseitigen Vertragserklärungen nicht mehr beeinflussen (BGH, Urt. v. 24. Juni 1988 - V ZR 49/87, NJW 1988, 2878, 2879). Es kann aber für die Auslegung bedeutsam sein, weil es Anhaltspunkte für den tatsächlichen Vertragswillen enthalten kann (BGH, Beschl. v. 24. November 1993 - BLw 57/93, WM 1994, 267, 268; v. 14. Januar 1993 - IX ZR 76/92, WM 1993, 1197, 1200).

16

In ihren Schreiben an die Klägerin vom 13., 15. und 28. Juli 1994 - also etwa drei Monate nach der Bürgschaftsübernahme - hat die Hauptschuldnerin eindeutig zum Ausdruck gebracht, daß die Bürgschaft die "Warenkreditlinie" sichere, die die Klägerin - gemäß ihrem Schreiben vom 13. Juli 1994 - der Hauptschuldnerin "nach wie vor" in Höhe von 40.000,00 DM eingeräumt hatte. Dementsprechend hat die Hauptschuldnerin in ihrem Schreiben an die Klägerin vom 13. Dezember 1994 die Inanspruchnahme aus der Bürgschaft abgelehnt, weil durch Lieferverzögerungen und mangelhafte Ausführung erhebliche Kosten entstanden seien, nicht aber, weil die Bürgschaft künftige Forderungen nicht gesichert habe. Diese Mitteilungen sprechen für den von der Klägerin behaupteten Vertragsinhalt, falls die Schreiben vom Beklagten als Geschäftsführer der Hauptschuldnerin stammen oder von diesem gebilligt worden sind. Der Beklagte hat bisher nicht erläutert, aus welchem Grunde diese Schreiben ohne sein Wissen und seine Zustimmung herausgegangen sein sollen (§ 138 ZPO). Die Revision rügt zu Recht, daß das Berufungsgericht diese Umstände rechtsfehlerhaft außer acht gelassen hat.

17

Entgegen der tatrichterlichen Feststellung hat die Klägerin - im ersten Rechtszuge - hinreichend zum Ausdruck gebracht, der Beklagte habe die Schreiben der Hauptschuldnerin vom 13. und 28. Juli 1994 veranlaßt (GA I 35). Für die Richtigkeit dieser Behauptung kann folgendes sprechen: Diese Mitteilungen und das Schreiben der Hauptschuldnerin vom 15. Juli 1994 tragen die Überschrift "Geschäftsleitung". Die Schreiben der Hauptschuldnerin vom 13. und 28. Juli 1994 sowie vom 13. Dezember 1994 sind "i.A." unterzeichnet worden; das letztgenannte Schreiben enthält das Diktatzeichen "HGS" des Beklagten. Die Mitteilung der Hauptschuldnerin vom 15. Juli 1994 wurde von "G. Sch." unterschrieben.

18

Das Berufungsgericht durfte dieses Vorbringen der Klägerin nicht gemäß § 296 a ZPO zurückweisen. Entgegen seiner Ansicht war es unschädlich, daß die Klägerin auf diesen Vortrag in ihrer Berufungserwiderung nur allgemein Bezug genommen hat. Nachdem die Klägerin im ersten Rechtszuge obsiegt hatte, durfte sie darauf vertrauen, daß das Berufungsgericht auf seine abweichende Beurteilung rechtzeitig hinwies und, falls dies unterblieb, ihr erstinstanzliches Vorbringen berücksichtigte und, soweit erforderlich, Gelegenheit zur Ergänzung gab (§§ 139, 278 Abs. 3 ZPO; vgl. BGH, Urt. v. 15. Januar 1981 - VII ZR 147/80, NJW 1981, 1378; v. 13. März 1981 - I ZR 65/79, MDR 1982, 29). Ein solcher Hinweis des Berufungsgerichts ergibt sich weder aus den Protokollen noch aus dem übrigen Akteninhalt. Der in der Sitzung am 22. Februar 1996 geschlossene - widerrufene - Vergleich spricht gegen einen Hinweis.

19

c)

Aus demselben Grunde durfte das Berufungsgericht die weitere erstinstanzliche, unter Beweis gestellte Behauptung der Klägerin, der Beklagte habe bei einer Besprechung am 26. Juli 1994 erklärt, seine Bürgschaft beziehe sich auch auf die nach deren Übernahme entstandenen Verbindlichkeiten der Hauptschuldnerin, nicht gemäß § 296 a ZPO unberücksichtigt lassen.

20

d)

Danach ist zur Feststellung des Vertragsinhalts noch zu klären, ob der Beklagte gemäß dem - streitigen - Klagevortrag zum Ausdruck gebracht hat, er habe auch künftige Forderungen der Klägerin aus Baustofflieferungen an die Hauptschuldnerin verbürgt.

21

4.

Sollte die Gesamtwürdigung der erwiesenen maßgeblichen Umstände einen solchen weiten Sicherungszweck der Bürgschaft ergeben, so wären die verbürgten künftigen Verbindlichkeiten der Hauptschuldnerin aus den bei Abschluß des Bürgschaftsvertrages vorgesehenen weiteren Baustofflieferungen der Klägerin genügend bestimmt gewesen (§ 765 Abs. 2 BGB; vgl. BGHZ 25, 318, 319). Außerdem hätte dann die verbürgte Hauptschuld einen hinreichenden Niederschlag in der Bürgschaftsurkunde gefunden; aus den ersten drei Absätzen ergäbe sich ein solcher Bürgschaftsgegenstand in einer wenigstens individuell bestimmbaren Weise, wie bereits dargelegt worden ist (§ 766 Satz 1 BGB; vgl. BGH, Urt. v. 30. März 1995 - IX ZR 98/94, NJW 1995, 1886 f). Gegen die Rechtswirksamkeit einer Bürgschaft des Beklagten mit einer solchen weiten Zweckerklärung bestünden keine Bedenken. Der Geschäftsführer und Mehrheitsgesellschafter einer GmbH, der sich für deren künftige Verbindlichkeiten verbürgt, bedarf des Schutzes des § 767 Abs. 1 Satz 3 BGB nicht, weil er eine Erweiterung seines Haftungsrisikos vermeiden kann (vgl. BGHZ 130, 19, 30[BGH 18.05.1995 - IX ZR 108/94]; BGH, Beschl. v. 24. September 1996 - IX ZR 316/95, ZIP 1997, 449).

22

Dann bliebe noch zu prüfen, ob die Hauptschuldnerin gegen den Vergütungsanspruch der Klägerin wegen Baustofflieferungen, die nach der Bürgschaftsübernahme des Beklagten vorgenommen worden sind, mit den Forderungen in Höhe von 14.011,91 DM rechtswirksam aufgerechnet hat, die im Schreiben der Hauptschuldnerin an die Klägerin vom 10. November 1994 sowie wegen einer Vertragsstrafe infolge Lieferverzuges geltend gemacht worden sind. Nach der Feststellung des Landgerichts sind die "Geschäftsbedingungen" der Klägerin Bestandteil der Lieferverträge geworden. Der in Nr. 7 dieser AGB enthaltene vollständige Ausschluß einer Aufrechnung für den Fall, daß die Vertragspartner - wie hier - Kaufleute sind, ist unwirksam (§§ 9, 11 Nr. 3, 24 Satz 2 AGBG; vgl. BGHZ 91, 375, 383 f[BGH 20.06.1984 - VIII ZR 337/82];  92, 312, 315 f). Die Klägerin hat den zur Aufrechnung gestellten Gegenanspruch in Höhe von 1.000,00 DM anerkannt. Im übrigen wäre zu klären, ob die weitergehenden Gegenforderungen bestehen. Der im Bürgschaftsvertrag vereinbarte Verzicht auf die "Einrede ... der Aufrechnung" hindert die von der Hauptschuldnerin erklärte Aufrechnung nicht, weil er nur das Recht des Bürgen betrifft, selbst die dem Hauptschuldner zustehenden Einreden gegen die Bürgschaftsforderung geltend zu machen (§ 768 BGB; vgl. BGHZ 107, 210, 214) [BGH 20.04.1989 - IX ZR 212/88].

23

5.

Sollte der Beklagte nur für die bei Abschluß des Bürgschaftsvertrages bestehende Forderung der Klägerin gegen die Hauptschuldnerin einstehen müssen, so wäre er - entgegen der Ansicht der Revision - in der Folgezeit nicht nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) gehalten gewesen, die Klägerin darauf hinzuweisen, daß sie rechtsirrtümlich einen weitergehenden Bürgschaftsumfang annahm.

Kreft,
Stodolkowitz,
Fischer,
Zugehör,
Ganter