Bundesgerichtshof
Urt. v. 11.07.1996, Az.: III ZR 133/95
Gefahrenabwehr; Entschädigungsanspruch; Amtshaftung
Bibliographie
- Gericht
- BGH
- Datum
- 11.07.1996
- Aktenzeichen
- III ZR 133/95
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1996, 14295
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlage
- § 59 Abs. 1 Nr. 1 SOG Berl
Fundstellen
- DVBl 1996, 1312-1314 (Volltext mit amtl. LS)
- DÖV 1997, 885 (amtl. Leitsatz)
- JuS 1997, 663-664 (Volltext mit amtl. LS)
- MDR 1996, 1241-1243 (Volltext mit amtl. LS)
- NJ 1997, 54 (amtl. Leitsatz)
- NJW 1996, 3151-3152 (Volltext mit amtl. LS) ""diclo 75""
- NVwZ 1997, 99 (amtl. Leitsatz)
- PharmaR 1996, 355-359
- SGb 1997, 118 (amtl. Leitsatz)
- WM 1996, 2063-2066 (Volltext mit amtl. LS)
Amtlicher Leitsatz
1. Der Grundsatz, daß jemand, der von der Ordnungsbehörde zur Abwehr einer Anscheinsgefahr rechtmäßig in Anspruch genommen worden ist, wie ein Nichtstörer zu entschädigen ist, wenn er die Gefahr und deren Anschein nicht zu verantworten hatte, gilt auch im Anwendungsbereich des BerlASOG.
2. Kann aus demselben Lebenssachverhalt ein Amtshaftungsanspruch und hilfsweise ein Anspruch wegen rechtmäßiger Inanspruchnahme nach § 95 I Nr. 1 BerlASOG hergeleitet werden, so handelt es sich um einen einheitlichen Streitgegenstand.
3. Zur Frage, ob das Revisionsgericht an sich nicht revisibles Landesrecht anwenden kann, das vom Berufungsgericht unberücksichtigt gelassen worden ist.
Tatbestand:
Die Klägerin vertreibt Arzneimittel, darunter das Schmerzmittel "diclo 75" in Form von Ampullen. Die Senatsverwaltung für Gesundheit des beklagten Landes ließ im Februar 1992 durch das Landesuntersuchungsinstitut für Lebensmittel, Arzneimittel und Tierseuchen in B. (im folgenden: LAT) bei der Klägerin Produktproben von drei verschiedenen Chargen dieses Schmerzmittels ziehen. Bei zwei zeitlich unabhängig voneinander durchgeführten Laboruntersuchungen vom 28. April und 5. Mai 1992 wies das LAT bei einer dieser Chargen eine Kontamination durch Streptokokken nach. Die Senatsverwaltung für Gesundheit teilte dieses Ergebnis am 25. Mai 1992 telefonisch der Klägerin mit, deren Mitarbeiter daraufhin erklärte, wenn der Streptokokkenbefund zuträfe, müsse wohl ein Rückruf erfolgen. Der Bedienstete der Senatsverwaltung für Gesundheit stimmte dem zu, übermittelte anschließend mit Telefax vom selben Tage der Klägerin den schriftlichen Bericht des LAT und erklärte zugleich: "Um sofortige Veranlassung geeigneter Maßnahmen (gegebenenfalls Rückruf) und Information darüber wird gebeten".
Die Klägerin rief daraufhin das Medikament zurück und veranlaßte weitere Untersuchungen, die indessen keinen Streptokokkenbefall ergaben. Auch vom LAT nachuntersuchte Ampullen waren einwandfrei.
Die Klägerin nimmt nunmehr das beklagte Land unter de Gesichtspunkt der Amtshaftung auf Ersatz der Kosten des Rückrufs in Anspruch. Sie behauptet: Sämtliche bei ihr gezogenen Proben des Medikaments seien einwandfrei gewesen. Die vom LAT festgestellten Keime stammten nicht aus dem untersuchten Arzneimittel; vielmehr müsse der Streptokokkenbefall im LAT eingetreten sein und aus dessen Sphäre stammten. Das beklagte Land hat dies bestritten.
Das Landgericht hat das beklagte Land antragsgemäß zur Zahlung an die Klägerin verurteilt; das Kammergericht hat die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihren Anspruch weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. I.
Allerdings läßt die Abweisung des Amtshaftungsanspruchs (§ 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG) Rechtsfehler zum Nachteil der Klägerin nicht erkennen.
1. Die Weitergabe des der Senatsverwaltung für Gesundheit mitgeteilten Untersuchungsergebnisses des LAT an die Klägerin war nicht pflichtwidrig. Das Berufungsgericht weist zu Recht darauf hin, daß der zuständige Amtsträger der Senatsverwaltung mangels jeden entgegengesetzten Anhaltspunkts davon ausgehen durfte, daß die Befunde im LAT korrekt erhoben worden waren und den Nachweis eines Streptokokkenbefalls bei dem Medikament "diclo 75" enthielten.
2. Der Revision ist darin zuzustimmen, daß bei der Beurteilung der Amtspflichtwidrigkeit nicht isoliert auf das Verhalten des Amtsträgers bei der Senatsverwaltung für Gesundheit abgestellt werden darf, sondern das Gesamtgeschehen, einschließlich der im LAT durchgeführten Untersuchungen, zu würdigen ist. Etwaige Fehler, die dem LAT bei den Untersuchungen unterlaufen sind, müßten möglicherweise dem beklagten Land zugerechnet werden und auch dann zur Bejahung einer Amtspflichtverletzung führen, wenn der Amtsträger der Senatsverwaltung für Gesundheit bei der Weitergabe des Untersuchungsergebnisses an die Klägerin selbst nach bestem Wissen gehandelt hätte. Das Berufungsgericht hat indessen in revisionsrechtlich nicht angreifbarer tatrichterlicher Würdigung festgestellt, daß für einen solchen schuldhaften Fehler in der Sphäre des LAT keine Anhaltspunkte vorliegen. Insbesondere weist das Berufungsgericht darauf hin, daß die unter Einhaltung der üblichen Sicherheitsvorkehrungen in einer sogenannten "Cleanbench", einer besonders steril gehaltenen Werkbank, von zwei verschiedenen Personen unter wissenschaftlicher Leitung durchgeführten Untersuchungen des LAT dem zuständigen Amtsträger der Senatsverwaltung für Gesundheit eine ausreichend zuverlässige Grundlage boten, um sich für eine Weiterleitung des Befundergebnisses an die für die Herstellung und den Vertrieb des Arzneimittels Verantwortlichen zu entscheiden. Dem Berufungsurteil ist ferne mit hinreichender Deutlichkeit die tatrichterliche Feststellung zu entnehmen, daß ein etwa doch in der Sphäre des LAT eingetretener Streptokokkenbefall allenfalls darauf beruhen konnte, daß die Möglichkeit der Verunreinigung von Laborproben nicht in jedem Einzelfall und in keinem Laboratorium mit absoluter Sicherheit ausgeschlossen werden konnte. Die Annahme des Berufungsgerichts, daß sich - wenn überhaupt - dieses Restrisiko hier zu Lasten der Klägerin verwirklicht hat, wird auch durch das von der Revision in Bezug genommene vorinstanzliche Vorbringen der Klägerin nicht entkräftet.
3. Aufgrund der Untersuchungsergebnisse bestand zumindest der durch Tatsachen gestützte Verdacht oder Anschein einer Gefahr, der die von der Senatsverwaltung ergriffenen Maßnahmen auch sachlich rechtfertigte, nämlich das Telefongespräch mit der Klägerin vom 25. Mai 1992, betreffend einen Rückruf des Medikaments, sowie die folgende schriftliche Bestätigung dieses Gesprächs durch das Telefax vom selben Tage. Der Senatsverwaltung für Gesundheit oblag die Überwachung des Verkehrs mit Arzneimitteln. Ihr oblag es daher auch, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um die im Zuge dieser Überwachung festgestellten nicht unerheblichen Gefahren für Leib und Leben durch Ansteckung mit Streptokokken sachgemäß zu bekämpfen. Schon das Risiko, daß für bestimmte Teilmengen derselben oder anderer Chargen des Arzneimittels eine Kontaminierung mit Streptokokken damals nicht ausgeschlossen werden konnte, reichte, wie das Berufungsgericht zutreffend darlegt, aus, die Klägerin (gegebenenfalls) um den Rückruf dieses Arzneimittels zu bitten. Dieses Vorgehen entsprach dem damaligen Erkenntnisstand; deswegen war es auch nicht erforderlich, weitere, vertiefende Untersuchungen durchzuführen und deren Ergebnisse abzuwarten.
II. Gleichwohl kann das Berufungsurteil im Ergebnis keinen Bestand haben. Die Revision weist nämlich mit Recht darauf hin, daß hier ein Schadensausgleich analog §§ 59 Abs. 1 Nr. 1, 60 des Allgemeinen Gesetzes zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in B. (ASOG Bln) in der hier einschlägigen Fassung vom 14. April 1992 (GVBl. S. 119; entsprechend §§ 37, 38 ASOG Bln vom 11. Februar 1975, GVBl. S. 688) in Betracht kommt.
1. Das ASOG Bln ist an sich nicht revisibel, da sich sein Geltungsbereich nicht über den Bezirk des Kammergerichts hinaus erstreckt (§ 549 Abs. 1 ZPO; Senatsurteil BGHZ 118, 295, 297 m.w.N.). Hat jedoch - wie hier - das Berufungsgericht nicht revisibles Landesrecht außer Betracht gelassen und infolgedessen nicht gewürdigt, so ist es vom Revisionsgericht seiner Entscheidung zugrunde zu legen; hier handelt es sich nicht darum, daß das Revisionsgericht die Auslegung nicht revisiblen Rechts durch das Berufungsgericht korrigiert (Stein/Jonas/Grunsky, ZPO, 21. Aufl. 1993, §§ 549, 550 Rn. 10; MünchKomm ZPO/Walchshöfer 1992, § 549 Rn. 11; vgl. ferner BGH, Urteil vom 23. September 1992 - XII ZR 18/91 = NJW-RR 1993, 13 f.; s. dazu auch, allerdings in anderem Zusammenhang und mit anderer Zielrichtung: BGHZ 24, 159, 163 f.). Insbesondere liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, daß das Berufungsgericht durch Nichterwähnung der landesrechtlichen Vorschrift zum Ausdruck bringen wollte, diese sei auf den entschiedenen Fall nicht anwendbar (vgl. dazu: BGHZ 21, 214, 217).
2. Bei dem Amtshaftungsanspruch einerseits und dem Anspruch nach §§ 59, 60 ASOG Bln handelt es sich um einen einheitlichen Streitgegenstand, nicht um eine Mehrheit von Streitgegenständen.
a) Nach der heute herrschenden prozeßrechtlichen Auffassung vom Streitgegenstand im Zivilprozeß, der sich auch der Bundesgerichtshof angeschlossen hat (BGHZ 117, 1, 5 [BGH 19.12.1991 - IX ZR 96/90] m.w.N.) und die auch der erkennende Senat teilt (zuletzt Senatsurteil vom 13. Juni 1996 - III ZR 40/96, für BGHR vorgesehen), wird mit der Klage nicht ein bestimmter materiell-rechtlicher Anspruch geltend gemacht; vielmehr ist Gegenstand des Rechtsstreits der als Rechtsschutzbegehren oder Rechtsfolgenbehauptung aufgefaßte eigenständige prozessuale Anspruch. Dieser wird bestimmt durch den Klageantrag, in dem sich die vom Kläger in Anspruch genommene Rechtsfolge konkretisiert, und den Lebenssachverhalt (Anspruchsgrund), aus dem der Kläger die begehrte Rechtsfolge herleitet. Der Klagegrund geht über die Tatsachen, welche die Tatbestandsmerkmale einer Rechtsgrundlage ausfüllen, hinaus; zu ihm sind alle Tatsachen zu rechnen, die bei einer natürlichen, vom Standpunkt der Parteien ausgehenden Betrachtungsweise zu dem durch den Vortrag des Klägers zur Entscheidung gestellten Tatsachenkomplex gehören, den der Kläger zur Stützung seines Rechtsschutzbegehrens dem Gericht zu unterbreiten hat (BGHZ 117, 1, 5 [BGH 19.12.1991 - IX ZR 96/90]/6 m.w.N.; Senatsurteil vom 13. Juni 1996 aaO).
b) Eine derartige Einheitlichkeit des Streitgegenstands hat der erkennende Senat verneint bei einem Anspruch aus öffentlich-rechtlicher Aufopferung gegenüber Ansprüchen aus Gefährdungshaftung (nach dem Luftverkehrsgesetz) und aus Amtspflichtverletzung (Senatsurteil vom 27. Mai 1993 - III ZR 59/92 = NJW 1993, 2173; insoweit in BGHZ 122, 363 nicht abgedruckt). Der Senat hat ausgeführt, eine Mehrheit von Streitgegenständen liege auch bei gleichem Antrag dann vor, wenn die materiell-rechtliche Regelung die zusammentreffenden Ansprüche erkennbar unterschiedlich ausgestalte. Andererseits hat der Senat eine Einheitlichkeit des Streitgegenstandes bejaht im Verhältnis zwischen dem Amtshaftungsanspruch und dem Anspruch aus enteignungsgleichem Eingriff. Der Senat hat daher in einem Fall, in dem der Kläger - wie hier - als Grundlage für sein Schadensersatzbegehren lediglich die Amtshaftung herangezogen hatte, die Gerichte für berechtigt und verpflichtet gehalten, den Prozeßstoff auch unter dem rechtlichen Gesichtspunkt des enteignungsgleichen Eingriffs zu würdigen (Senatsurteil vom 11. Juni 1992 - III ZR 210/90 = BGHR GG vor Art. 1 /enteignungsgleicher Eingriff Bausperre 6). Das gleiche hat der Senat für das Verhältnis der Amtshaftung zu dem Anspruch nach § 68 des Rheinland-Pfälzischen Polizeiverwaltungsgesetzes angenommen (Senatsurteil vom 1. Dezember 1994 - III ZR 33/94 = BGHR ZPO § 546 Abs. 1 Satz 1 Revisionszulassung, beschränkte 14). In Fortführung der dortigen Erwägungen bejaht der Senat auch im vorliegenden Fall eine solche Identität des Streitgegenstandes. Zwar ist nicht zu verkennen, daß es sich bei dem Ausgleich nach § 59 Abs. 1 Nr. 1 ASOG Bln um einen solchen für rechtmäßiges und nicht etwa für rechtswidriges Verhalten der Ordnungsbehörde handelt. Diese isolierten Tatbestände dürfen indes nicht aus dem System der §§ 59, 60 ASOG Bln in ihrer Gesamtheit herausgelöst werden. Es handelt sich dabei insgesamt um die landesgesetzliche Regelung einer umfassenden Ordnungsbehördenhaftung, die in ihrem Anwendungsbereich nicht etwa im Gegensatz zur Amtshaftung steht, sondern sie in dem gemeinsamen Ziel, einen umfassenden Rechtsschutz des Bürgers zu gewährleisten, ergänzt und erweitert. Dieses Ziel wird in bestimmten Fallkonstellationen auch dadurch verwirklicht, daß dann, wenn sich ein rechtswidriges Handeln der öffentlichen Hand nicht feststellen läßt, die Rechtsordnung dem betroffenen Bürger einen Schadensausgleich für rechtmäßige Inanspruchnahme gewährt. Läßt sich also im Amtshaftungsprozeß ein pflichtwidriges Handeln der Behörde nicht feststellen, kommt jedoch andererseits nach dem vorgetragenen Tatsachenkomplex ein Anspruch wegen rechtmäßigen Handelns der Behörde in Betracht, so wäre es eine unnatürliche Aufspaltung eines einheitlichen Lebenssachverhaltes, wenn man diesen weiteren (alternativ bestehenden) Anspruch aus dem Prozeßstoff ausklammern würde.
3. Die Senatsverwaltung für Gesundheit ist Ordnungsbehörde (§ 2 Abs. 2 ASOG Bln). Sie war im vorliegenden Fall tätig geworden, um eine von dem möglicherweise verseuchten Arzneimittel "diclo 75" ausgehende Gesundheitsgefahr für die Bevölkerung abzuwehren. Das Berufungsgericht wird daher zu prüfen haben, ob dieses Handeln der Senatsverwaltung in den Anwendungsbereich des ASOG Bln fiel. Bei der telefonischen Mitteilung der Untersuchungsbefunde und der Erörterung des Rückrufs, die durch das Telefax der Senatsverwaltung für Gesundheit an die Klägerin vom 25. Mai 1992 bestätigt wurde, konnte es sich der Sache nach um ordnungsbehördliche Maßnahmen gehandelt haben, durch die der Klägerin nahegelegt wurde, geeignete Schritte zur Gefahrenabwehr zu unternehmen. Dem würde nicht entgegenstehen, daß der Rückruf zuerst von der Klägerin selbst zur Sprache gebracht worden war. Ebenso unerheblich ist, daß die Äußerungen der Senatsverwaltung keinen mit Vollziehungsfähigkeit bewehrten Verwaltungsakt darstellten. Vielmehr gilt insoweit der weite Maßnahmenbegriff wie er in der Rechtsprechung des Senats insbesondere zu § 39 Abs. 1 Buchst. b OBG NW anerkannt ist (vgl. die in BGHR bei NW OBG § 39 Abs. 1 Buchst. b Maßnahme 1 - 11 abgedruckten Senatsentscheidungen). Durch seine mündlichen und schriftlichen Äußerungen hatte der zuständige Amtsträger der Senatsverwaltung für Gesundheit bewußt, zielgerichtet und erfolgreich auf die Klägerin eingewirkt und diese zum Rückruf des Medikaments veranlaßt. Dies reicht aus, um einen ordnungsrechtlichen Maßnahmecharakter dieses Einwirkens zu bejahen.
4. Wird der Eigentümer einer Sache als Zustandsstörer in Anspruch genommen, weil der durch Tatsachen begründete Verdacht besteht, daß von der Sache eine Gefahr ausgeht, so kann er für dadurch erlittene Nachteile wie ein Nichtstörer Entschädigung verlangen, wenn sich nachträglich herausstellt, daß die Gefahr in Wirklichkeit nicht bestand, und wenn er die den Verdacht begründenden Umstände nicht zu verantworten hat. Dies hat der Senat für §§ 18, 39 Abs. 1 Buchst. a OBG NW entschieden (BGHZ 117, 303[BGH 12.03.1992 - III ZR 128/91]; s. auch Senatsurteil BGHZ 126, 279); der Senat sieht keine durchgreifenden Bedenken dagegen, die Grundsätze dieser Rechtsprechung auf die hier in Rede stehende Anspruchsnorm des § 59 Abs. 1 Nr. 1 ASOG Bln zu übertragen. Nach dem dem Revisionsverfahren zugrunde zu legenden Vorbringen der Klägerin, dem insoweit keine abweichenden tatrichterlichen Feststellungen des Berufungsgerichts entgegenstehen (das Berufungsgericht hat der Herkunft der festgestellten Streptokokken ausdrücklich keine Bedeutung für die rechtliche Beurteilung beigemessen) , ist der Streptokokkenbefall der gezogenen Proben im Bereich des LAT, d.h. in der Sphäre des beklagten Landes, verursacht worden. Dies würde bedeuten, daß die Klägerin die den Anschein der Gefahr begründenden Tatsachen nicht zu verantworten hatte, und würde den Weg für einen Entschädigungsanspruch nach den vorgenannten Grundsätzen eröffnen. Ein solcher Anspruch könnte nicht schon daran scheitern, daß die Klägerin es unterlassen hat, sich gegen die Maßnahmen der Senatsverwaltung zur Wehr zu setzen. Es gilt vielmehr insoweit der Grundsatz, daß die Klägerin auf Belehrungen und Erklärungen des zuständigen Amtsträgers grundsätzlich vertrauen konnte und es ihr nicht zum Verschulden gereichte, wenn sie nicht klüger war als der Beamte (vgl. Senatsurteile BGHZ 113, 17, 25[BGH 15.11.1990 - III ZR 302/89] und 126, 279, 286). Dabei ist auf den Zeitpunkt des Rückrufs abzustellen; der durch das Ergebnis der späteren, von ihr selbst veranlaßten Untersuchungen erweiterte Wissensstand der Klägerin hat außer Betracht zu bleiben.
5. Eine abschließende Entscheidung ist dem Senat nicht möglich. Die endgültige Klärung der Anwendbarkeit der Entschädigungsregelungen des ASOG Bln und die danach gegebenenfalls erforderlich werdende erneute Bewertung des Sachverhalts, insbesondere der vom LAT vorgelegten Untersuchungsbefunde einerseits und derjenigen, die später auf Veranlassung der Klägerin erstellt worden sind, andererseits, muß dem Tatrichter vorbehalten bleiben. Bei der Beurteilung der Frage, ob eine von dem Arzneimittel der Klägerin ausgehende Gefahr oder lediglich der Anschein einer solchen vorgelegen hat und ob bei dieser letzteren Möglichkeit die Verantwortung für den Anschein in der Sphäre der Klägerin oder in der des beklagten Landes gelegen hat, kann die Feststellung des Berufungsgerichts Bedeutung gewinnen, daß das Probematerial der Ausgangs- und Wiederholungsuntersuchungen des LAT nicht mehr vorhanden ist. Dies könnte für die Klägerin zu Beweiserleichterungen führen, wie der Senat sie in BGHZ 126, 279, 285 in Erwägung gezogen hat.