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Bundesgerichtshof
Urt. v. 14.01.1987, Az.: IVb ZR 3/86

Zinspflicht von Unterhaltsschulden ab dem Zeitpunkt der Rechtshängigkeit des Unterhaltsprozesses; Annahme eines Verzichtsvertrages bei nachträglich geltend gemachten Unterhaltszinsen

Bibliographie

Gericht
BGH
Datum
14.01.1987
Aktenzeichen
IVb ZR 3/86
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1987, 13326
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
OLG Düsseldorf - 28.11.1985
AG Düsseldorf

Fundstellen

  • FamRZ 1987, 352
  • MDR 1987, 480 (Volltext mit amtl. LS)
  • NJW-RR 1987, 386-387 (Volltext mit amtl. LS)

Amtlicher Leitsatz

Unterhaltsschulden sind von dem Eintritt der Rechtshängigkeit an zu verzinsen.

Redaktioneller Leitsatz

Für rechtshängig gewordene Unterhaltsschulden besteht ein Anspruch auf Prozesszinsen.

Der IVb - Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat
auf die mündliche Verhandlung vom 14. Januar 1987
durch
den Vorsitzenden Richter Lohmann und
die Richter Portmann, Dr. Krohn, Dr. Macke und Nonnenkamp
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision gegen das Urteil des 10. Senats für Familiensachen des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 28. November 1985 wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Beklagte ist durch rechtskräftiges Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 6. Februar 1984 verurteilt worden, an die Klägerin ab 1. Juni 1979 Unterhalt (gesetzlichen Ehegatten-Unterhalt) in wechselnder Höhe zu zahlen. Vorliegend verlangt die Klägerin auf die zuerkannten Unterhaltsbeträge, soweit sie schon zur Zeit des Urteils vom 6. Februar 1984 rückständig waren und soweit sie seither nicht rechtzeitig gezahlt worden sind, 4 % Zinsen. Der Umfang der von dem Beklagten erbrachten Unterhaltszahlungen ist streitig.

2

Das Amtsgericht - Familiengericht - hat die Klage dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Auf die Berufung des Beklagten hat das Oberlandesgericht die Klage abgewiesen, soweit die Klägerin für die Zeit vom 1. Juni 1979 bis 21. Februar 1980 Zinsen überhaupt und soweit sie für die Zeit vom 22. Februar 1980 bis 30. November 1980 Zinsen auf mehr als 793 DM monatlich verlangt. Im übrigen hat es die Berufung zurückgewiesen. Mit der - zugelassenen - Revision verlangt der Beklagte weiterhin die vollständige Abweisung der Klage.

Entscheidungsgründe

3

Nach der Entscheidung des Berufungsgerichts kann die Klägerin eine vierprozentige Verzinsung der ihr in dem Urteil vom 6. Februar 1984 zugesprochenen Unterhaltsbeträge mangels Verzugs des Beklagten zu einem früheren Zeitpunkt erst ab Rechtshängigkeit ihrer Unterhaltsansprüche in dem Vorprozeß beanspruchen. Unter diesen Umständen nötigt der Fall nicht zu einer näheren Erörterung der in Rechtsprechung und Schrifttum umstrittenen Frage, ob § 288 Abs. 1 Satz 1 BGB, demzufolge Geldschulden während des Verzugs - als gesetzlich fingierter verzugsbedingter Mindestschaden (s. insoweit BGH Urteile vom 15. November 1978 - VIII ZR 242/77 - NJW 1979, 540;vom 27. März 1980 - VII ZR 214/79 - NJW 1980, 1955, 1956 [BGH 27.03.1980 - VII ZR 214/79];vom 14. April 1983 - VII ZR 258/82 - BB 1983, 1179) - mit vier vom Hundert zu verzinsen sind, nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift auch für Unterhaltsschulden gilt (bejahend OLG Hamburg FamRZ 1984, 87; OLG München FamRZ 1984, 310, 311; OLG Hamm FamRZ 1984, 478; Gernhuber Familienrecht 3. Aufl. § 41 IX 2 S. 620; Göppinger Unterhaltsrecht 4. Aufl. Rdn. 1308; MünchKomm/Walchshöfer BGB 2. Aufl. § 288 Rdn. 3; Palandt/Heinrichs BGB 46. Aufl. § 288 Anm. 1; verneinend OLG Celle FamRZ 1983, 525; Brüggemann, Festschrift für Bosch, 1976, S. 89, 96 ff.; ders. FamRZ 1983, 525; Jauernig/Vollkommer BGB 3. Aufl. § 288 Anm. 1 c; offengelassenSenatsurteil vom 24. Oktober 1984 - IVb ZR 43/83 - FamRZ 1985, 155, 158). Denn ab Rechtshängigkeit werden 4 % Zinsen in jedem Falle nach § 291 Satz 1 i.V. mit § 288 Abs. 1 Satz 1 BGB geschuldet. Die Verzinsungspflicht nach dieser Regelung ist nicht etwa ein Unterfall der Verzinsungspflicht wegen Verzuges, sondern ihrem Wesen nach etwas anderes (s. schon BGHZ 10, 125, 129 [BGH 25.06.1953 - III ZR 373/51] sowie Martens NJW 1965, 1703; MünchKomm/Walchshöfer a.a.O. § 291 Rdn. 1; Staudinger/Löwisch BGB 12. Aufl. § 291 Rdn. 1). Ihr selbständiger Rechtsgrund ist allein die Rechtshängigkeit (s. etwa Erman/Battes BGB 7. Aufl. § 291 Rdn. 1). Nach dem gesetzgeberischen Zweck des § 291 BGB wird der Schuldner schon deshalb einer Zinspflicht unterworfen, weil er es zum Prozeß hat kommen lassen und für das damit eingegangene Risiko einstehen soll (s. BGH Urteil vom 5. Januar 1965 - VI ZR 24/64 - NJW 1965, 531, 532 [BGH 05.01.1965 - VI ZR 24/64]; Brüggemann, Festschrift für Bosch a.a.O. S. 100 Fn. 44; Martens aaO; MünchKomm/Walchshöfer aaO; RGRK-Alff 12. Aufl. § 291 Rdn. 2; Staudinger/Löwisch aaO). Auch soweit vertreten wird, daß § 288 Abs. 1 BGB auf Unterhaltsschulden keine Anwendung finde, wird daher ein Zinsanspruch nach § 291 BGB nicht in Zweifel gezogen (Brüggemann a.a.O. S. 100). Der Senat ist ebenfalls bereits in der Vergangenheit davon ausgegangen, daß ein Verzinsungsanspruch jedenfalls nach § 291 BGB auch im Unterhaltsrecht besteht (Senatsurteil vom 24. Oktober 1984 aaO). Er ergreift nicht nur die bei Klageerhebung und Ausurteilung bereits fällig gewordenen, sondern von der jeweiligen Fälligkeit an auch die zugesprochenen künftig zu entrichtenden Unterhaltsraten, soweit sie nicht rechtzeitig gezahlt werden (s. §§ 258 ZPO, 291 Satz 1 Halbs. 2 BGB).

4

Es begegnet auch keinen durchgreifenden Bedenken, daß der Zinsanspruch hier nach dem rechtskräftigen Abschluß des eigentlichen Unterhaltsprozesses gesondert geltend gemacht wird. Die Entscheidung über den Hauptanspruch schließt einen Zinsanspruch nur insoweit aus, als die Klage abgewiesen wird. In diesem Umfange erstreckt sich die Rechtskraft der Entscheidung über den Hauptanspruch auch auf den Zinsanspruch. Wird der Hauptanspruch dagegen für begründet erachtet, ist die Rechtskraft dieser Entscheidung auf den Hauptanspruch beschränkt und die zusätzliche und nachträgliche Einklagung von Zinsen nicht verwehrt (vgl. auch BGH Urteil vom 25. September 1978 - VII ZR 281/77 - NJW 1979, 720). Soweit der Senat ausgesprochen hat, daß eine Unterhaltsklage im Zweifel nicht als Teilklage anzusehen sei (Senatsurteilevom 11. Januar 1984 - IVb ZR 10/82 - FamRZ 1984, 374, 376 undvom 3. April 1985 - IVb ZR 19/84 - FamRZ 1985, 690), bezieht sich dies allein auf den Unterhaltsanspruch als solchen und auf die Frage, ob eine Nachforderungsklage wegen eines weiteren (unselbständigen) Bedarfspostens - etwa wegen Vorsorgeunterhalts - zulässig ist. Die hierzu angestellten Erwägungen sind auf das Verhältnis von Unterhaltsanspruch und Anspruch auf Prozeßzinsen nach § 291 BGB nicht übertragbar. Insofern gilt vielmehr der allgemeine Grundsatz, daß sich ein Kläger über den Klageanspruch hinausgehende Ansprüche nicht eigens vorzubehalten braucht (vgl. BGHZ 34, 337, 340) [BGH 27.02.1961 - III ZR 16/60].

5

In der Einklagung von Unterhalt ohne gleichzeitige Geltendmachung von Prozeßzinsen kann hier auch kein Verzicht auf die Prozeßzinsen gefunden werden. Die Klägerin hat dadurch nicht zum Ausdruck gebracht, daß sie sich mit dem Unterhalt begnügen und ihr etwa zustehende Zinsen nicht in Anspruch nehmen wolle (vgl. aber BGH Urteil vom 25. September 1979 - VII ZR 281/77 - NJW 1979, 720). Auch die Revision macht nicht geltend, daß ein Verzicht erklärt und ein Verzichtsvertrag zustandegekommen sei. Sie beruft sich ihrerseits nur darauf, daß ein etwaiger Anspruch auf Zinsen verwirkt sei. Das Berufungsgericht hat indes einen Fall der Verwirkung ohne Rechtsfehler verneint. Es hat es insoweit nicht als ausreichend angesehen, daß die Klägerin den Zinsanspruch nicht zugleich mit dem Unterhaltsanspruch geltend gemacht hat, und Darlegungen des Beklagten vermißt, ob und inwieweit er sich deswegen darauf eingerichtet hatte, keine Zinsen zahlen zu müssen. Diese Begründung hält der rechtlichen Überprüfung stand. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist ein Anspruch verwirkt, wenn er längere Zeit nicht geltend gemacht worden ist und seine nunmehrige Geltendmachung als Verstoß gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) erscheint. Dies ist namentlich der Fall, wenn der Verpflichtete nach dem Verhalten des Berechtigten mit einer Inanspruchnahme nicht mehr zu rechnen brauchte und sich daher eben hierauf einrichten durfte und tatsächlich eingerichtet hat (BGHZ 67, 56, 68) [BGH 30.06.1976 - I ZR 63/75], so daß es gerade deshalb mit Treu und Glauben nicht zu vereinbaren ist, daß der Berechtigte nun doch noch mit dem Anspruch hervortritt (BGHZ 25, 47, 52) [BGH 27.06.1957 - II ZR 15/56]. Umstände, die zu einer solchen Annahme nötigen und die gegenteilige Annahme des Berufungsgerichts als fehlsam erscheinen lassen, vermag auch die Revision nicht aufzuzeigen. Sie verweist insoweit lediglich auf das Vorbringen des Beklagten im Berufungsrechtszug, er habe nicht davon ausgehen können, daß die Klägerin über ihre Unterhaltsforderung hinaus nachträglich noch einen Zinsanspruch geltend machen werde. Dies ergibt jedoch nicht zur Genüge, daß sich der Beklagte tatsächlich darauf eingestellt hat, auf die ausgeurteilten rückständigen und etwa in Zukunft rückständig werdende Unterhaltsbeträge keine Zinsen zahlen zu müssen. So hat er nicht etwa dargetan, er habe seinen finanziellen Spielraum durch anderweitige Dispositionen so eingeengt, daß er die in Frage stehenden Zinsbeträge nicht mehr oder nur noch unter unverhältnismäßigen Schwierigkeiten aufbringen könne. Unter diesen Umständen ist es rechtlich nicht zu beanstanden, daß das Berufungsgericht im Rahmen seiner tatrichterlichen Verantwortung einen Fall der Verwirkung nicht für gegeben erachtet hat. Für die darin liegende Wertung, daß die nunmehrige Inanspruchnahme des Beklagten nicht gegen Treu und Glauben verstoße, spricht zusätzlich: Bei Zugrundelegung des rechtskräftigen Urteils des Vorprozesses hat der Beklagte der Klägerin den ausgeurteilten Unterhalt jeweils zu Unrecht vorenthalten. Es erscheint nicht unbillig, daß er den damit verbundenen Kapitalnutzungsvorteil nicht zur Gänze behält, sondern teilweise, nämlich seit Rechtshängigkeit der Unterhaltsansprüche und in Höhe der gesetzlich vorgesehenen Prozeßzinsen, an die Klägerin weiterzugeben hat.

Lohmann, Vorsitzender Richter
Portmann, Richter
Krohn, Richter
Macke, Richter
Nonnenkamp, Richter