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Bundesgerichtshof
Urt. v. 04.04.1984, Az.: IVb ZR 77/82

Anspruch auf nachehelichen Unterhalt; Maßgebender Zeitpunkt für die Beurteilung der ehelichen Lebensverhältnisse ; Berücksichtigung von Einkünften; Mutwillige Herbeiführung der Bedürftigkeit; Härteregelung

Bibliographie

Gericht
BGH
Datum
04.04.1984
Aktenzeichen
IVb ZR 77/82
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1984, 13936
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
OLG München - 26.10.1982

Prozessführer

Dr. Franz Xaver B., Am E., N.,

Prozessgegner

Ingeborg Luise B., P.straße ..., B.,

Redaktioneller Leitsatz

  1. 1.

    Bei dem maßgebenden Zeitpunkt für die Beurteilung der ehelichen Lebensverhältnisse ist grundsätzlich auf den Zeitpunkt der rechtskräftigen Auflösung der Ehe abzustellen. In den "Übergangsfällen" ist jedoch die Wirksamkeit des Scheidungsausspruchs unbeschadet der eingetretenen Rechtskraft bis zur erstinstanzlichen Entscheidung über Folgesachen hinausgeschoben.

  2. 2.

    Grundsätzlich sind alle Einkünfte eines Unterhaltspflichtigen zu berücksichtigen, gleich welcher Art sie sind und aus welchem Anlass sie zufließen. Nebeneinkünfte können aus besonderen Gründen nach Treu und Glauben außer acht gelassen werden.

  3. 3.

    Tatsächlich zufließende Kapitalerträge sind stets als die Bedürftigkeit mindernd zu berücksichtigen. Billigkeitserwägungen haben außer Betracht zu bleiben.

  4. 4.

    Aus der Verpflichtung des Unterhaltsschuldners, für den angemessenen Wohnbedarf des Unterhaltsberechtigten zu sorgen, kann allgemein kein Anspruch auf Ermöglichung des Erwerbs von Wohneigentum hergeleitet werden.

  5. 5.

    Die mutwillige Herbeiführung der Bedürftigkeit setzt für den Fall des Verbrauchs von Vermögen in der Vergangenheit voraus, dass der Unterhaltsberechtigte wesentlich mehr ausgegeben hat, als es die im Einzelfall vorliegenden Verhältnisse des Unterhaltspflichtigen angemessen erscheinen lassen.

  6. 6.

    Nur ein schwerwiegendes und klar bei einem der Ehegatten liegendes Fehlverhalten ist geeignet, die Voraussetzungen der Härteregelung zu erfüllen. Aus dem Fehlverhalten muss sich eine offenbare Abkehr des Ehegatten von seinen ehelichen Bindungen herleiten lassen.

Der IVb - Zivilsenat des Bundesgerichtshofs
hat auf die mündliche Verhandlung vom 4. April 1984
durch
den Vorsitzenden Richter Lohmann und
die Richter Dr. Seidl,
Dr. Krohn,
Dr. Zysk und
Nonnenkamp
für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 4. Zivilsenats, zugleich Familiensenat, des Oberlandesgerichts München mit dem Sitz in Augsburg vom 26. Oktober 1982 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als der Beklagte verurteilt worden ist an die Klägerin ab 8. März 1982 (neben dem Krankheitsvorsorgeunterhalt von monatlich 273,73 DM) mehr als monatlich 1.000 DM als Elementarunterhalt und 236,80 DM als Vorsorgeunterhalt zu zahlen.

Im Umfang der Aufhebung wird der Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien haben am ... 1957 die Ehe geschlossen, aus der drei in den Jahren 1959, 1961 und 1964 geborene Kinder hervorgegangen sind. Sie haben in guten Verhältnissen gelebt, da der Beklagte als Chefarzt einer chirurgischen Klinik außergewöhnlich hohe Einkünfte erzielt.

2

Seit November 1976 haben die Parteien getrennt gelebt; zu diesem Zeitpunkt ist die Klägerin unter Mitnahme der beiden jüngeren Kinder in eine andere Stadt gezogen. Die Ehe ist in der Berufungsinstanz durch Urteil vom 29. November 1977 - formell rechtskräftig seit dem 10. Januar 1978 - geschieden worden. Die Klägerin ist nicht erwerbstätig und versorgt die beiden bei ihr lebenden Kinder.

3

Im vorliegenden Verfahren, das am 26. Juli 1977 anhängig geworden ist, streiten die Parteien um nachehelichen Unterhalt. Das Amtsgericht hat den Beklagten durch Urteil vom 8. März 1982 verurteilt, ab diesem Zeitpunkt bis einschließlich Juni 1982 monatlich 600 DM Elementarunterhalt und 130 DM Altersvorsorgeunterhalt zu zahlen, ferner monatlich 273,73 DM Krankheitsvorsorgeunterhalt ohne zeitliche Beschränkung.

4

Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht den Beklagten verurteilt, bis auf weiteres monatlich 3.000 DM Elementarunterhalt und 649,35 DM Altersvorsorgeunterhalt zu zahlen.

5

Mit der - zugelassenen - Revision verfolgt der Beklagte seinen Antrag weiter, die Berufung der Klägerin gegen das amtsgerichtliche Urteil zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

6

Die Revision hat teilweise Erfolg.

7

1.

Das Oberlandesgericht bejaht einen Unterhaltsanspruch der Klägerin teils aus § 1570 BGB, teils aus § 1573 Abs. 1 BGB. Eine ganztägige Erwerbstätigkeit könne von ihr nicht erwartet werden, weil sie zwei gemeinschaftliche Kinder versorge und betreue, von denen das eine das Gymnasium besuche und das andere im Sommer 1982 das Abitur abgelegt habe. Im Hinblick auf das Alter der Kinder sei ihr zwar eine stundenweise Erwerbstätigkeit, etwa drei bis vier Stunden am Tag, zuzumuten, doch könne sie eine Tätigkeit, die ihrer Ausbildung, ihren Fähigkeiten, ihrem Lebensalter und den ehelichen Lebensverhältnissen entspreche (§ 1574 Abs. 2 BGB), nicht finden.

8

Die Voraussetzungen eines Unterhaltsanspruchs nach § 1573 Abs. 1 BGB hat das Oberlandesgericht nach den getroffenen Feststellungen rechtsfehlerfrei und von der Revision unbeanstandet angenommen. Ob daneben auch ein solcher nach § 1570 BGB in Betracht kommt, was wegen des Alters der betreuten Kinder zweifelhaft sein könnte, kann daher auf sich beruhen.

9

2.

Als maßgebenden Zeitpunkt für die Beurteilung der ehelichen Lebensverhältnisse (§ 1578 Abs. 1 BGB) sieht das Oberlandesgericht den 8. März 1982 an, an dem das Scheidungsurteil vom 29. November 1977 mit der erstinstanziellen Entscheidung über den vorliegenden Unterhaltsrechtsstreit nach Art. 12 Nr. 7 Buchst. d des 1. EheRG wirksam geworden ist. Dies ist entgegen der Ansicht der Revision zutreffend. Grundsätzlich ist insoweit nach der ständigen Rechtsprechung des Senats auf den Zeitpunkt der rechtskräftigen Auflösung der Ehe abzustellen (vgl. insbesondere Senatsurteil vom 31. März 1982 - IVb ZR 661/80 - FamRZ 1982, 576 - NJW 1982, 1870 m.w.N.). In den Übergangsfällen des Art. 12 Nr. 7 Buchst. d des 1. EheRG ist jedoch die Wirksamkeit des Scheidungsausspruchs unbeschadet der eingetretenen Rechtskraft bis zur erstinstanzlichen Entscheidung über Folgesachen hinausgeschoben, die während des Monats Juli 1977 anhängig geworden sind. Bis dahin richtet sich der Unterhaltsanspruch zwischen Ehegatten nach § 1361 BGB (Trennungsunterhalt; vgl. Senatsurteil vom 18. März 1981 - IVb ZR 585/80 - FamRZ 1981, 441 f). Die vorliegende Unterhaltssache ist ein Übergangsfall im Sinne des Art. 12 Nr. 7 Buchst. d des 1. EheRG. Der Anspruch der Klägerin auf nachehelichen Unterhalt konnte daher erst mit dem 8. März 1982 einsetzen. Auch für die Beurteilung der ehelichen Lebensverhältnisse (§ 1578 Abs. 1 BGB) kommt ein früherer Zeitpunkt nicht in Betracht.

10

3.

Nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts waren die ehelichen Lebensverhältnisse durch außergewöhnlich hohe Einkünfte des Beklagten (zu versteuerndes Einkommen im Jahre 1980: 541.949 DM bei einer festgesetzten Einkommenssteuer von 276.373 DM; keine Verminderung im Jahre 1982) und ein großes Vermögen an Grundbesitz, Wertpapieren, Gesellschaftsbeteiligungen und Bankguthaben geprägt. Soweit die Revision meint, die Einkünfte des Beklagten aus Gutachtertätigkeit und aus wissenschaftlichen Veröffentlichungen hätten unberücksichtigt zu bleiben, ist die Rüge unbegründet. Grundsätzlich sind alle Einkünfte eines Unterhaltspflichtigen heranzuziehen, gleich welcher Art sie sind und aus welchem Anlaß sie zufließen (vgl. Senatsurteil vom 21. Januar 1981 - IVb ZR 548/80 - FamRZ 1981, 338; ständige Rechtsprechung). Besondere Gründe, die nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) die Außerachtlassung der Nebeneinkünfte des Beklagten rechtfertigen könnten, hat dieser im Rechtsstreit nicht vorgebracht und das Oberlandesgericht nicht festgestellt.

11

In Anbetracht dieser günstigen wirtschaftlichen Verhältnisse hat das Oberlandesgericht davon abgesehen, den angemessenen Unterhaltsbedarf der Klägerin nach einer Quote des Einkommens des Beklagten zu bemessen, zumal in Rechnung gestellt werden müsse, daß ein Teil dieses Einkommens zur Vermögensbildung verwendet worden sei. Es hat weiter berücksichtigt, daß in derartigen Fällen ein objektiver Maßstab anzulegen ist und eine zu dürftige Lebensführung ebenso außer Betracht zu bleiben hat wie ein übertriebener Aufwand (vgl. dazu Senatsurteil vom 4. November 1981 - IVb ZR 624/80 - FamRZ 1982, 151, 152). Es ist zu dem Ergebnis gelangt, daß der von der Klägerin zuletzt geltend gemachte Elementarunterhalt von monatlich 4.325 DM angemessen sei. Insoweit bestehen gegen die tatrichterliche Würdigung keine durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Daß die zugrundegelegten Erwerbs- und Vermögensverhältnisse des Beklagten mindestens einen Elementarunterhalt in dieser Höhe rechtfertigen, bezweifelt auch die Revision nicht.

12

4.

Nach § 1577 Abs. 1 BGB kann der geschiedene Ehegatte Unterhalt insoweit nicht verlangen, als er sich aus den Erträgen seines Vermögens selbst unterhalten kann.

13

a)

Das Oberlandesgericht hat festgestellt, daß die Klägerin für die Übertragung ihres Miteigentumsanteils an dem Anwesen, in dem die Parteien während der Ehe gelebt haben, vom Beklagten aufgrund eines Vergleiches im Jahre 1981 in zwei Raten insgesamt 300.000 DM und am 1. Juli 1982 weitere 160.000 DM erhalten hat. Hiervon hat sie einen Betrag von 120.000 DM in mit 9 % verzinslichen Pfandbriefen angelegt. Auch den im Jahre 1982 zugeflossenen Betrag von 160.000 DM hat sie - in einer nicht näher festgestellten Weise - angelegt.

14

Nach Auffassung des Oberlandesgerichts braucht sich die Klägerin Zinsen aus diesen Kapitalbeträgen nicht anrechnen zu lassen, weil sie das Geld für die alsbaldige Anschaffung einer Eigentumswohnung verwenden wolle. Dies könne ihr schon in Anbetracht der gehobenen ehelichen Lebensverhältnisse nicht verwehrt werden. Auch sei zu berücksichtigen, daß der Beklagte das gemeinsam geschaffene Familienheim behalte, während sich die Klägerin insoweit mit Geld habe abfinden lassen. Ein früherer Erwerb von Wohneigentum sei ihr wegen der dem Beklagten eingeräumten Ratenzahlung nicht möglich gewesen. Die aus dem Kapital für eine Übergangszeit bis zum Erwerb fließenden Erträge würden dadurch ausgeglichen, daß sie mit der Verwirklichung ihres Planes habe zuwarten und die laufende Verteuerung von Immobilien habe in Kauf nehmen müssen. Nur wenn sie ihr Vorhaben nicht alsbald verwirkliche, werde der Grundsatz der Anrechnung von Zinseinkünften noch Platz greifen müssen.

15

Diese Beurteilung des Oberlandesgerichts ist mit § 1577 Abs. 1 BGB nicht vereinbar, weil hier - anders als in Abs. 3 der Vorschrift - auf Billigkeitsgründe nicht Bezug genommen ist. Danach sind tatsächlich zufließende Kapitalerträge stets als die Bedürftigkeit mindernd zu berücksichtigen (vgl. dazu OLG Frankfurt FamRZ 1979, 438, 440; Gernhuber, Familienrecht 3. Aufl. § 30 VIII 4 S. 408; Schwab, Handbuch des Scheidungsrechts Rdn. 308; Göppinger/Häberle Unterhaltsrecht 4. Aufl. Rdn. 1087). Die vom Oberlandesgericht angestellten Erwägungen vermögen somit zwar zu rechtfertigen, daß die Klägerin nicht den Stamm ihres Vermögens anzugreifen braucht (§ 1577 Abs. 3 BGB), sie tragen aber nicht die Folgerung, daß ihr für eine Übergangszeit auf Kosten des Beklagten die Bildung von Rücklagen für den Erwerb von Wohneigentum zu gestatten ist. Aus der Verpflichtung des Unterhaltsschuldners, für den angemessenen Wohnbedarf des Unterhaltsberechtigten zu sorgen, kann allgemein kein Anspruch auf Ermöglichung des Erwerbs von Wohneigentum hergeleitet werden (vgl. BGH, Urteil vom 23. September 1966 - VI ZR 9/65 - NJW 1966, 2401 f; BGHZ 71, 61, 67; Göppinger/Wenz a.a.O. Rdn. 972). Die Revision weist auch zu Recht darauf hin, daß die vom Oberlandesgericht angestellte Prognose nicht nur in Bezug auf die Verwirklichung des Planes der Klägerin und seiner Modalitäten, sondern auch in Bezug auf die angenommene fortlaufende Verteuerung von Immobilien mit großen Unsicherheiten behaftet ist. Geht sie fehl, ist wegen § 323 Abs. 2 ZPO eine Abhilfe nur für die Zukunft möglich, während die in der Vergangenheit bezogenen Kapitalerträge der Klägerin grundsätzlich verbleiben müßten.

16

Das angefochtene Urteil kann nach alledem in diesem Punkt keinen Bestand haben. Dem Senat ist insoweit eine abschließende Entscheidung nicht möglich, weil zur Höhe der der Klägerin anzurechnenden Nettoeinkünfte (nach Abzug von Steuern und Werbungskosten) keine Feststellungen getroffen sind. Da die Klägerin insoweit darlegungs- und beweispflichtig ist (vgl. BGH, Urteil vom 24. Oktober 1979 - IVb ZR 171/78 - FamRZ 1980, 126, 128; Klauser MDR 1982, 529, 531), wird sie gegebenenfalls gehalten sein, hierzu noch substantiierte Angaben zu machen. Soweit sie im Zeitpunkt der neuen Verhandlung ihren Plan bereits verwirklicht haben sollte, wird zu prüfen sein, ob die vollzogene Vermögensumschichtung angemessen und vom Beklagten hinzunehmen ist. Dabei wird insbesondere ein Vergleich der wegfallenden Erträge mit den Kosten der bisherigen Mietwohnung von Bedeutung sein.

17

b)

Aus ihrer Beteiligung an der S. GmbH hat das Oberlandesgericht der Klägerin monatliche Einkünfte von 1.200 DM angerechnet. Soweit die Revision rügt, hierbei sei entgegenstehendes Vorbringen des Beklagten nicht gewürdigt worden, ist darauf hinzuweisen, daß der Beklagte zu diesem Punkt in der Berufungserwiderung lediglich ausgeführt hat, das diesbezügliche Einkommen der Klägerin sei unbestritten. Danach konnte das Oberlandesgericht von dem im amtsgerichtlichen Urteil festgestellten Bruttobetrag von jährlich 18.000 DM ausgehen und den anzurechnenden Nettobetrag auf monatlich 1.200 DM schätzen (§ 287 Abs. 2 ZPO).

18

c)

Aus der Vermietung einer Eigentumswohnung in A. erzielt die Klägerin einen monatlichen Mietzins von 350 DM, dem monatliche Kosten von 96 DM gegenüberstehen. Das Oberlandesgericht hat zusätzlich zugunsten der Klägerin monatliche Zahlungen von 239 DM an eine Bausparkasse berücksichtigt, so daß sich nach seiner Auffassung im wirtschaftlichen Ergebnis kein Überschuß ergibt. Dies greift die Revision mit der Begründung an, auf diese Weise werde der Klägerin auf Kosten des Beklagten eine Vermögensbildung ermöglicht. Dieser Einwand ist unbegründet, soweit die Zahlungen an die Bausparkasse auf Schuldzinsen entfallen (vgl. dazu Göppinger a.a.O. Rdn. 1010), dagegen begründet, soweit sie Tilgungsleistungen darstellen. Letztere dienen in der Tat der Vermögensbildung und können daher unterhaltsrechtlich nicht zu Lasten des Beklagten gehen. Auch insoweit bedarf es daher weiterer Aufklärung durch das Oberlandesgericht. Eine solche erübrigt sich nicht aus der im angefochtenen Urteil angestellten Erwägung, bei Einstellung der Zahlungen an die Bausparkasse hätte die Klägerin Vollstreckungsmaßnahmen und letztlich den Verlust der Wohnung zu gewärtigen. Die insgesamt günstigen Vermögensverhältnisse der Klägerin lassen Zwangsvollstreckungsmaßnahmen wegen der hier in Betracht kommenden Beträge nicht befürchten.

19

d)

Nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts sind Einnahmen aus Eigentumswohnungen in N. und in K., die im hälftigen Miteigentum der Klägerin und des Beklagten stehen, bisher ausschließlich dem letzteren zugeflossen. Aus diesem Umstand wird im angefochtenen Urteil gefolgert, der Beklagte könne die Klägerin unterhaltsrechtlich nicht auf ihr etwa daraus zustehende Einkünfte verweisen. Diese Schlußfolgerung begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Zwar sind dem Unterhaltsberechtigten auch Einkünfte zuzurechnen, die er zumutbarer Weise einziehen könnte, aber nicht einzieht (vgl. BGH, Urteil vom 24. Oktober 1979 - IV ZR 171/78 - FamRZ 1980, 126, 128). Wenn aber der Schuldner derartiger Forderungen mit dem Unterhaltsschuldner identisch ist, setzt sich dieser zu seinem eigenen Verhalten in Widerspruch, wenn er den Unterhaltsgläubiger auf ein Vorgehen gegen sich selbst verweist (§ 242 BGB).

20

e)

Die Ausführungen des Oberlandesgerichts zur Nichtanrechnung von Einkünften aus einem mit einem Nießbrauch belasteten Bauplatz in F. und aus Aktien der Firma P. sind aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden und werden von der Revision auch nicht angegriffen.

21

5.

a)

Das Oberlandesgericht hat festgestellt, daß die Klägerin bei der Trennung vom Beklagten im Jahre 1976 einen Betrag von 38.000 DM abgehoben und verbraucht hat. Aus den im Jahre 1981 vom Beklagten für die Übertragung des Miteigentums am früheren Familienheim gezahlten 300.000 DM seien im Zeitpunkt des Einsetzens der nachehelichen Unterhaltspflicht (8. März 1982) ca. 175.000 DM nicht mehr vorhanden gewesen, weil die Klägerin diesen Betrag zum Einrichten ihrer in M. bezogenen Wohnung und weitgehend zum Bestreiten ihrer sonstigen Bedürfnisse verwendet habe. Ihr könnten aber deswegen nicht fiktive Einkünfte angerechnet werden, sondern ihr Verhalten in der Vergangenheit könne nur dann unterhaltsrechtlich erheblich sein, wenn sie dadurch die Voraussetzungen des § 1579 Abs. 1 Nr. 3 BGB (mutwillige Herbeiführung der Bedürftigkeit) erfüllt habe.

22

Diese Ausführungen stehen im Einklang mit dem nach dem angefochtenen Urteil ergangenen Senatsurteil vom 18. Mai 1983 (IVb ZR 375/81 - FamRZ 1983, 803 f). Der Senat hat hier ausgeführt, daß ein Verhalten des Unterhaltsberechtigten in der Vergangenheit, das seine Bedürftigkeit beeinflußt, nur am Maßstab des § 1579 Abs. 1 Nr. 3 BGB zu messen ist, weil diese Sondervorschrift in ihrem Regelungsbereich den Rückgriff auf allgemeine Grundsätze ausschließt.

23

b)

Nach § 1579 Abs. 1 Nr. 3 BGB besteht kein Unterhaltsanspruch, soweit die Inanspruchnahme des Unterhaltsverpflichteten grob unbillig wäre, weil der Berechtigte seine Bedürftigkeit mutwillig herbeigeführt hat. Das Oberlandesgericht hat die Voraussetzungen dieser Härteklausel nicht als erfüllt angesehen und hierzu ausgeführt: Mutwilligkeit erfordere zwar kein vorsätzliches Handeln, sondern es genüge Leichtfertigkeit. Diese müsse jedoch unterhaltsbezogen sein. Der Unterhaltsberechtigte müsse sich unter grober Mißachtung dessen, was jedem einleuchten muß, oder in Verantwortungs- und Rücksichtslosigkeit gegen den Unterhaltspflichtigen über die erkannte Möglichkeit nachteiliger Folgen hinweggesetzt haben. Die Klägerin habe eine Aufstellung über besondere Aufwendungen seit der Trennung vorgelegt, die mit einem Betrag von 176.246,43 DM abschließe. Darin komme zwar ein großzügiger Lebensstil zum Ausdruck, eine mutwillige Herbeiführung der Bedürftigkeit liege jedoch nicht vor.

24

Soweit die Revision rügt, das Oberlandesgericht habe für das Merkmal der Mutwilligkeit zu strenge Voraussetzungen aufgestellt, trifft dies nicht zu. Insoweit steht das Berufungsurteil im Einklang mit der Rechtsprechung des Senats zu dieser Frage (Urteile vom 8. Juli 1981 - IVb ZR 593/80 - FamRZ 1981, 1042 und vom 14. Dezember 1983 - IVb ZR 38/82 - zur Veröffentlichung bestimmt). Im letztgenannten Urteil wird für den Fall des Verbrauchs von Vermögen in der Vergangenheit, wie er auch hier gegeben ist, für die Anwendung des § 1579 Abs. 1 Nr. 3 BGB verlangt, daß der Unterhaltsberechtigte wesentlich mehr ausgegeben hat, als es die im Einzelfall vorliegenden Verhältnisse unter Beachtung individuellen, insbesondere trennungs-, alters- und krankheitsbedingten Mehrbedarfs und angesichts der wirtschaftlichen Verhältnisse des potentiell Unterhaltspflichtigen angemessen erscheinen lassen. Danach ist das im angefochtenen Urteil gefundene Ergebnis nicht zu beanstanden. Die von der Klägerin vorgelegte Aufstellung, von deren Richtigkeit das Oberlandesgericht unangegriffen ausgeht, enthält im wesentlichen Aufwendungen außerhalb des laufenden Lebensbedarfs. Aus dem zusätzlich gezahlten Unterhalt von monatlich 4.000 DM für die Klägerin und die bei ihr lebenden beiden Kinder konnten diese Aufwendungen, die sich auf die Jahre 1976 bis 1981 verteilen, nicht bestritten werden. Rund 48.000 DM davon entfallen auf Gerichts- und Anwaltskosten, weitere rund 27.500 DM auf die Einrichtung der nach der Trennung bezogenen Wohnung. Ein Betrag von 26.900 DM betrifft die Tilgung von Schulden, ein solcher von 12.000 DM die Anschaffung eines Pkw und zusammen 28.800 DM Aufwendungen für Privatschulden und die Zahnsanierung eines der Kinder. Werden schließlich die günstigen wirtschaftlichen Verhältnisse des Beklagten mitberücksichtigt, begegnet die im wesentlichen auf tatrichterlichem Gebiet liegende Beurteilung des Oberlandesgerichts keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

25

6.

Nach Auffassung des Oberlandesgerichts kann sich der Beklagte auch nicht auf die Härteregelung des § 1579 Abs. 1 Nr. 4 BGB berufen, weil sein Vorbringen kein schwerwiegendes, klar bei der Klägerin liegendes und evidentes Fehlverhalten ergebe. Daß diese im Jahre 1969 mit dem Fliesenleger M. die Ehe gebrochen und im Jahre 1971 mit St. ehewidrige Beziehungen unterhalten habe, seien längst verziehene Eheverfehlungen. Daß sie im Jahre 1976 mit St. wiederum Zärtlichkeiten ausgetauscht habe, stelle kein schwerwiegendes Fehlverhalten im Sinne der Härteregelung dar. Der Vortrag des Beklagten, daß sie im gleichen Jahr Beziehungen zu Rechtsanwalt P. unterhalten habe, lasse nicht erkennen, welcher Art diese Beziehungen gewesen seien.

26

Diese Ausführungen halten im Ergebnis den Angriffen der Revision stand. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats schließt zwar die Abkehr vom Schuldprinzip nicht aus, bei der Regelung des Ehegattenunterhalts im Rahmen der Billigkeitsprüfung nach § 1579 Abs. 1 Nr. 4 BGB auch ein eheliches Fehlverhalten des Unterhalt beanspruchenden Ehegatten zu berücksichtigen. Aus der in der Vorschrift enthaltenen Bezugnahme auf die Schwere der in den Nrn. 1 bis 3 aufgeführten Gründe und aus dem Merkmal der groben Unbilligkeit ergibt sich aber eine erhebliche Einschränkung für die Berücksichtigungsfähigkeit persönlicher Verfehlungen. Nur ein schwerwiegendes und klar bei einem der Ehegatten liegendes Fehlverhalten ist geeignet, die Voraussetzungen der Härteregelung zu erfüllen. Als solches ist etwa anerkannt die Begründung einer eheähnlichen Gemeinschaft mit einem anderen Partner, die Aufnahme eines nachhaltigen, auf längere Dauer angelegten intimen Verhältnisses oder die Unterhaltung ehebrecherischer Beziehungen mit wechselnden Partnern. Es muß sich um Fehlverhalten von einem Gewicht handeln, daß sich daraus eine offenbare Abkehr des Ehegatten von seinen ehelichen Bindungen herleiten läßt. Daraus folgt zugleich, daß nicht jeglichen Vorwürfen nachzugehen ist, die gegen den Unterhalt begehrenden Ehegatten erhoben werden, auch wenn diese nach dem durch das 1. EheRG abgelösten alten Scheidungsrecht geeignet gewesen wären, die Feststellung einer schuldhaften Ehezerrüttung zu rechtfertigen (vgl. zu alledem BGH, Urteil vom 7. März 1979 - IV ZR 38/78 - FamRZ 1979, 569, 570; Senatsurteile vom 23. April 1980 - IVb ZR 527/80 - FamRZ 1980, 665, 666, vom 3. Februar 1982 - IVb ZR 654/80 - FamRZ 1982, 1461 und vom 12. Januar 1983 - IVb ZR 348/81 - FamRZ 1983, 670 m.w.N.; s.a. Soergel/Häberle BGB 11. Aufl. § 1579 Rdn. 12).

27

Danach ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, daß das Oberlandesgericht den Vorwürfen des Beklagten gegen die Klägerin weder für sich noch zusammengenommen hinreichendes Gewicht beigemessen hat, um einen Ausschluß oder eine Herabsetzung ihres Unterhaltsanspruchs gemäß § 1579 Abs. 1 Nr. 4 BGB zu rechtfertigen. Dabei konnte es berücksichtigen, daß deren Beziehungen zu M. und St. zeitlich weit zurückliegen und vom Beklagten vor der Trennung verziehen worden sind. Was den Austausch von Zärtlichkeiten mit St. anläßlich einer Urlaubsreise im Jahre 1976 angeht, konnte ein schwerwiegendes Fehlverhalten im dargelegten Sinne verneint werden, auch wenn die bereits verziehenen Kontakte mit demselben Partner in Betracht gezogen werden. In Bezug auf die behaupteten Beziehungen zu Rechtsanwalt P. macht die Revision an sich zu Recht geltend, das Oberlandesgericht hätte gemäß § 139 ZPO einen Hinweis geben müssen, daß es sich nicht klar darüber war, um welche Art Beziehungen es sich hierbei handeln sollte. Einer Zurückverweisung zu weiteren Feststellungen zu diesem Punkte bedarf es jedoch nicht. Die Revision führt aus, daß auf einen entsprechenden Hinweis ein Strafurteil vom 26. Februar 1979 vorgelegt worden wäre, nach dessen Feststellungen es am 1. Juli 1976 in der Zeit zwischen 21.10 Uhr bis 23.40 Uhr zwischen der Klägerin und Rechtsanwalt P. zu einer "intimen Annäherung" gekommen ist, bei der mindestens auch Zärtlichkeiten ausgetauscht worden sind. Abgesehen davon, daß das Oberlandesgericht an diese Feststellungen nicht gebunden war (Art. 14 Abs. 2 Nr. 1 BGZPO), ergeben diese nicht ein nachhaltiges, auf längere Dauer angelegtes intimes Verhältnis der Klägerin zu Rechtsanwalt P. (vgl. dazu auch Senatsurteil vom 15. Juni 1983 - IVb ZR 392/81 - nicht veröffentlicht). In Anbetracht der Dauer der Ehe zwischen den Parteien und der ehebezogenen Leistungen der Klägerin in der Vergangenheit, insbesondere der Pflege und Erziehung von drei Kindern, ist die Verneinung des § 1579 Abs. 1 Nr. 4 BGB durch den Tatrichter insgesamt vertretbar und gibt zu durchgreifenden rechtlichen Bedenken keinen Anlaß.

28

7.

Die Verfahrensrügen der Revision, auf die bisher nicht ausdrücklich eingegangen worden ist, hat der Senat geprüft, aber nicht für durchgreifend erachtet (§ 565 a ZPO).

29

8.

Soweit das angefochtene Urteil aus sachlich-rechtlichen Gründen aufgehoben werden muß (oben 4 a und c), wird der vom Oberlandesgericht zugesprochene Unterhalt nur teilweise berührt. Im Hinblick auf die danach in der neuen Verhandlung mögliche Verbesserung des Prozeßergebnisses für den Beklagten erscheint angezeigt, die Verurteilung des Beklagten zu einem Elementarunterhalt von monatlich 1.000 DM bestehen zu lassen. Der bereits vom Amtsgericht zugesprochene und nicht angegriffene Vorsorgeunterhalt für den Fall der Krankheit (§ 1578 Abs. 2 BGB) von monatlich 273,73 DM bleibt daneben bestehen.

30

Bei der Bemessung des Vorsorgeunterhalts für den Fall des Alters sowie der Berufs- und Erwerbsunfähigkeit (§ 1578 Abs. 3 BGB) ist das Oberlandesgericht einer Bemessungsmethode gefolgt, die der Senat bereits mehrfach gebilligt hat (vgl. etwa Urteil vom 6. Oktober 1982 - IVb ZR 311/81 - FamRZ 1982, 1187). Insoweit erhebt die Revision auch keine Bedenken. Aus einem Elementarunterhalt von monatlich 1.000 DM ergibt sich nach dieser Methode der im Entscheidungssatz ausgeworfene Betrag von monatlich 236,80 DM. Diesen wird das Oberlandesgericht je nach dem Ergebnis der neuen Verhandlung gegebenenfalls aufzustocken haben. Wie in dem angeführten Senatsurteil vom 6. Oktober 1982 weiter ausgeführt ist, ist es im übrigen bedenkenfrei, in Fällen der vorliegenden Art von der sonst vorzunehmenden zweistufigen Berechnung des Vorsorgeunterhalts abzusehen, da der Grundsatz der gleichmäßigen Teilhabe der Ehegatten am ehelichen Lebensstandard wegen der gegebenen wirtschaftlichen Verhältnisse des Unterhaltspflichtigen nicht berührt wird.

31

9.

Da das angefochtene Urteil aus anderem Grunde auch im Kostenpunkt aufgehoben werden muß, wird der Beklagte Gelegenheit haben, seine Rüge, daß das zum Nachteil der Klägerin ergangene Teilurteil des Amtsgerichts vom 21. Juli 1980 bei der Kostenentscheidung bisher nicht berücksichtigt worden ist, in der neuen Verhandlung vorzubringen.

Lohmann
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Krohn
Zysk
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