Bundesgerichtshof
Urt. v. 30.06.1982, Az.: VIII ZR 115/81
Bedeutung des Hinweises auf eine Widerrufsmöglichkeit wegen Abzahlungskaufs bei einem Bargeschäft; Wertung eines in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) enthaltenen Widerrufsrechts aus Kundensicht; Folge von Unklarheiten bei der Verwendung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB)
Bibliographie
- Gericht
- BGH
- Datum
- 30.06.1982
- Aktenzeichen
- VIII ZR 115/81
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1982, 12820
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- OLG Hamm - 16.02.1981
- LG Bielefeld
Rechtsgrundlagen
- § 5 AGBG
- § 1 b Abs. 2 S. 2 AbzG
- § 1 b Abs. 2 S. 3 AbzG
- § 346 BGB
Fundstellen
- MDR 1983, 223 (Volltext mit amtl. LS)
- NJW 1982, 2313-2314 (Volltext mit amtl. LS)
- ZIP 1982, 1212-1214
Prozessführer
Firma W. C. GmbH & Co. KG,
vertreten durch die Komplementär in Firma W. C. GmbH,
diese vertreten durch den Geschäftsführer Dieter L., sämtlich E. weg ... in Li.
Prozessgegner
Fräulein Gaby B., D. in Schloß H.
Amtlicher Leitsatz
Zur Annahme eines vertraglichen Rücktrittsrechts des Käufers, wenn die Parteien ein Bargeschäft unter Verwendung eines vom Verkäufer bereitgehaltenen Formulars abschließen, das auf Bargeschäfte zugeschnitten ist, jedoch einen vorgedruckten Hinweis auf die Widerrufsmöglichkeit bei einem Abzahlungskauf enthält.
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat
auf die mündliche Verhandlung vom 30. Juni 1982
durch
den Vorsitzenden Richter Braxmaier und die Richter Wolf, Merz, Dr. Skibbe und Dr.
Brunotte
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Revision gegen das Urteil des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 16. Februar 1981 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Tatbestand
Die Klägerin, ein Fachversandhaus für Aussteuer, Bestecke, Porzellan und Glas, verlangt von der Beklagten Erfüllung eines Kaufvertrages.
Am 20. November 1978 suchte eine Mitarbeiterin der Klägerin, Frau K., die Beklagte auf. Nach einem längeren Verkaufsgespräch bestellte die damals 20-jährige, berufstätige Beklagte ein Porzellanservice mit Tischdecke und Servietten, eine Besteckaussteuer sowie 36 Gläser zum Gesamtpreis von 4.456,80 DM. Die Waren sollten am 15. November 1979 geliefert werden; am selben Tag war auch der Kaufpreis in einer Summe zu entrichten. Auf dem von der Beklagten unterzeichneten Auftragsformular befindet sich unten links folgender Absatz:
"Gemäß den Bestimmungen des Abzahlungsgesetzes wird ein Abzahlungskauf wirksam, wenn er vom Käufer nicht binnen einer Frist von 1 Woche gegenüber der Firma Co. (Klägerin) schriftlich widerrufen wird. Durch meine nachstehende Unterschrift erkenne ich an, daß ich über das Widerrufsrecht belehrt bin.
Käufer ...
Tag/Unterschrift ..."
Diese Belehrung unterschrieb die Beklagte nicht. Über eine Widerrufsmöglichkeit wurde auch nicht gesprochen.
Frau K. leitete den Auftrag weiter. Er ging am 27. November 1978 im Betrieb der Klägerin ein.
Die Beklagte schrieb der Klägerin am 23. November 1978, bei dieser am folgenden Tag eingegangen, sie kündige den Vertrag.
Die Beklagte nahm die Ware nicht ab. Die Klägerin verlangt von ihr Zahlung des Kaufpreises von 4.456,80 DM zuzüglich Zinsen Zug um Zug gegen Lieferung der bestellten Ware.
In beiden Vorinstanzen blieb die Klage erfolglos. Mit der - zugelassenen - Revision verfolgt die Klägerin ihren Klageantrag weiter. Die Beklagte beantragt Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
I.
Das Berufungsgericht führt aus, der Kaufvertrag zwischen den Parteien sei schon am 20. November 1978 zustandegekommen. Nach den Grundsätzen des Zugangs einer Willenserklärung unter Anwesenden sei der Klägerin die Erklärung der Beklagten mit Aushändigung des unterschriebenen Auftrags an Frau K. zugegangen. Somit stehe ihrer Wirksamkeit nicht entgegen, daß das Widerrufsschreiben der Beklagten früher als der schriftliche Vertrag im Betrieb der Klägerin eingegangen sei.
Diese Ausführungen, die von den Parteien nicht beanstandet werden, lassen keinen Rechtsfehler erkennen, so daß von einem wirksamen Vertragsschluß auszugehen ist.
II.
Den Kaufvertrag konnte die Beklagte nicht gemäß § 1 b AbzG widerrufen, denn die Parteien haben weder ein Abzahlungsgeschäft gemäß § 1 AbzG noch ein verdecktes Abzahlungsgeschäft (§ 6 AbzG) geschlossen, weil der Kaufpreis nicht in Teilzahlungen zu entrichten war. Ist der Kaufpreis in einer Summe zu einem bestimmten späteren Zeitpunkt zu zahlen, so liegt nach der Rechtsprechung des Senats (Urteil vom 22. Februar 1978 - VIII ZR 41/77 = BGHZ 70, 378, 382) selbst dann kein Abzahlungskauf vor, wenn dem Käufer die Sache schon bei Vertragsschluß übergeben wird. Erst recht ist ein Abzahlungsgeschäft auszuschließen, wenn keine der Parteien zur Vorleistung verpflichtet ist. Die typische Gefahrenlage des Abzahlungsgeschäftes, daß der Käufer infolge der vereinbarten Zahlungsregelung den Umfang seiner Verpflichtung nicht überschauen und die wirtschaftliche Bedeutung des Geschäftes nicht abschätzen kann, besteht dann nicht, wenn der Kaufvertrag nur einen Betrag nennt, nämlich den bei Lieferung zu zahlenden, und der Kaufpreis auch in einer Summe zu entrichten ist. Daß der Käufer den Kaufpreis vorher bei sich anspart, ist demgegenüber ohne Belang.
III.
Die Beklagte konnte jedoch von dem Vertrag zurücktreten, weil ihr nach diesem ein Rücktrittsrecht zustand.
1.
Das Berufungsgericht führt aus, dieses Rücktrittsrecht ergebe sich aus dem in dem Formularvertrag enthaltenen Hinweis auf das Widerrufsrecht nach den Bestimmungen des Abzahlungsgesetzes. Diese Belehrung sei nach ihrem äußeren Erscheinungsbild zu den Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu zählen. Bei der Gestaltung des Auftragsformulars müsse ein durchschnittlicher Käufer der Auffassung sein, ihm stünde ein Recht zum Widerruf zu, auch wenn der Kaufpreis nicht in Raten, sondern ein Jahr später Zug um Zug gegen Übergabe der Ware zu zahlen sei. Jedenfalls ergäben sich bei der Auslegung der Klausel so weitgehende Zweifel über die Geltung eines Widerrufsrechts, daß es nach § 5 AGBG zu Lasten der Klägerin als vereinbart anzusehen sei.
2.
Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung stand.
a)
Die in § 1 b Abs. 2 Satz 2 und 3 AbzG vorgeschriebene Belehrung über das Widerrufsrecht ist typischer und nicht nur im Bezirk des Berufungsgerichts anzutreffender Bestandteil in Vertragsformularen, die sowohl für Abzahlungsgeschäfte als auch für Bargeschäfte verwendet werden. Welche Bedeutung dem Hinweis zukommt, wenn die Parteien ein Bargeschäft abschließen, unterliegt daher der uneingeschränkten revisionsrechtlichen Beurteilung.
b)
Aus dem in dem Formularvertrag enthaltenen Hinweis auf die Widerrufsmöglichkeit nach dem Abzahlungsgesetz ergibt sich für die Beklagte ein vertragliches Rücktrittsrecht.
aa)
In seinem Urteil vom 15. Oktober 1980 (VIII ZR 192/79 = WM 1980, 1386, 1387 = NJW 1981, 230, 231; insoweit nicht in BGHZ 78, 248[BGH 15.10.1980 - VIII ZR 192/79]), das einen Bierlieferungsvertrag betraf, hat der Senat offengelassen, ob der bei unklarer Rechtslage vorsorglich aufgenommene Hinweis auf das gesetzliche Widerrufsrecht als Vereinbarung eines vertraglichen Widerrufs- oder Rücktrittsrechts auszulegen ist. Ein derartiger Fall ist vorliegend nicht gegeben.
bb)
Bei dem Hinweis auf das Widerrufsrecht handelt es sich nicht lediglich um eine für den Vertragsinhalt bedeutungslose - zumal nicht erfolgte - Belehrung für den Fall eines Abzahlungskaufs. Vielmehr ist der allgemein gehaltene Hinweis Teil des gedruckten Textes und stellt sich nach der gesamten Gestaltung des Vertragsvordruckes als "vorformuliert" im Sinn des § 1 AGBG dar (vgl. Senatsurteil vom 1. März 1982 - VIII ZR 63/81 = WM 1982, 444, 445 = NJW 1982, 1388, 1389).
cc)
Als Teil der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin muß der Hinweis danach beurteilt werden, welche Bedeutung ihm aus der Sicht des üblicherweise angesprochenen Kundenkreises unter Abwägung der beiderseitigen Interessen zukommt (vgl. Senatsurteile vom 11. November 1968 - VIII ZR 151/66 = BGHZ 51, 55, 58; vom 9. Februar 1970 - VIII ZR 97/68 = WM 1970, 552 = NJW 1970, 992 [BGH 09.02.1970 - VIII ZR 97/68]; vom 26. Oktober 1977 - VIII ZR 197/75 = WM 1978, 10; und vom 10. Dezember 1980 - VIII ZR 295/79 = BGHZ 79, 117, 119).
Aus der Sicht der hier interessierenden durchschnittlichen oder sogar einfacheren Kunden sind Zweifel daran begründet, daß es sich bei dem Hinweis lediglich um die Belehrung über ein schon bestehendes gesetzliches Widerrufsrecht bei einer besonderen Fallgestaltung handelt, die im konkreten Fall nicht einmal vorliegt; demgegenüber ist ohne Belang, daß die Hinweisklausel isoliert betrachtet hinreichend klar sein mag. Bei dem Ausdruck "Abzahlungskauf" geht es zwar um einen rechtstechnischen Begriff, der grundsätzlich entsprechend seiner juristischen Bedeutung zu verstehen ist (vgl. hierzu RGZ 101, 224; 114, 347, 350; BGH, Urteile vom 16. April 1952 - II ZR 49/51 = BGHZ 5, 365, 367; vom 9. April 1969 - IV ZR 612/68 = NJW 1969, 1213; Ulmer/Brandner/Hensen, AGBG, 3. Aufl. § 5 Rdn. 10; Kötz in MünchKomm § 5 AGBG Rdn. 3; Palandt/Putzo, BGB, 41. Aufl. § 5 AGBG Anm. 3). Hier kommt es jedoch nicht auf die Bedeutung eines einzelnen Wortes oder Begriffes an, sondern auf die Art und Weise seiner Verwendung gegenüber einem Kundenkreis, von dem nicht zu erwarten ist, daß er die Begriffsabgrenzung und die sich daraus ergebenden Rechtswirkungen klar erkennt. Der Verwender hat es jedenfalls unter diesen Umständen hinzunehmen, daß für das Verständnis eines in seinen Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthaltenen, an sich eindeutigen Begriffs die Sicht des angesprochenen Kundenkreises ausschlaggebend bleibt.
Das Berufungsgericht führt insoweit zutreffend aus, der von der Klägerin angesprochene Kundenkreis habe keine feste Vorstellung von der Bedeutung des Ausdrucks "Abzahlungskauf" und die Bestimmungen des Abzahlungsgesetzes seien ihm in der Regel nicht bekannt. Es ist mithin offen, ob ein durchschnittlicher Kunde mit diesem im Formular nicht erläuterten Ausdruck zutreffend nur einen Teilzahlungskauf in Verbindung bringt, bei dem er die ihm schon übergebene Ware in Raten abzahlt, oder z.B. auch ein Geschäft, bei dem der Liefertermin hinausgeschoben ist und er die Kaufpreissumme anzusparen hat.
Derartige Zweifel sind um so eher begründet, als der Vordruck nicht erkennen läßt, daß er für andere Verträge als Bargeschäfte verwendbar ist. Würde er Zeilen für die nach § 1 a AbzG erforderlichen Angaben zum Teilzahlungspreis, zu Betrag, Anzahl und Fälligkeit der einzelnen Teilzahlungen und zum effektiven Jahreszins enthalten, so könnte der Kunde aus der Tatsache, daß diese Zeilen leer bleiben oder gar gestrichen werden, eher den Schluß ziehen, daß er keinen Abzahlungskauf tätigt. Ist jedoch der Vordruck - wie hier - auf die unveränderte Verwendung für den Abschluß eines Bargeschäftes zugeschnitten, so fördert das die Wahrscheinlichkeit, daß die funktionslose Belehrung über das Widerrufsrecht beim Kunden Mißverständnisse über ihre Tragweite hervorruft.
Kann der Kunde die Bedeutung des Hinweises aber nicht zuverlässig erkennen, so gehen Unklarheiten nach § 5 AGBG zu Lasten der Klägerin als der Verwenderin des Vertragsvordruckes. Darf der Vertragsgegner somit annehmen, er schließe ein Geschäft ab, das er widerrufen kann, so ist der Hinweis dahin auszulegen, daß dem Kunden ein Rücktrittsrecht eingeräumt wird (vgl. zu dem vergleichbaren Fall einer unklaren, über die gesetzliche Regelung hinausgehenden Verkäufergewährleistung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen Löwe/Graf von Westphalen/Trinkner, AGBG, § 5 Rdn. 9).
dd)
Die Auslegung des unklar gefaßten Hinweises zu Lasten der Klägerin geht auch nicht an deren Interessenlage vorbei, denn sie bzw. ihre Mitarbeiterin hätte ohne zusätzlichen Aufwand die Zweifel beseitigen können, die sich aus der Gestaltung des Vordruckes ergeben. So hätte es ausgereicht, den Hinweis zu streichen oder die Beklagte beim Verkaufsgespräch ausdrücklich darüber aufzuklären, daß das Widerrufsrecht nur bei einem hier nicht gegebenen Abzahlungskauf bestehe.
ee)
Dem Berufungsgericht ist schließlich auch darin zu folgen, daß der Käufer dem Satz "Durch meine Unterschrift erkenne ich an, daß ich über das Widerrufsrecht belehrt bin" nicht entnehmen mußte, ihm stünde das Widerrufsrecht nur für den Fall der besonderen Unterschrift zu, sondern daß er auch der Auffassung sein durfte, er bestätige mit seiner Unterschrift gegebenenfalls nur, ausdrücklich über das Widerrufsrecht belehrt worden zu sein, so daß eine Unterschrift entfiel, wenn - wie hier - eine Belehrung nicht stattgefunden hat.
IV.
Nach allem haben die Vorinstanzen zu Recht die Klage abgewiesen.
Die Revision ist daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung ergeht nach § 97 ZPO.
Wolf
Merz
Dr. Skibbe
Dr. Brunotte