Kinderpornographie in Kommunikationsnetzen
BT-Drs. 19/23707 (zu den am 01.07.2021 in Kraft getretenen Änderungen)
Kinderpornographie ist die Dokumentation von Kindesmissbrauch und der sexuellen Ausbeutung von Kindern. Die polizeiliche Kriminalstatistik verzeichnet seit Jahren einen konstanten Anstieg beim Besitz, der Beschaffung und Verbreitung von Kinderpornographie.
Trotz nationaler und internationaler Anstrengungen zur Täterermittlung und Schließung von Webseiten bleiben Angebote mit kinderpornographischen Inhalten im Internet abrufbar und nehmen beständig zu. Die entsprechenden Internetseiten werden vom Bundeskriminalamt ausschließlich gelöscht.
Zum 01.07.2021 wurde der Strafrahmen deutlich angehoben. Sowohl das Verbreiten als auch der Besitz und die Besitzverschaffung wurden als Verbrechen ausgestaltet. Folge aber war, dass eine Einstellung von Verfahren wegen des Verdachts der sexualisierten Gewalt gegen Kinder aus Gründen der Opportunität auch wegen Geringfügigkeit nach den §§ 153, 153a StPO ausgeschlossen war.
Dies wurde nun mit Wirkung zum 28.06.2024 aus den folgenden Gründen wieder geändert:
Die Verhältnismäßigkeit der Mindeststrafe von einem Jahr Freiheitsstrafe war nach der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 20/10540) jedoch insbesondere dann fraglich, wenn die beschuldigte Person offensichtlich nicht aus einem eigenen sexuellen Interesse an kinderpornographischen Inhalten gehandelt hat, sondern im Gegenteil, um eine andere Tat nach § 184b StGB, insbesondere eine weitere Verbreitung oder ein öffentliches Zugänglichmachen eines kinderpornographischen Inhalts, zu beenden, zu verhindern oder aufzuklären. Besonders häufig sind solche Fälle bei Eltern sowie Lehrern älterer Kinder oder Jugendlicher aufgetreten, die kinderpornographisches Material bei diesen gefunden und an andere Eltern, Lehrerinnen oder Lehrer oder die Schulleitung weitergeleitet haben, um diese über den Missstand zu informieren.
Insoweit wurde den Strafverfolgungsbehörden die Möglichkeit wiedereröffnet, in jedem Einzelfall angemessen auf Verfahren zu reagieren, die Straftaten nach § 184b Abs. 1 S. 1 oder Absatz 3 StGB zum Gegenstand haben. Wenn der Tatvorwurf am unteren Rand der Strafwürdigkeit liegt, kann damit wieder eine niedrigere Strafe als ein Jahr Freiheitsstrafe verhängt werden. Zudem können Verfahren wieder nach den §§ 153 und 153a StPO eingestellt oder durch Strafbefehl nach den §§ 407 ff. StPO erledigt werden, wenn die Voraussetzungen im Einzelfall vorliegen. Als Folgeänderung ist die Versuchsstrafbarkeit auch für die Fälle des § 184b Abs. 1 S. 1 Nr. 1 und 3 StGB erneut ausdrücklich anzuordnen. Damit wird hinsichtlich der Versuchsstrafbarkeit zur Rechtslage vor der Gesetzesänderung im Jahr 2021 zurückgekehrt.
Auslegung der Tatbestandsmerkmale:
In mehreren Entscheidungen hat der BGH zur Auslegung der Tatbestandsmerkmale Stellung genommen:
Zur Auslegung des Merkmals »pornographisch« (BGH 11.02.2014 – 1 StR 485/13):
»›Pornographie‹ ist die Vermittlung sexueller Inhalte, die ausschließlich oder überwiegend auf die Erregung eines sexuellen Reizes beim Betrachter abzielt und dabei die im Einklang mit allgemeinen gesellschaftlichen Wertvorstellungen gezogenen Grenzen des sexuellen Anstandes überschreitet. Nach heutigem Verständnis bestimmt sich die im Einzelfall schwer zu bestimmende Grenze nach der Wahrung der sexuellen Selbstbestimmung des Einzelnen. Pornographisch ist demgemäß die Darstellung entpersönlichter sexueller Verhaltensweisen, die die geschlechtliche Betätigung von personalen und sozialen Sinnbezügen trennt und den Menschen zum bloßen - auswechselbaren - Objekt geschlechtlicher Begierde oder Betätigung macht.«
»Eine derartig degradierende Wirkung wohnt der Darstellung sexueller Handlungen von, an und vor Kindern jedoch in aller Regel inne. Von Fallgestaltungen abgesehen, in denen es der Darstellung am pornographischen Charakter schon deshalb fehlt, weil sie nicht überwiegend auf die Erregung sexueller Reize abzielt - z.B. bei der Abbildung der Genitalien hierzu »posierender« Kinder in medizinischen Lehrbüchern –, sind realitiätsbezogene Darstellungen sexueller Handlungen von, an oder vor Kindern daher regelmäßig auch »pornographisch«. Eines darüber hinausgehenden »vergröberndreißerischen« Charakters der Darstellung bedarf es demgegenüber nicht.«
Der Begriff »Verbreitung« ist als Sammelbegriff für die vom Tatbestand erfassten unterschiedlichen Varianten der Weitergabe beziehungsweise Zugänglichmachung zu verstehen (BGH 16.05.2024 – 3 StR 112/23).
Mit der Entscheidung BGH 19.03.2013 – 1 StR 8/13 hat der BGH die zuvor umstrittene Frage entschieden, dass die Beschreibung von Missbrauchshandlungen an Kindern in Worten nicht als Wiedergabe eines »tatsächlichen« oder »wirklichkeitsnahen« Geschehens i.S.v. § 184b StGB anzusehen ist.
Klargestellt wird mit § 184b Abs. 5 StGB, dass von der Strafbarkeit nicht erfasst sind die Handlungen, die ausschließlich der Erfüllung rechtmäßiger dienstlicher oder beruflicher Pflichten dienen. Davon erfasst werden nach der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 18/2601) sowohl dienstliche Pflichten der Angehörigen von Behörden wie auch Auftragsverhältnisse, die zwischen staatlichen Stellen und weiteren Personen oder Organisationen bestehen. Erweiterte Ermittlungsbefugnisse oder -möglichkeiten sind mit der Neuregelung hingegen nicht verbunden, insbesondere legitimiert diese als solche nicht zur Weitergabe kinderpornographischen Materials an Verdächtige, um in deren Kreise zu Zwecken verdeckter Ermittlungen Aufnahme zu finden.