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DNA-Analyse im Strafprozess

Normen

§§ 81e f. StPO

Information

1 Allgemein

Gemäß § 81a StPO können dem BeschuldigtenBlutproben und andere Körperzellen zur Feststellung von für das Verfahren bedeutenden Tatsachen entnommen werden.

Die Voraussetzungen für die weitere Durchführung einer DNA-Analyse bestimmen sich nach den gesetzlichen Vorgaben der §§ 81e ff. StPO.

Die sowohl nach § 81e StPO als auch nach § 81g StPO erhobenen Daten werden beim Bundeskriminalamt gespeichert.

2 Laufendes Strafverfahren

Sowohl das Blut als auch die anderen Körperzellen dürfen gemäß § 81e StPO in einem laufenden Strafprozess für folgende molekulargenetische Untersuchungen verwendet werden:

  • Feststellung der Abstammung

  • Feststellung der Tatsache, ob das gefundene Spurenmaterial von dem Beschuldigten oder dem Verletzten stammt bzw. welchem Geschlecht diese Person zugehört (BGH 26.05.2009 - 1 StR 597/08)

Zum 13.12.2019 wurden die zulässigen Untersuchungen von DNA-fähigem Material ausgeweitet:

Ist unbekannt, von welcher Person das Spurenmaterial stammt, dürfen zusätzlich Feststellungen über die Augen-, Haar- und Hautfarbe sowie das Alter der Person getroffen werden.

Gemäß § 81f StPO erfordert die Durchführung dieser Untersuchungen grundsätzlich eine Anordnung durch den zuständigen Richter. Bei Gefahr im Verzug kann die Untersuchung jedoch auch durch die Staatsanwaltschaft oder die Polizei angeordnet werden.

Mit § 81e StPO soll sichergestellt werden, dass aus dem Abgleich der DNA-Identifizierungsmuster nunmehr auch solche Erkenntnisse zur Erforschung des Sachverhalts verwertet werden dürfen, die auf ein nahes Verwandtschaftsverhältnis zwischen dem Spurenverursacher und dem Probengeber hindeuten.

Damit der Betroffene die Tragweite seiner Erklärung überblicken kann, muss er hinreichend klar darüber belehrt werden, dass bei einem Ähnlichkeitstreffer auch Verwandte in Verdacht geraten können. Deshalb wird nunmehr gesetzlich festgelegt, ab welchem Grad an Übereinstimmung zwischen Spurenmaterial und Beinahetreffer die weitere Verwertung als Beweismittel gegenüber dem tatsächlichen Spurenverursacher zugelassen ist. Anderenfalls könnte der zu Belehrende nicht abschätzen, welchen Personenkreis er durch eine Probenabgabe potenziell dem Risiko einer durch einen Beinahetreffer ausgelösten weiteren strafrechtlichen Untersuchung aussetzt. Der Teilnehmer an der Reihenuntersuchung kann somit zum einen darüber disponieren, ob er durch sein Verhalten dazu beitragen möchte, dass ein naher Verwandter der Strafverfolgung ausgesetzt wird.

3 Vorbeugende DNA-Analyse

Die vorbeugende molekulargenetische Untersuchung zum Zwecke der Identitätsfeststellung in künftigen Strafverfahren ist nach § 81g StPO bei Vorliegen folgender Voraussetzungen zulässig:

  • Der Beschuldigte ist wegen einer Straftat von erheblicher Bedeutung verdächtig

    oder

  • der Beschuldigte ist wegen einer Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung verdächtig

    und

  • wegen der Art oder der Ausführung der Tat, der Persönlichkeit des Beschuldigte oder sonstiger Erkenntnisse besteht Grund zu der Annahme, dass gegen den Beschuldigten künftig Strafverfahren wegen dieser Taten zu führen sind (negative Prognose).

    Die Prognoseentscheidung setzt voraus, dass ihr eine zureichende Sachaufklärung vorausgegangen ist und die für sie bedeutsamen Umstände nachvollziehbar dargestellt und abgewogen werden. Hierfür ist stets eine auf den Einzelfall bezogene Entscheidung erforderlich. Die bloße Wiedergabe des Gesetzeswortlauts ist nicht ausreichend. Das Gericht muss auch auf Umstände eingehen, die das Vorliegen einer Negativprognose in Frage stellen könnten, so z.B. ob der geständige Beschwerdeführer vorbestraft war, Einsicht zeigte, dem Geschädigten bereits im Vorfeld der Hauptverhandlung Schmerzensgeldzahlungen angeboten hat oder er zwischenzeitlich erneut auffällig geworden war (BVerfG 03.05.2016 - 2 BvR 2349/15).

Bei der wiederholten Begehung einer Straftat wird vermutet, dass es sich dann um eine Straftat von erheblicher Bedeutung handelt.

Auch die vorbeugenden molekulargenetische Untersuchung zum Zwecke der Identitätsfeststellung in künftigen Strafverfahren nach § 81g StPO kann bei Gefahr im Verzug ebenfalls durch die Staatsanwaltschaft oder die Polizei angeordnet werden.

Nach der Entscheidung BVerfG 18.09.2007 - 2 BvR 2577/06 ist grundsätzlich auch die Erstellung und Speicherung eines DNA-Identifizierungsmusters eines Jugendlichen zulässig. Bei der Prognoseentscheidung sind dann jedoch insbesondere die besonderen Umstände der Jugendlichkeit des Täters und der Art des von ihm begangenen jugendtypischen Delikts zu berücksichtigen. Nach der Ansicht der Richter sind Körperverletzungsdelikte als "jugendtypisch" zu beschreiben. Die Mehrzahl jugendlicher Täter tritt lediglich einmal strafrechtlich in Erscheinung. Diese Tatsachen führen daher dazu, dass jugendliche Delinquenz typischerweise vorübergehend ist und grundsätzlich nur eine positive Prognose erlaubt.

4 DNA-Reihenuntersuchungen

§ 81h StPO regelt die Rechtsgrundlage für DNA-Reihenuntersuchungen, d.h. DNA-Untersuchungen an Personen, die einer bestimmten abgrenzbaren Gruppe angehören. Die Voraussetzungen sind:

  • Es ist ein Verbrechen gegen das Leben, den Leib, die Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung begangen worden.

  • Die Betroffenen müssen schriftlich einwilligen.

  • Die Daten dürfen nur in dem konkreten Strafverfahren verwendet werden und sind nach der Untersuchung zu löschen.

  • Die Maßnahme kann nur von einem Richter angeordnet werden.

Die Weigerung einer Person zur Teilnahme an der Untersuchung ist hinzunehmen. Begründen jedoch bestimmte Tatsachen den Verdacht, dass diese Person die Straftat begangen hat, so kann die DNA-Untersuchung zwangsweise angeordnet werden.

Um sicherzustellen, dass Beinahetreffer zur Ermittlung des Täters genutzt werden dürfen, erweitert § 81h Abs. 1 StPO die Zweckbestimmung einer DNA-Reihenuntersuchung dahingehend, dass das DNA-Identifzierungsmuster der Probanden verwendet werden darf, um festzustellen, ob das Spurenmaterial von ihnen selbst oder von mit ihnen nah verwandten Personen stammt. Die Änderungen sehen vor, dass Treffer zu Lasten Verwandter in gerader Linie, also Eltern, Kinder, Großeltern, Enkel, Urgroßeltern, Urenkel verwertet werden dürfen. In der Seitenlinie (§ 1589 S. 2 BGB) kommt die Verwertung bei voll- und halbbürtigen Geschwistern sowie Geschwisterkindern (Nichten, Neffen) in Betracht.

Aufgrund der Erweiterung der Verwendungsmöglichkeiten in § 81h Abs. 1 StPO waren auch Inhalt und Umfang der den Probanden zu erteilenden schriftlichen Belehrung und Hinweise anzupassen. Zugleich wurde die Hinweispflicht ausführlicher als zuvor ausgestaltet werden und hat vor Erteilung der Einwilligung in Schriftform zu erfolgen. Die betroffene Person soll über das Ziel der Untersuchung, den automatisierten Abgleich und die Verwendungsmöglichkeiten der Ergebnisse vor der Erteilung der Einwilligung, die ebenfalls schriftlich zu erfolgen hat, hingewiesen werden. Hierdurch soll gewährleistet werden, dass sie die möglichen Folgen ihrer Teilnahme an der DNA-Reihenuntersuchung auch für mit ihr verwandte Personen abschätzen kann. § 81h Abs. 4 S. 2 Nr. 1 StPO enthält eine inhaltliche Klarstellung. Statt wie zuvor darauf hinzuweisen, dass die entnommenen Körperzellen ausschließlich für Untersuchungen nach Absatz 1 verwendet werden dürfen, wird die durchzuführende Untersuchung ausdrücklich benannt. Die entnommenen Körperzellen dürfen ausschließlich zur Feststellung des DNA-Identifizierungsmusters und des Geschlechts untersucht werden. Hierauf ist die betroffene Person nach § 81h Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 StPO hinzuweisen. § 81h Abs. 4 S. 2 Nr. 2 StPO sieht den Hinweis vor, dass das Untersuchungsergebnis mit den DNA-Identifizierungsmustern von Spurenmaterial automatisiert daraufhin abgeglichen wird, ob das Spurenmaterial von den Probanden oder von ihren Verwandten in gerader Linie oder in der Seitenlinie bis zum dritten Grad stammt. Dies korrespondiert mit dem in § 81h Abs. 1 Nr. 3 StPO zugelassenen Untersuchungsumfang und stellt sicher, dass die betroffene Person darüber aufgeklärt wird, welche Ermittlungsschritte mit dem festgestellten DNA-Identifizierungsmuster vorgenommen werden. Nach § 81h Abs. 4 S. 2 Nr. 3 StPO ist die betroffene Person darüber aufzuklären, dass die Verwertung auch zu ihren Lasten oder zu Lasten der mit ihr in gerader Linie oder bis zum dritten Grad in der Seitenlinie verwandten Personen erfolgen kann.

5 Verurteilung allein aufgrund der DNA-Analyse

Ob sich das Tatgericht allein aufgrund einer Merkmalübereinstimmung mit einer entsprechenden Wahrscheinlichkeit von der Täterschaft zu überzeugen vermag, ist ihm selbst überlassen. Das Maß der gebotenen Darlegung in den Urteilsgründen hängt von der jeweiligen Beweislage und insoweit von den Umständen des Einzelfalles ab. Dabei kann der Einzelfall so beschaffen sein, dass sich die Erörterung bestimmter einzelner Beweisumstände erübrigt (BGH 21.03.2013 3 StR 247/12).

Zur Beweiswürdigung einer DNA-Analyse bestehen folgende Grundsätze:

"Grundsätzlich hat das Tatgericht in Fällen, in denen es dem Gutachten eines Sachverständigen folgt, dessen wesentlichen Anknüpfungstatsachen und Ausführungen so darzulegen, dass das Rechtsmittelgericht prüfen kann, ob die Beweiswürdigung auf einer tragfähigen Tatsachengrundlage beruht und die Schlussfolgerungen nach den Gesetzen der Logik, den Erfahrungssätzen des täglichen Lebens und den Erkenntnissen der Wissenschaft möglich sind (...). Liegt dem Gutachten jedoch ein allgemein anerkanntes und weithin standardisiertes Verfahren zugrunde, wie dies etwa beim daktyloskopischen Gutachten, der Blutalkoholanalyse oder der Bestimmung von Blutgruppen der Fall ist, so genügt die bloße Mitteilung des erzielten Ergebnisses." (BGH 28.08.2018 - 5 StR 50/17)

"Die biostatistische Wahrscheinlichkeitsberechnung ist in Bezug auf DNA-Einzelspuren standardisiert, so dass es einer Darstellung der Anzahl der untersuchten Merkmalssysteme und der Anzahl der diesbezüglichen Übereinstimmungen nicht mehr bedarf. Das Tatgericht genügt den Darlegungsanforderungen, wenn es das Gutachtenergebnis in Form der biostatistischen Wahrscheinlichkeitsaussage in numerischer Form mitteilt, da diese die beiden übrigen bisherigen Anforderungen widerspiegelt" (BGH 28.08.2018 - 5 StR 50/17).

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