Rechtswörterbuch

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Gefährdungsbeurteilung

 Normen 

§ 5 Abs. 1 ArbSchG

§§ 3 ff. BetrSichV

 Information 

1. Allgemein

Zentrales Element aller Arbeitsschutz-Verordnungen ist die Gefährdungsbeurteilung:

Gemäß § 5 Abs. 1 ArbSchG hat der Arbeitgeber durch eine Beurteilung der für die Beschäftigten mit ihrer Arbeit verbundenen Gefährdung zu ermitteln, welche Maßnahmen des Arbeitsschutzes erforderlich sind. Grundsätzlich begründet diese Vorschrift nur eine öffentlich-rechtliche Pflicht des Arbeitgebers.

2. Inhalt

Gemäß § 5 Abs. 3 ArbSchG kann sich eine Gefährdung sich insbesondere ergeben durch

  • die Gestaltung und die Einrichtung der Arbeitsstätte und des Arbeitsplatzes,

  • physikalische, chemische und biologische Einwirkungen,

  • die Gestaltung, die Auswahl und den Einsatz von Arbeitsmitteln, insbesondere von Arbeitsstoffen, Maschinen, Geräten und Anlagen sowie den Umgang damit,

  • die Gestaltung von Arbeits- und Fertigungsverfahren, Arbeitsabläufen und Arbeitszeit und deren Zusammenwirken,

  • unzureichende Qualifikation und Unterweisung der Beschäftigten,

  • psychische Belastungen bei der Arbeit.

Die detaillierten Pflichten des Arbeitgebers sind in § 3 BetrSichV geregelt: Zunächst wird klargestellt, dass die Gefährdungsbeurteilung und die Ableitung von Schutzmaßnahmen vor der Verwendung der Arbeitsmittel durchzuführen ist. Die "CE-Kennzeichnung" reicht dabei für den Arbeitsschutz nicht aus. In die Gefährdungsbeurteilung sind gemäß § 3 Abs. 2 BetrSichV alle Gefährdungen einzubeziehen, die bei der Verwendung von Arbeitsmittel ausgehen:

  • von den Arbeitsmittel selbst

  • von der Arbeitsumgebung:

    Voraussetzung für die Einbeziehung von Gefährdungen aus der Arbeitsumgebung ist aber immer die Verwendung eines Arbeitsmittels (z.B. elektrische Gefährdungen, die von einem Schaltschrank oder einer Oberleitung ausgehen, jedoch nur dann, wenn an ihnen oder in ihrer Umgebung mit Arbeitsmitteln gearbeitet wird). Spezielle Gefährdungen, für die eigene Rechtsvorschriften gelten, werden auf deren Basis und der dortigen Gefährdungsbeurteilungen beurteilt (z.B. Gefahrstoffe, Lärm, Vibrationen, optische Strahlung etc.), auch wenn diese im Zusammenhang mit Arbeitsmitteln stehen.

  • von den Arbeitsgegenständen, an denen Tätigkeiten mit Arbeitsmittel durchgeführt werden

Die Gefährdungsbeurteilung soll bereits vor der Auswahl und der Beschaffung von Arbeitsmittel begonnen werden, damit sichergestellt werden kann, dass die Arbeitsmittel für die Tätigkeit bestmöglich geeignet sind, sodass keine oder möglichst wenige zusätzliche ergänzende Schutzmaßnahmen getroffen werden müssen. Wegen der zentralen Bedeutung der Gefährdungsbeurteilung für den Arbeitsschutz ist es im Hinblick auf die zu treffenden Schutzmaßnahmen zwingend erforderlich, dass die Gefährdungsbeurteilung nur von entsprechend fachkundigen Personen durchgeführt wird.

Daneben hat der Arbeitgeber seit 2014 auch eine psychische Gefährdungsbeurteilung durchzuführen:

Im Rahmen des Arbeitsprogramms Psyche wurden von der GDA Psyche "Empfehlungen zur Umsetzung der Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung" erarbeitet. Die "Empfehlungen" erläutern in sieben Schritten die Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen, ihre Methoden und Instrumente. Damit wird ein Korridor beschrieben, innerhalb dessen sich die konkrete Umsetzung der Gefährdungsbeurteilung bewegen sollte. Die Broschüre richtet sich insbesondere an Unternehmen und betriebliche Arbeitsschutzakteure und kann unter folgendem Link heruntergeladen werden:

https://www.gda-psyche.de/SharedDocs/Publikationen/DE/broschuere-empfehlung-gefaehrdungsbeurteilung.html

3. Anspruch des Arbeitnehmers auf Durchführung

Ein privatrechtlicher Erfüllungsanspruch des Klägers auf Durchführung einer Gefährdungsbeurteilung setzt deshalb voraus, dass § 5 Abs. 1 ArbSchG durch § 618 Abs. 1 BGB in das Arbeitsvertragsrecht transformiert wird. Die von § 5 Abs. 1 ArbSchG begründete Pflicht zur Durchführung einer Gefährdungsbeurteilung ist zur Transformation durch § 618 Abs. 1 BGB geeignet.

Aber: § 5 Abs. 1 ArbSchG eröffnet für den Arbeitgeber einen Handlungs- und damit einen Beurteilungsspielraum. Der Arbeitnehmer hat keinen Anspruch darauf, dass die Gefährdungsbeurteilung nach den von ihm vorgegebenen starren Beurteilungskriterien und -methoden durchgeführt wird (BAG 12.08.2008 - 9 AZR 1117/06).

4. Regelmäßige Überprüfung

Gemäß § 3 Abs. 7 BetrSichV ist die Gefährdungsbeurteilung regelmäßig zu überprüfen.

Eine regelmäßige Überprüfung der Gefährdungsbeurteilung bedeutet nach der Verordnungsbegründung (BR-Drs. 400/14) nicht, dass sie vollständig wiederholt werden muss. Es muss lediglich geprüft werden, ob Änderungen eingetreten sind, die eine teilweise oder vollständige Aktualisierung notwendig machen. Im Rahmen der Überprüfung der Gefährdungsbeurteilung ist auch zu beurteilen, ob die vorgesehene Verwendung noch dem Stand der Technik entspricht oder ob sie an diesen anzupassen ist. Bei einer Anpassung ist jedoch nicht zwingend, dass das Arbeitsmittel selbst dem Stand der Technik entsprechen muss. Insgesamt muss die Verwendung des Arbeitsmittels nach dem Stand der Technik sicher sein. Dies kann auch durch ergänzende Schutzmaßnahmen gewährleistet werden. Damit ist auch bei dieser Regelung der Bestandschutz gewährleistet. Nur in den in Satz 2 aufgeführten Fällen ist die Gefährdungsbeurteilung unverzüglich zu aktualisieren.

 Siehe auch 

Arbeitsmedizinische Vorsorge

Arbeitsschutz Lärm

Arbeitsunfall

Mutterschutz

Aligbe: Die Gefährdungsbeurteilung nach dem Mutterschutzgesetz; Betriebliche Prävention 2019, 256

Fritsche/Meckle: Employability 2.0: Psychische Gefährdungsbeurteilung: Von der gesetzlichen Pflicht zum Wettbewerbsvorteil; Betriebs-Berater - BB 2015, 821

Giffey\Hülse: Umgang mit psychischen Belastungen in den Bereichen Führung und Arbeitsorganisation. Evaluation von Trainingsmaßnahmen im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung; Betriebliche Prävention 2018, 468

Neubach: Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen am Arbeitsplatz. Ein praxisorientierter Überblick; Der öffentliche Dienst - DÖD 2015, 8

Wiebauer: Die Mitbestimmung des Betriebsrats bei Gefährdungsbeurteilung und Arbeitsschutzmaßnahmen; Recht der Arbeit - RdA 2019, 41