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Bürgergeld - Einkommen und Vermögen

 Normen 

§§ 11 - 13 SGB II

BT-Drs. 20/3873 (zu dem neuen Bürgergeld)

 Information 

1. Allgemein

Einkommen und Vermögen von Bürgergeld-Leistungsberechtigten wird nur in bestimmten Grenzen auf das Bürgergeld angerechnet. Rechtsgrundlage sind die §§ 11 - 13 SGB II.

2. Anrechnung von Einkommen

In § 11 SGB II wird geregelt, welches Einkommen bei der Berechnung des Bürgergelds zu berücksichtigen ist:

Als Einkommen zu berücksichtigen sind nach § 11 Abs. 1 S. 1 SGB II Einnahmen in Geld abzüglich der nach § 11b SGB II abzusetzenden Beträge mit Ausnahme der in § 11a SGB II genannten Einnahmen sowie Einnahmen, die nach anderen Vorschriften des Bundesrechts nicht als Einkommen im Sinne dieses Buches zu berücksichtigen sind.

Beispiel:

§ 13 Abs. 5 SGB XI oder § 18 Abs. 1 des Conterganstiftungsgesetz

Berücksichtigung von einmaligen Einnahmen (§ 11 Abs. 2 SGB II):

Einmalige Einnahmen wurden nach bis zum 30.06.2023 geltendem Recht in dem Monat berücksichtigt, in dem sie zufließen, beziehungsweise im Monat danach, wenn für den Monat des Zuflusses schon Leistungen erbracht wurden. Ist der Bedarf im Monat der Berücksichtigung gedeckt, wurde das einmalige Einkommen verteilt auf sechs Monate berücksichtigt.

Mit dem 01.07.2023 wurde dies umgestellt: Einmalige Einnahmen werden nur im Monat ihres Zuflusses als Einkommen berücksichtigt. Bedarfsübersteigende Beträge im Monat des Zuflusses werden nicht mehr als Einkommen berücksichtigt. Sie werden im Folgemonat dem Vermögen zugeschlagen, was - wegen der Vermögensfreibeträge - in der Regel nur bei höheren einmaligen Einnahmen, beispielsweise aus Erbschaften, zu einem Wegfall des Leistungsanspruches führt.

In § 11a SGB II werden einzelnen Einkommensarten aufgeführt, die nicht zu berücksichtigen sind. Beispiele:

Aufwandsentschädigungen:

Aufwandsentschädigungen für ehrenamtliche Tätigkeiten beziehungsweise Einnahmen aus nebenberuflichen Tätigkeiten unterliegen nach § 3 EStG einer steuerlichen Privilegierung von bis zu 3.000,00 EUR jährlich, unabhängig davon, ob die Entschädigung monatlich wiederkehrend oder als einmalige Leistung gezahlt wird. 

Einnahmen von Schülern während der Schulferien (§ 11a Abs. 7 SGB II):

Durch das Erzielen von Einkommen aus einer in den Schulferien ausgeübten Erwerbstätigkeit können sich leistungsberechtigte Schüler Wünsche, die auf Grund der Hilfebedürftigkeit der Eltern nicht umsetzbar sind, selbstbestimmt durch eigene Arbeitsleistung erfüllen. Dies wird durch die Nichtberücksichtigung dieses Einkommens unterstützt.

Zum 01.07.2023 wurde der bisherige Höchstbetrag der Einkünfte gestrichen. Es muss nunmehr lediglich geprüft werden, ob die Beschäftigung während der Ferienzeiten ausgeübt wurde. Der Zeitpunkt des Zuflusses des Einkommens aus solchen Tätigkeiten ist nicht entscheidend. Ebenso entfiel das Herausrechnen von sogenannten "Taschengeldjobs" (Einkommen, das monatlich unter dem Grundabsetzbetrag von 100,00 EUR monatlich liegt) sowie die Differenzberechnung bei Überschreiten des Betrages.

Erbschaften:

Neu zum 01.07.2023 wurde mit § 11 Abs. 1 Nr. 7 SGB II eingeführt, dass Erbschaften eines Leistungsberechtigten nicht zu berücksichtigen sind.

§ 11b SGB III regelt, wie das zu berücksichtigende Einkommen zu berechnen ist bzw. welche Positionen absetzbar sind.

3. Berücksichtigung von Vermögen

Grundsätzlich sind gemäß § 12 Abs. 1 S. 1 SGB II alle verwertbaren Vermögensgegenstände als Vermögen zu berücksichtigen. Aber von diesem Grundsatz gibt es Ausnahmen: Zum 01.01.2023 wurden die Regelungen zum zu berücksichtigenden Vermögen neu geregelt. Dabei sind drei Sachverhalte zu unterscheiden:

  • Vermögensgegenstände, die immer vollständig von der Vermögensberücksichtigung ausgenommen werden (§ 12 Abs. 1 S. 2 Nrn. 1 -7 SGB II), so insbesondere:

    • Angemessenes Kraftfahrzeug:

      Es wird nur ein Kraftfahrzeug für jede erwerbsfähige Person der Bedarfsgemeinschaft anerkannt. Seit dem 01.01.2023 wird die Angemessenheit vermutet, wenn die Antragstellerin oder der Antragsteller dies im Antrag erklärt.

    • Hausgrundstück / Eigentumswohnung von angemessener Größe:

      Nicht zu berücksichtigen sind ein selbst genutztes Hausgrundstück mit einer Wohnfläche von bis zu 140 Quadratmetern oder eine selbst genutzte Eigentumswohnung von bis zu 130 Quadratmetern. Bewohnen mehr als vier Personen das Hausgrundstück beziehungsweise die Eigentumswohnung, erhöht sich die maßgebende Wohnfläche um jeweils 20 Quadratmeter für jede weitere Person. Höhere Wohnflächen sind zudem anzuerkennen, sofern die Berücksichtigung als Vermögen eine besondere Härte bedeuten würde.

      Auf die Festlegung einer Angemessenheitsgrenze bezogen auf die Grundstücksfläche wird dabei nach der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 20/3873) verzichtet, weil sich angesichts der bundesweiten Unterschiede etwa zwischen innerstädtisch und ländlich gelegenen Grundstücken keine einheitlichen Maßstäbe finden lassen. Aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung bleibt es daher bei der Wohnfläche als alleinigem Angemessenheitskriterium. Auch der tatsächliche Wert einer Immobilie wird nicht in die Betrachtung einbezogen.

    • Vermögen, solange es nachweislich zur baldigen Beschaffung oder Erhaltung eines Hausgrundstücks oder einer Eigentumswohnung von angemessener Größe bestimmt ist, und das Hausgrundstück oder die Eigentumswohnung Menschen mit Behinderungen oder pflegebedürftigen Menschen zu Wohnzwecken dient oder dienen soll und dieser Zweck durch den Einsatz oder die Verwertung des Vermögens gefährdet würde.

    • Sachen und Rechte, soweit ihre Verwertung für den Betroffenen eine besondere Härte bedeuten würde.

  • Zu berücksichtigendes Vermögen während der Karenzzeit ab Beginn der Hilfebedürftigkeit (§ 12 Abs. 3 und 4 SGB II):

    Mit Beginn der Hilfebedürftigkeit beginnt die sogenannte Karenzzeit, in der Vermögen nur berücksichtigt wird, wenn es erheblich ist.

    Wann das Vermögen als erheblich anzusehen ist, wird in § 12 Abs. 4 SGB II vorgegeben: Erheblich ist ein Vermögen, wenn es in der Summe 40.000,00 EUR für die leistungsberechtigte Person sowie 15.000,00 EUR für jede weitere mit dieser in Bedarfsgemeinschaft lebende Person übersteigt. Eine Übertragung nicht ausgenutzter Beträge zwischen den Personen in der Bedarfsgemeinschaft ist möglich.

    Die Karenzzeit beträgt ein Jahr ab Beginn des Monats, für den erstmals Leistungen bezogen werden.

    Unterbrechungen des Leistungsbezugs führen nach Satz 3 zu einer Verlängerung der Karenzzeit; ansonsten könnte eine kalendermäßig ablaufende Karenzzeit eine Hürde für die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit darstellen. Eine neue Karenzzeit beginnt, wenn mindestens drei Jahre keine Leistungen nach dem SGB II oder dem SGB XII bezogen wurden.

  • Zu berücksichtigendes Vermögen nach der Karenzzeit (§ 12 Abs. 2 SGB II):

    Nach der Karenzzeit gilt - abgesehen von dem oben aufgeführten nie zu berücksichtigenden Vermögenswerten - ein Freibetrag in Höhe von 15.000,00 EUR je Person in der Bedarfsgemeinschaft.

    Übersteigt das Vermögen einer Person in der Bedarfsgemeinschaft den Betrag nach Satz 1, sind nicht ausgeschöpfte Freibeträge der anderen Personen in der Bedarfsgemeinschaft auf diese Person zu übertragen. Der Freibetrag wird unabhängig vom Lebensalter eingeräumt.

4. Abgrenzung Einkommen - Vermögen

Das Bundessozialgericht hat zur Abgrenzung von Einkommen und Vermögen Stellung genommen (BSG 08.05.2019 - B 14 AS 15/18 R):

"Die Abgrenzung von Einkommen und Vermögen bestimmt sich nach der modifizierten Zuflusstheorie. Danach ist Einkommen iS des § 11 Abs 1 Satz 1 SGB II grundsätzlich alles das, was jemand nach der Antragstellung wertmäßig dazu erhält, und Vermögen im Sinne des § 12 Abs 1 SGB II das, was jemand vor der Antragstellung bereits hatte, wobei auszugehen ist vom Zeitpunkt des tatsächlichen Zuflusses, es sei denn, rechtlich wird ein anderer Zeitpunkt als maßgeblich bestimmt (...). Abzustellen ist dabei auf die erste Antragstellung des laufenden Leistungsfalls (...). Ein solcher rechtlich maßgeblicher Zufluss liegt bei einem Erbfall vor, weil nach § 1922 Abs 1 BGB mit dem Tod einer Person deren Vermögen als Ganzes auf die Erben übergeht (Gesamtrechtsnachfolge). Bereits ab diesem Zeitpunkt kann ein Erbe aufgrund seiner durch den Erbfall erlangten Position über seinen Anteil am Nachlass verfügen und diesen z.B. nach § 2371 BGB verkaufen. Diese Besonderheiten der Gesamtrechtsnachfolge im BGB sind für die Abgrenzung von Einkommen und Vermögen nach dem SGB II zu beachten.

5. Schutz des Altersvorsorge-Vermögens

Arbeitnehmer sollen davor geschützt werden, dass die Gewährung von Bürgergeld nicht an ihrem zu hohem Altersvorsorgevermögen scheitert:

Die Regelungen zur Berücksichtigung von Vermögen bei der Bedürftigkeitsprüfung wurden im Zusammenhang mit der Einführung des Bürgergeldes neu gefasst und entbürokratisiert:

Grundsätzlich sind gemäß § 12 Abs. 1 SGB II alle verwertbaren Vermögen aller in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen zu berücksichtigen, wobei die in § 12 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 und 4 SGB II aufgeführten Ausnahmen bestehen.

Altersvorsorge-Ausnahme in Nr. 3:

Berücksichtigt werden nicht alle für die Altersvorsorge bestimmte Versicherungsverträge. Zudem ebenfalls nicht andere Formen der Altersvorsorge, wenn sie nach Bundesrecht ausdrücklich als Altersvorsorge gefördert werden:

Die Gesetzesbegründung (BT-Drs. 20/3873) sagt dazu:

"Sofern Bürgergeldberechtigte für ihre Altersvorsorge Versicherungsverträge abgeschlossen haben, ist es nicht zweckmäßig, dass diese wegen einer möglicherweise nur vorübergehenden Phase des Leistungsbezugs aufgelöst werden. Zudem kann ihre Verwertung in Einzelfällen unwirtschaftlich sein. Deshalb wird neu geregelt, dass für die Altersvorsorge bestimmte Versicherungsverträge künftig vollständig von der Vermögensberücksichtigung ausgenommen werden. Dazu gehören auch alle Versicherungsverträge in der nach Bundesrecht ausdrücklich geförderten Altersvorsorge ("Riester"). In dieser kann es zudem auch andere Formen als Versicherungsverträge geben (zum Beispiel Banksparpläne). Auch diese sind vollständig geschützt.

Altersvorsorge-Ausnahme in Nr. 4:

Berücksichtigt werden auch nicht weitere Vermögensgegenstände, die unabhängig von der Anlageform als für die Altersvorsorge bestimmt bezeichnet werden.

Die Gesetzesbegründung (BT-Drs. 20/3873) sagt dazu:

"Nummer 4 übernimmt ebenfalls ein Element aus der Praxis der Jobcenter während der Geltung des vereinfachten Zugangs. Selbständige unterliegen nicht in jedem Fall der Pflicht, Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung oder einer entsprechenden öffentlich-rechtlichen Versicherungseinrichtung oder Versorgungseinrichtung ihrer Berufsgruppe, zum Beispiel einem Versorgungswerk für freie Berufe, zu leisten. Soweit sich hauptberuflich Selbständige nicht freiwillig in den genannten Systemen versichern, besteht keine verlässliche Alterssicherung in diesem Sinne und es werden keine Beiträge entrichtet. Daher sind diese Selbständigen gehalten, auf anderem Weg für ihr Alter vorzusorgen. Sofern diese Selbständigen für ihr Alter im Rahmen von Versicherungsverträgen oder anderen nach Bundesrecht geförderten Altersvorsorgeanlagen vorsorgen, greift der Schutz nach Nummer 3. In der Praxis hat sich aber gezeigt, dass Selbständige häufig andere Formen der Altersvorsorge wählen (insbesondere Fondssparpläne, Wertpapierdepots oder Bargeld). Um hier für einen angemessenen Ausgleich zu sorgen, wird für diese Personengruppe die Möglichkeit geschaffen, Altersvorsorgevermögen in angemessener Höhe unabhängig von der Anlageform zu schützen.

Als angemessen wird ein Betrag angesehen, der sich an der Beitragszahlung zur allgemeinen Rentenversicherung bei einem Verdienst in Höhe des Durchschnittsentgelts orientiert. Dazu wird auf den im Zeitpunkt der Antragsstellung gültigen Beitragssatz zur allgemeinen Rentenversicherung und das letzte verfügbare endgültige Durchschnittsentgelt nach Anlage 1 des Sechsten Buches abgestellt. Der sich ergebende Betrag wird auf den nächsten durch 500 teilbaren Betrag aufgerundet.

Für das Jahr 2023 ergibt sich damit auf Grundlage der aktuell vorliegenden (noch vorläufigen) Daten ein Betrag von 8.000 EUR. Die Berechnungsgrundlage hat sich während des vereinfachten Zugangs bewährt und wird in die gesetzliche Regelung überführt. Es gilt für alle hauptberuflich Selbständigen eine einheitliche Regelung."​

 Siehe auch 

Bürgergeld

Bürgergeld - Sanktionen

Estelmann: SGB II. Kommentar; 1. Auflage 2023

Fischer: Medizinische Untersuchungen zur Prüfung der Leistungsvoraussetzungen für Arbeitslosengeld II; Neue Zeitschrift für Sozialgeld - NZS 2021,537

Groth/Güssow: Änderungen des SGB II im Überblick - das neue Bürgergeld; Neue Juristische Wochenschrift - NJW 2023, 184