OLG Hamm: Autofahrer haftet für abgeschnalltes Kind

Zivilrecht, Prozess und Zwangsvollstreckung
06.01.20141506 Mal gelesen
Reichweite der besonderen Fürsorgepflicht während der Autofahrt: Autofahrer unterliegen im Straßenverkehr einem besonderen Sorgfaltspflichtmaßstab gegenüber den Beifahrern.

Dazu gehört laut OLG Hamm (AZ 5 RBs 153/13) auch eine während der gesamten Fahrt fortdauernde Kontrollpflicht, ob die im Auto sitzenden Kinder den Sicherheitsgurt nicht abgelegt haben. Schnallt das Kind sich unbemerkt ab, so haftet der Fahrer für die Verletzung seiner verkehrsrechtlichen Fürsorgepflicht. Gegen ihn kann ein Bußgeld in Höhe von 40,- ? verhängt werden.

Das Kind schnallt sich während der Fahrt unbemerkt ab

Dem jüngsten Beschluss des OLG Hamm vom 05.11.2013 (AZ 5 RBs 153/13) lag folgender Fall zugrunde: Bei einer Verkehrskontrolle wurde festgestellt, dass die vierjährige Tochter des Fahrers den Sicherheitsgurt in ihrem Kindersitz abgelegt hatte. Der Fahrer führte an, dass das Kind sich während der Fahrt unbemerkt abgeschnallt hat. Dabei hatte das Mädchen bis dahin noch nie selbständig den Sicherheitsgurt ablegt. Dennoch wurde gegen den Vater ein Bußgeld in Höhe von 40 Euro erhoben.

OLG Hamm:  Fahrer muss kontrollieren oder für eine Begleitperson sorgen

Das OLG Hamm bestätigte die Verurteilung des Fahrers zur Zahlung des Bußgeldes durch die Vorinstanz des AG Marl. Die Autofahrer tragen Sorge für die Sicherheit der Kleinkinder während der gesamten Fahrt. Demnach muss der Fahrer im Laufe der Fahrt kontrollieren, ob der Sicherheitsgurt des Kindes angelegt bleibt, und kann sich nicht darauf berufen, dass er das Ablegen des Gurtes durch das Kind nicht bemerkt hat. Sofern der Fahrer eine dauerhafte Kontrolle des Kindes während der gesamten Fahrt nicht bewältigen kann, muss er nach Ansicht der Berufungsinstanz für eine Begleitperson sorgen.

Lebensfremder Sorgepflichtmaßstab vs. nachlässige Schutzbehauptung

Bedenkt man die Reichweite des vom OLG Hamm angesetzten Sorgfaltspflichtmaßstabes, so kommt man schnell zu dem Fazit, dass dieser kaum einzuhalten ist. Schließlich kann einem auf den Straßenverkehr konzentrierten Fahrer nicht eine ununterbrochene Beobachtung des auf der Rückbank sitzenden Kindes zugemutet werden. Dies gilt vor allem für die Fahrten im intensiven Berufsverkehr oder für Autobahnfahrten. Ein durch die ständige Kontrolle abgelenkter Fahrer würde eine Gefahr für die anderen Teilnehmer des Straßenverkehrs darstellen. Der Einsatz einer Begleitperson als Alternative zur geforderten selbständigen Kontrolle stellt zumeist kein realisierbares Alternativverhalten dar.  Eine Begleitperson kann während längerer Fahrten das unbemerkte Ablegen des Sicherheitsgurtes durch das Kind auch nicht mit Sicherheit ausschließen. Außerdem führt eine Pflicht zur Mitnahme einer Begleitperson zu einer überhöhten Belastung von alleinerziehenden Elternteilen. Schließlich kann eine Begleitperson nicht problemlos für jeden erforderlichen Arzt-,  Kindergarten- oder Großelternbesuch  organisiert werden.

Auf der anderen Seite muss man die Entscheidung des OLG Hamm als eine solche im Sinne der Sicherheit von Kleinkindern verstehen. Demnach mag das Gericht eine mögliche Schutzbehauptung nachlässiger Elternteile bzw. Aufsichtspersonen, das Abschnallen während der Fahrt geschah unbemerkt, vorbeugend entkräften.

Ob allerdings eine a priori Einstufung sämtlicher Fahrer als potentiell unsorgfältige Aufsichtspersonen im Wege der Auferlegung untragbarer Fürsorgepflichten der richtige Lösungsweg ist, mag angezweifelt werden.

   

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