Verbraucher oder Unternehmer? - Abgrenzungskriterien des BGH

Wirtschaft und Gewerbe
10.02.201012145 Mal gelesen

Ob eine Person beim Abschluß eines Rechtsgeschäfts, beispielsweise eines Vertrags, als Verbraucher oder als Unternehmer eingestuft wird, ist in rechtlicher Hinsicht von zentraler Bedeutung, da im ersten Fall diverse Verbraucherschutzvorschriften greifen, im zweiten Fall nicht. Verwiesen sei in dem Zusammenhang nur auf die Verbraucherschutzvorschriften zu Allgemeinen Geschäftsbedingungen (§§ 305 ff, § 310 BGB) oder auf die Vorschriften über den Verbrauchsgüterkauf (§§ 474 ff BGB) sowie auf die Widerrufsrechte des Verbrauchers bei Haustürgeschäften (§ 312 BGB) oder Fernabsatzverträgen (§ 312 b BGB). Die Rechtsprechung und Literatur zur Abgrenzung ist vielfältig; schwierig wird es dann, wenn Anhaltspunkte sowohl für die Verbraucher - als auch die Unternehmereigenschaft vorliegen.

Mit dieser Problematik hat sich der Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 30.9.2009 (AZ: VIII ZR 7/09) auseinandergesetzt und hierbei Abgrenzungskriterien entwickelt.

I. Bestimmung der Verbrauchereigenschaft

Verbraucher ist gem. § 13 BGB "jede natürliche Person, die ein Rechtsgeschäft zu einem Zweck abschließt, der weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden kann". Dementsprechend definiert § 14 BGB den Unternehmer als "eine natürlich oder juristische Person oder eine rechtsfähige Personengesellschaft, die bei Abschluß eines Rechtsgeschäfts in Ausübung ihrer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit handelt". Während in der Literatur kontrovers darüber diskutiert wird, ob für die Abgrenzung von Verbraucher- und Unternehmerhandeln allein objektiv auf den von der handelnden Person verfolgten Zweck abzustellen ist oder ob es für die Zurechnung des Handelns auf die dem Vertragspartner erkennbaren objektiven Umstände ankommt, hat der BGH diese Frage offengelassen und statt dessen folgende Kriterien aufgestellt:

  • Das  rechtsgeschäftliche Handeln einer natürlichen Person ist grundsätzlich als Verbraucherhandeln anzusehen.
  • Nur wenn Umstände vorliegen, nach denen das Handeln einer natürlichen Person aus der Sicht des anderen Teils eindeutig und zweifelsfrei einer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit zuzurechnen ist, liegt kein Verbraucherhandeln vor.
  • Verbleibende Zweifel, welcher Sphäre das konkrete Handeln zuzuordnen ist, sind zugunsten der Verbrauchereigenschaft zu entscheiden.
  • Die Darlegungs- und Beweislast dafür, daß nach dem von ihm objektiv verfolgten Zweck ein seinem privaten Rechtskreis zuzuordnendes Rechtsgeschäft vorliegt, trägt der Verbraucher.

Der BGH verneint damit bei einem Vertragsabschluß mit einer natürlichen Person das Vorliegen der Verbrauchereigenschaft nur dann, wenn Umstände vorliegen, nach denen das Handeln aus der Sicht des anderen Vertragspartners eindeutig und zweifelsfrei einer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit zuzurechnen ist.

In dem der Entscheidung des BGH zugrunde liegenden Fall hatte eine Rechtsanwältin Lampen im Internet bestellt, die für ihre private Wohnung bestimmt waren. Als Liefer- und Rechnungsadresse gab die Käuferin die Kanzlei an, in der sie tätig war. In der Folgezeit widerrief die Käuferin den Kauf unter Berufung auf ihr gesetzliches Widerrufsrecht als Verbraucherin. Während das erstinstanzliche Gericht zum Ergebnis kam, daß die Käuferin als Verbraucherin handelte und damit auf der Grundlage des gesetzlichen Widerrufsrechts des Verbrauchers vom Vertrag zurücktreten konnte, verneinte das Berufungsgericht, daß die Käuferin als Verbraucherin i.S.d. § 13 BGB gehandelt habe. Ob ein Verbraucherhandeln vorliege, so das Berufungsgericht, sei nach dem objektiven Empfängerhorizont zur Zeit des Vertragsabschlusses zu beurteilen. Stelle man auf den objektiven Empfängerhorizont ab, könnten auch Ab-grenzungsprobleme bei sowohl für den privaten wie auch den geschäftlichen Bereich nutzbaren Wirtschaftsgütern vermieden werden. Im übrigen entspreche diese Auslegung auch den Allgemeinen Auslegungsgrundsätzen. Im hier vorliegenden Fall habe der Verkäufer das Auftreten der Käuferin objektiv gesehen so verstehen müssen, daß sie als Rechtsanwältin für frei-berufliche Zwecke gehandelt habe. Entscheidend hierfür sei, daß die Käuferin die Kanzleianschrift nicht nur als Lieferadresse sondern auch als Rechnungsadresse angegeben habe.

Der BGH kam unter Anwendung seiner oben dargestellten Grundsätze zu dem Ergebnis, daß die Käuferin bei Abschluß des Kaufvertrags als Verbraucherin gehandelt habe und hob die Entscheidung des Berufungsgerichts auf. Grundsätzlich sei das Handeln einer natürlicher Person als Verbraucherhandeln anzusehen. Die Angabe der Kanzleiadresse als Liefer- und Rechnungsadresse seien keine Umstände, nach denen das Handeln aus der Sicht des Ver-käufers eindeutig und zweifelsfrei einer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit zuzurechnen wäre. Aufgrund der damit verbliebenen Zweifel sei zugunsten der Verbrauchereigenschaft zu entscheiden.

II. "Scheinunternehmer" und "Scheinverbraucher"

Kein Verbraucherschutz besteht, wenn der Verbraucher vortäuscht, Unternehmen zu sein (BGH VIII ZR 91/04). Denn der Käufer bzw. Verkäufer, der bei Vertragsabschluß wahrheits-widrig ausdrücklich als Gewerbetreibender auftritt und dadurch einen gewerblichen Verwendungszweck vorspiegelt, in Wahrheit das Rechtsgeschäft aber als Verbraucher abschließt (sog. "Scheinunternehmer"), ist nicht schutzwürdig. Eine spätere Berufung auf die ihn begünstigenden Vorschriften des Verbrauchsgüterkaufs ist deshalb nach den Grundsätzen von Treu und Glauben verwehrt.

Ebensowenig schutzwürdig ist ein Unternehmer, der sich als Verbraucher ausgibt (sog. "Scheinverbraucher"), obwohl er das in Rede stehende Rechtsgeschäft in Ausübung seiner gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit abschließt.  Er muß sich aufgrund des tatsächlichen Geschäftszwecks als Unternehmer behandeln lassen und kann sich somit nicht auf Verbraucherschutzvorschriften berufen.

III. Auswirkungen auf die Praxis

Die Rechtsprechung des BGH führt in Zweifelsfällen zur Qualifizierung des Vertragspartners als Verbraucher und damit zur Geltung der Verbraucherrechte. Der Unternehmer kann sich bei Vertragsabschlüssen mit natürlichen Personen vor der Überraschung, daß sein Vertragspartner den Geschäftsabschluß nicht als Unternehmer sondern als Verbraucher tätigt, nur dadurch schützen, daß er diese Frage vor Vertragsabschluß ausdrücklich klärt. Bei Vertragsabschlüssen über Internet kann ein Login-System hilfreich sein, bei dem sich der Vertragspartner zwingend dazu äußern muß, ob er das Geschäft als Verbraucher oder Unternehmer tätigt.