Abgasskandal, Fahrverbote – Konzept der Bundesregierung ist Mogelpackung

Verbraucherschutz
02.10.201828 Mal gelesen
Abgasskandal, Fahrverbote – Konzept der Bundesregierung ist Mogelpackung, Anwälte raten dringend zur Klage bevor Ansprüche gegen VW verjähren

Die Bundesregierung hat am 02.10.2018 in einer Pressekonferenz ihr Konzept zur Vermeidung von Dieselfahrverboten vorgestellt. Die Bundesregierung ist davon überzeugt, dass damit den Verbrauchern geholfen ist. Dargestellt wird das Konzept als der große Wurf für Verbraucher zur Vermeidung von Fahrverboten. Betrachtet man sich das Konzept jedoch genauer, handelt es sich um eine reine Mogelpackung, die den Verbrauchern nicht weiterhilft, sondern sie noch mehr verunsichert und weitere Gefahren für diese mit sich bringt. Das Einzige, was VW-Geschädigten jetzt noch hilft, ist die Einreichung einer Klage vor Ablauf einer möglichen Verjährung Ende 2018.

Das Konzept sieht das Folgende vor:

1.  Umtauschprämie

Das Konzept sieht vor, dass die deutschen Hersteller Besitzern von Euro 4 und Euro 5 Fahrzeugen in einem Umtauschprogramm attraktive Umtauschprämien oder Rabatte anbieten, damit diese sich ein "sauberes" Fahrzeug kaufen. Dies soll auch bei dem Erwerb von einem Gebrauchtwagen gelten.

2. Kritik an der Umtauschprämie

Bei diesen Umtauschprämien handelt es sich um kein neues Konzept. Der Automobilexperte Ferdinand Dudenhöfer teilt in einem Interview mit dem Deutschlandfunk dazu mit:

"Es ist eine langweilige Nachricht, denn Umtauschprämien gibt es ja schon seit mehr als zwölf Monaten, bis zu 10.000 Euro von VW. Das heißt, die alten Fahrzeuge sind schon längst abgefischt. Das sind so um die 200.000 Fahrzeuge, die umgetauscht worden sind. Neuere Fahrzeuge jetzt mit Umtauschprämien noch einmal zu den Händlern zu bringen, und die Händler überlegen, wie sie die dann verkaufen können, weil unter Umständen keine Hardware-Nachrüstung möglich ist - das sind Dinge, die sind wirklich auf sehr dünnem Boden gestrickt. Nach meiner Einschätzung bringen diese Tauschangebote nur überschaubare Wirkungen."

Es ist ohnehin die Frage, ob diese Umtauschprämien tatsächlich derart vorteilhaft sind, wie es scheint. Die Frage ist noch immer, wie errechnet sich die Umtauschprämie? Gibt es diese zusätzlich zu dem Verkehrswert des Fahrzeugs? Wie wird der Verkehrswert des Fahrzeugs überhaupt bestimmt? Gibt es dann überhaupt noch die hohen Rabatte, die Hersteller üblicherweise gewähren, zusätzlich? Es ist kaum zu erwarten, dass die Automobilindustrie die Fahrzeuge zum Selbstkostenpreis hergibt und keine Gewinne mehr daran verdient. Die Umtauschprämien gibt es außerdem schon seit längerem, was nicht dazu geführt hat, dass die Kunden ausreichend entschädigt wurden. Das Konzept scheint vielmehr ein Konjunkturprogramm für die Automobilindustrie zu sein, damit diese neue Fahrzeuge verkaufen kann.

Alleine der Kauf eines Fahrzeugs mit der Euro Norm 6 bedeutet außerdem noch lange nicht, dass dadurch die Verbraucher vor Fahrverboten und Wertverlusten geschützt sind. In Focus online war am 28.09.2018 noch zu lesen, dass die Umweltministerin Schulze auch mit Fahrverboten für aktuelle Euro-6-Diesel rechnet. Dort heißt es:

"In einem Interview mit dem "Redaktionsnetzwerk Deutschland" (RND) stellt Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) nun allerdings selbst das Euro 6-Niveau infrage - und stellt stattdessen Fahrverbote auch für Euro 6-Diesel in Aussicht. "Es kann sein, dass der neue Euro6-Diesel auf der Straße auch nicht weniger Stickoxide ausstößt als der zurückgegebene Euro 4- oder Euro5-Diesel. Auf der sichereren Seite, was den Schutz vor Fahrverboten angeht, ist man nur mit dem neuesten Standard Euro 6d, der auch auf der Straße sauber ist", so Schulze im Interview mit dem RND."

Welchen Sinn soll der Erwerb eines neuen Modells haben, wenn auch hier später wieder Fahrverbote drohen. Kein Verbraucher kann sich sicher sein, dass er dann in den nächsten Jahren Ruhe hat und nicht erneut einen massiven Wertverlust bei seinem Fahrzeug erleidet. Die Verbraucher werden durch das Konzept noch mehr verunsichert und möglicherweise erneut zu einem Kauf eines Fahrzeugs getrieben, den sie dann in einigen Jahren wieder bereuen.

3. Hardwarenachrüstung

Die Bundesregierung möchte die Hersteller außerdem zu Hardwarenachrüstungen bewegen. Das Konzept sieht hier vor:

"Will ein betroffener Fahrzeughalter die Hardware-Nachru?stung seines Euro 5-Diesel-Fahrzeugs mit einem SCR-System (Harnstoff-Einspritzung/AdBlue®) und ist dieses verfu?gbar und geeignet, den Stickoxidausstoß auf weniger als 270 mg/km zu reduzieren, erwartet der Bund vom jeweiligen Automobilhersteller, dass er die Kosten hierfu?r einschließlich des Einbaus u?bernimmt. Der Bund wird die genehmigungsrechtlichen Voraussetzungen dafu?r schaffen, dass solche Systeme möglichst bald auf dem Markt verfu?gbar sein können. Die Haftung richtet sich nach den Regelungen fu?r das Werkvertragsrecht im Bu?rgerlichen Gesetzbuch. Damit tragen die Nachru?ster die Haftung."

4. Kritik an der Hardwarenachrüstung

Dieses Konzept ist reines Wunschdenken der Bundesregierung, jedoch kaum umsetzbar. Es ist völlig unklar, ob dieses Konzept technisch umsetzbar ist, wer es bezahlt und ob eine solche Nachrüstung massive Nachteile für das Fahrzeug mit sich bringt. Am Ende ist dann wieder der Verbraucher der Dumme, wenn er auf Kosten sitzen bleibt.

Der Verkehrsminister Scheuer teilt der auf der Pressekonferenz direkt mit: "Bei der Hardware-Nachrüstung müssen wir noch Gespräche führen, nicht nur auf der finanziellen Seite, sondern auch auf der technischen Seite."

Es handelt sich bei Hardwarenachrüstungen um reine Wünsche der Bundesregierung. Vor einigen Wochen wurden solche Nachrüstungen noch abgelehnt, weil sie technisch schwierig und mit Nachteilen für die Fahrzeuge verbunden seien. Wenige Wochen später sollen diese plötzlich möglich und notwendig sein. Hier widerspricht sich die Bundesregierung in grobem Maße und verunsichert die Verbraucher. Es ist völlig unklar, welche technischen nachteiligen Folgen die Umrüstung für die Fahrzeuge haben.

Erste Konzerne haben dem jedoch bereits eine Absage erteilt. Daimler sieht Nachrüstungen skeptisch und bevorzugt das Modell von Prämien. Opel lehnt das Konzept der Hardwarenachrüstungen ab, "da sie ökonomisch nicht sinnvoll und technologisch nicht ausgereift sind", teilte Opel am Dienstag in Rüsselsheim mit. Die WAZ online schreibt zu BMW: "Auch BMW lehnt Hardware-Nachrüstungen auf Unternehmenskosten ab. Die vorgeschlagene Nachrüstung alter Dieselautos mit weitereren Abgas-Filtern dauere zu lange. Sie könne Gewicht, Leistung, Verbrauch und CO2-Ausstoß des Autos verschlechtern. Dazu kämen noch Gewährleistungsfragen."

Unklar ist auch, wer eine mögliche Haftung für Schäden an den Fahrzeugen übernimmt. Am Ende sind möglicherweise wieder die Verbraucher die Dummen und bleiben auf tausenden Euro sitzen. Das ist nicht hinnehmbar.

5. Für VW Geschädigte kommt das Konzept zu spät, Verjährung droht

Rechtsanwalt Dr. Ralf Stoll von der Kanzlei Dr. Stoll & Sauer Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, der in einer Spezialgesellschaft den Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) in Kooperation mit dem ADAC im Rahmen der Musterfeststellungsklage gegen VW vertreten wird und bisher mehr als 6.500 Gerichtsverfahren im Abgasskandal führt, teilt mit: "Ende 2018 drohen die Ansprüche der Geschädigten des VW Abgasskandals zu verjähren. Das Konzept der Bundesregierung schafft mehr Unklarheiten, als es den Verbrauchern hilft. Das Konzept hat außerdem nichts mit den zivilrechtlichen Ansprüchen der Geschädigten zu tun, diese können weiterhin Schadensersatz verlangen. Geschädigte des Abgasskandals werden im Stich gelassen und Ihnen wird kurz vor Ablauf der Verjährung keine angemessene Lösung angeboten, sondern nur ein Wunschdenken der Bundesregierung. Sie sind daher weiterhin auf sich alleine gestellt und sollten dringend rechtliche Hilfe in Anspruch nehmen. Immer mehr Gerichte urteilen zugunsten der Geschädigten. Nur so ist es derzeit möglich, sich des manipulierten Fahrzeugs zu entledigen zu einem angemessenen Preis. Eine Klage lohnt sich in 99 % der Fälle, da der Rücknahmewert meist ganz erheblich über dem Marktwert liegt. Geschädigte sollten daher den Weg einer Klage wählen, bevor die Ansprüche gegen VW verjähren. Für rechtsschutzversicherte Geschädigte gibt es dafür den Weg der Einzelklage und für nicht rechtsschutzversicherte Geschädigte den Weg der Musterfeststellungsklage des Verbraucherzentrale Bundesverbandes in Kooperation mit dem ADAC, an der sich Verbraucher voraussichtlich ab Mitte November beteiligen können."