Großrazzia in der Fleischindustrie

23.09.202041 Mal gelesen
Nach Presseberichten finden seit dem Morgen des 23. September 2020 Durchsuchungen in 5 Bundesländern statt. Vorwurf: Illegales Einschleusen von Arbeitnehmern!

Nachdem die Fleischindustrie in der Corona-Zeit durch hohe Infektionszahlen in die Schlagzeilen geraten war, stehen nach Presseberichten seit dem frühen Morgen des 23. September 2020 wiederum Beteiligte dieser Branche im Visier der Strafverfolgungsbehörden. Danach finden in 5 Bundesländern parallel Durchsuchungen von Wohnungen und Betrieben statt. Es bestehe der Verdacht des illegalen Einschleusens von Arbeitskräften für die Fleischindustrie und der Urkundenfälschung. 800 Beamte seien im Einsatz.

Die Beschuldigten sollen Staatsangehörige aus Osteuropa mit gefälschten Dokumenten nach Deutschland geholt haben. Konkret sollen insbesondere ukrainische Staatsangehörige mit gefälschten rumänischen Identitätsnachweisen ausgestattet und an deutsche Firmen vermittelt worden sein.  

Der Hintergrund zu dem vorgeworfenen Modell ist recht schnell erklärt:

Staatsangehörige aus dem EU-Mitgliedstatt Rumänien besitzen seit dem 1.1.2014 einen uneingeschränkten Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt. Die Ukraine gehört (noch) nicht zur Europäischen Union. Staatsangehörige dürfen daher nur mit einer vor Arbeitsaufnahme erteilten Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis in Deutschland tätig werden.

Das Strafrecht sieht dafür über die §§ 95, 96 Aufenthaltsgesetz eine Mindeststrafe von 3 Monaten Freiheitsstrafe vor, im Falle von Gewerbsmäßigkeit oder als Mitglied einer Bande sogar eine Mindeststrafe von 6 Monaten Freiheitsstrafe, je Tat.

Nach den Presseberichten sind die ausländischen Staatsangehörigen als Leiharbeitnehmer an deutsche Unternehmen vermittelt worden. Dies ist dem Grunde nach ein zulässiger Vorgang, bei dem ein Unternehmen in Besitz einer behördlichen Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis eigene Arbeitnehmer an einen anderen Unternehmer zum dortigen Arbeitseinsatz überlässt. Ob die deutschen fleischverarbeitenden Unternehmen als Entleiher Kenntnis über die Identitätsfälschungen hatten und daher in strafrechtlicher Form an den Taten beteiligt sind, wird sich im Laufe der Ermittlungen erst noch ergeben müssen. Sollten die Ausweisdokumente einen hohen Fälschungsgrad haben, könnte es für die deutschen Unternehmen schwer gewesen sein, dies zu erkennen.

Allerdings könnte sich für die deutschen Unternehmen eine sozialversicherungsrechtliche Problematik ergeben. Eine Arbeitnehmerüberlassung ausländischer Staatsangehöriger kann rechtmäßig nur über die sog. Entsendung aus dem Ausland nach Deutschland erfolgen. Dazu hat die sozialversicherungsrechtliche Rechtsprechung eine Vielzahl von Anforderungen herausgearbeitet. Es ist davon auszugehen, dass in dem vorgeworfenen Modell zur Kostensenkung die Arbeitnehmer bei den Sozialversicherungsträgern in Rumänien gemeldet wurden, damit die Arbeitskräfte nicht der deutsche Sozialversicherung unterfallen. Sollte sich nunmehr herausstellen, dass die Voraussetzung der Entsendung nicht erfüllt sind, droht den deutschen Unternehmern demnächst auch ein Bescheid der Deutschen Rentenversicherung mit ganz erheblichen Nachforderungen. Denn dann fordert der deutsche Staat auf den Gesamtbetrag der Löhne Sozialversicherungsbeiträge nach.

Die deutschen Unternehmen tun also gut daran, insoweit eine kurzfristige Überprüfung vorzunehmen.