Die Verhängung eines Fahrverbotes in Bußgeldsachen kommt aus verschiedenen Gründen in Betracht:
- der Betroffene hat einen in § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1-4 der Bußgeldkatalogs-Verordnung (BKatV) genannten Tatbestand verwirklicht,
- der Betroffene hat in beharrlicher Art und Weise Pflichten eines Kraftfahrzeugführers verletzt (§ 4 Abs. 2 Satz 1 BKatV),
- der Betroffene innerhalb eines Jahres seit Rechtskraft der Entscheidung eine weitere Geschwindigkeitsüberschreitung von 26 km/h und mehr begeht (§ 4 Abs. 2 Satz 2 BKatV).
1. Der Tat wohnt nicht der erforderliche Erfolgsunwert inne, d.h., dass die Tat keine gesteigerte Gefährlichkeit aufweist.
OLG Karlsruhe, Beschl.v. 02.03.2004, 2 Ss 25/04 - Geschwindigkeitsbeschränkung zum Lärmschutz
OLG Hamm, Beschl.v. 18.03.2004, 3 Ss OWi 11/04 - Keine Bedeutung, dass der Zweck oder Anlass der Geschwindigkeitsbegrenzung nicht erkennbar ist
Absehen vom Fahrverbot:
OLG Celle, DAR 2003, 323 - Geschwindigkeitsbeschränkung wegen Rollsplitt, der zur Tatzeit nicht mehr vorhanden war.
2. Die Tat weist nicht den entsprechenden Handlungsunwert auf. Der Handlungsunwert ist gemindert, wenn dem Verstoß kein besonders nachlässiges, leichtsinniges oder gleichgültiges Verhalten zugrunde liegt. Hier greifen Angaben zur Konkretisierung des sog. Augenblicksversagens.
BayObLG, NZV, 1998, 212 - Übersehen des Ortseingangsschildes auch bei spärlich beleuchtetem Ortseingangsschild, wenn beginnende Bebauung zu erkennen ist
OLG Hamm, Beschl.v. 31.07.2003, 2 Ss OWi 474/03 - Übersehen der Geschwindigkeitsbegrenzung wegen Handynutzung
OLG Hamm, NZV 2002, 142 - Ablenkung durch Geschäftsgespräch
Absehen vom Fahrverbot:
OLG Rostock, NJW 2004, 2320, 2321 - ineinander übergehende Ortschaften, nachts, Ortseingangsschild steht nicht ausreichend ausgeleuchtet auf der rechten Seite.
BayObLG, Beschl.v. 22.10.2003, 2 ObOWi 551/03 - als Fußgänger die Tempo-30er-Zone betreten und als Fahrzeugführer verlassen; Tempobegrenzung muss als Fußgänger nicht beachtet werden
BayObLG, DAR 2004, 99, 100 - Geschwindigkeitsmessung unter Verletzung der Richtlinien der Bundesländer, Mindestabstand zum Ortseingangsschild
Absehen vom Fahrverbot:
OLG Köln, DAR 1956,131 - Fahrer hat Ladung verloren und wendet auf der Autobahn, um Ladung zu sichern, die sonst eine erhebliche Gefahr für andere darstellt
AG Weißenfels, DAR 1999, 468 - Taxifahrer in Sorge um einen kranken Fahrgast, den er schnellstmöglich einer ärztlichen Behandlung zuführen will
OLG Hamm, Beschl.v. 20.12.2004, 2 Ss OWi 808/04 - Arzt eilt zu schwer krankem Patienten zur Erste-Hilfe-Leistung
OLG Köln, NZV 2005, 595 - Erste-Hilfe-Leistung bei herzkrankem Patienten
Kein Absehen vom Fahrverbot:
OLG Hamm, NZV 1997, 446 - völliges Übersehen der Ampelanlage
BayObLG, NZV 2002, 517 - Übersehen des Rotlichts an belebter Kreuzung
OLG Hamm, Beschl.v. 06.09.2001, 3 Ss OWi 199/01 - Übersehen des Rotlichts infolge von Sonneneinstrahlung
Absehen vom Fahrverbot:
OLG Hamburg, NZV 1995, 163 - psychischer Druck durch Fahrgastes bei einem Taxifahrer (kritisch!)
OLG Hamm, Beschl.v. 13.08.2002, 2 Ss OWi 533/02 - Mitzieheffekt
OLG Düsseldorf, NZV 1995, 328 - Frühstarter
KG, NZV 2002, 50 - Mitzieheffekt
Die Übersicht zeigt vor allem, dass die Frage, ob von einem Fahrverbot abgesehen werden kann, eine Frage des EINZELFALLS ist. Eine gerechte Einzelfallentscheidung kann aber nur dann ergehen, wenn alle besonderen Merkmale des Einzelfalls hervorgehoben worden sind, so dass die Bußgeldstelle bzw. das Gericht erkennen können, dass es sich nicht um einen Vorgang unter vielen gleich gelagerten Fällen handelt.
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