Verstoß gegen das Sichtfahrgebot bei Dunkelheit begründet immer ein Mitverschulden!

Staat und Verwaltung
16.05.20072303 Mal gelesen

Verstößt ein Kraftfahrer bei Dunkelheit gegen das Sichtfahrgebot, haftet er auch dann teilweise für einen Verkehrsunfall, wenn dieser durch grob vorschriftswidriges Verhalten des Unfallgegners mitverursacht wurde.
Ein Rollerfahrer stieß bei Dunkelheit gegen einen unbeleuchteten auf einer Landstraße stehenden Anhänger. Der Rollerfahrer trug erhebliche Verletzungen davon.
Das Oberlandesgericht (OLG) Nürnberg verurteilte den Unfallgegner zum Ersatz des Schadens und zu einem Schmerzensgeld in Höhe von 70 Prozent. Eine weitergehende Zahlungspflicht verneinte es. Das OLG stellte fest, dass der Rollerfahrer unter den gegebenen Sichtverhältnissen zu schnell gefahren sei und daher gegen das Sichtfahrgebot verstoßen habe. Das Sichtfahrgebot verlangt von einem Kraftfahrer seine Geschwindigkeit zu jeder Zeit den äußeren Umständen anzupassen, um rechtzeitig vor einem Hindernis anhalten zu können. Ein Fahrzeugführer habe immer mit unbeleuchteten Hindernissen auf der Fahrbahn zu rechnen. Daher habe der Rollerfahrer nur so schnell fahren dürfen, dass er innerhalb der überschaubaren, durch Abblendlicht ausgeleuchteten Strecke auch noch vor einem unbeleuchteten Hindernis rechtzeitig hätte anhalten können. Hier war auf der Landstraße eine Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h zulässig, wobei die bauartliche maximale Geschwindigkeit des Rollers bei 50 km/h lag. Bei einer Geschwindigkeit von bis zu 25-30 km/h hätte der Rollerfahrer den Anhänger rechtzeitig gesehen und einen Zusammenstoß verhindern können. Ausnahmen vom Sichtfahrgebot würden nur für Hindernisse gelten, die auf Grund besonderer Umstände ungewöhnlich schwer zu erkennen seien. Dies war hier nicht der Fall. Obwohl das überwiegende Verschulden an dem Verkehrsunfall den Eigentümer des Anhängers trifft, ist dem Rollerfahrer ein Mitverschulden in Höhe von 30% wegen des Verstoßes gegen das Sichtfahrgebot anzurechnen.

OLG Nürnberg, 5 U 1921/06

    Der Autor RA Sven Skana ist Spezialist für Verkehrs-Unfallrecht sowie Spezialist für Führerscheinangelegenheiten. Er ist Partner in der Kanzlei Roscher, Johlige & Partner in Berlin-Charlottenburg, Kurfürstendamm 28, 10 719 Berlin, Tel: 030 - 886 81 505.