Arbeitslosengeld trotz gesundheitlicher Beeinträchtigung? - LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 27.06.2017 - L 11 KR 3513/16

Sozialrecht
16.07.2017165 Mal gelesen
Der Mensch muss sehen, dass er über die Runden kommt. Die meisten sind dabei auf den Einsatz ihrer Arbeitskraft angewiesen. Das hat schlimme Folgen, wenn die Gesundheit nicht mehr mitmacht. Dann zahlt die Krankenkasse Krankengeld - oder gibt es Arbeitslosengeld von der Arbeitsagentur?

Der Sachverhalt: Arbeitnehmer A. konnte wegen orthopädischer Beschwerden nicht mehr als Bestatter arbeiten. Sein Arbeitsverhältnis endete am 30. April, zum 1. Mai meldete er sich arbeitslos. Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen legte A. nicht mehr vor. Die Arbeitsagentur meinte nach einiger Zeit, A.'s Krankenkasse müsse ihr jetzt das gezahlte Arbeitslosengeld erstatten.

Das Problem: Wer krank ist, steht dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung. Eigentlich. Die Krankenkasse zahlt dann weiter Krankengeld. Bei A. war es nun so, dass er bloß in seinem Beruf als Bestatter nicht mehr arbeiten konnte, ansonsten vollschichtig leistungsfähig war. Das war auch wohl der Grund, warum er sich nicht weiter krankschreiben ließ - und die Krankenkasse entlastete.

Das Urteil: "Wer auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt arbeiten kann und will, ist nicht verpflichtet, Krankengeld zu beantragen, sondern kann sich arbeitslos melden und sich im Rahmen seiner Leistungsfähigkeit der Arbeitsvermittlung zur Verfügung stellen" (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 27.06.2017, L 11 KR 3513/16, Pressemitteilung).

Die Konsequenz: A.'s Krankenkasse braucht der Arbeitsagentur kein Arbeitslosengeld zu erstatten. Man achte auf die Feinheiten. Nur, weil ich in meinem eigentlichen Beruf nicht mehr arbeiten kann, heißt das nicht, dass ich für andere Tätigkeiten ebenfalls "arbeitsunfähig" bin. Die Praxis einiger Arbeitsagenturen, gesundheitlich herausgeforderte Antragsteller stumpf an die Krankenkasse zu verweisen, wird sich nun wohl oder übel ändern müssen.