Busunfall ohne Folgen - OLG Hamm, Beschlüsse vom 13.12.2017 u. 28.02.2018 - 11 U 57/17

Schmerzensgeldrecht
25.05.201874 Mal gelesen
Der öffentliche Personennahverkehr ist nicht jedermanns Sache. Die Busse und Bahnen haben häufig Verspätung. Das ganze Set ist gewöhnungsbedürftig: krakelende Mitfahrende, sperrige Mitbringsel, depressive Mitleidende - und dann gibt es noch rücksichtslose (?) Busfahrer ...

Der Sachverhalt: Die Schwerbehinderte S. zeigte beim Einsteigen in den Linienbus ihren Schwerbehindertenausweis mit Merkzeichen "G" vor und ging weiter in Richtung eines Platzes in Nähe des Ausstiegs. Fahrer F. schloss die Tür und fuhr an. S. kam zu Fall und zog sich einen Oberschenkelhalsbruch zu. Von F. und seinem Arbeitgeber verlangte sie unter anderem 11 500 Euro Schmerzensgeld.

Das Problem: Ein Fahrgast muss sich so verhalten, dass er nach dem Einsteigen schnell einen sicheren Platz oder Halt findet. Für Schwerbehinderte gibt es dazu im Einstiegsbereich extra Sitze. Ein Fahrer muss auf andere Verkehrsteilnehmer und äußere Fahrsignale achten - nicht auf jeden zugestiegenen Fahrgast. Es sei denn, er hat ihn besonders auf sich aufmerksam gemacht.

Die Entscheidung: "Der Fahrer eines Linienbusses darf den Bus nach dem Zustieg eines laut Schwerbehindertenausweis gehbehinderten Fahrgastes, dessen Einschränkung äußerlich nicht erkennbar ist, anfahren, bevor der Fahrgast seinen Sitzplatz eingenommen hat." Allein die Vorlage eines Schwerbehindertenausweises verpflichtet ihn nicht zu besonderer Rücksichtnahme (OLG Hamm, Beschlüsse vom 13.12.2017 und 28.02.2018, 11 U 57/17, Pressemitteilung).

Die Konsequenz: S. bekommt kein Schmerzensgeld. Das hat sie überrascht. Aber mal ehrlich: Kann man als Fahrer auf alles achten? Hätte S. den F. beim Einstieg darauf hingewiesen, dass er auf ihre Behinderung Rücksicht nehmen möchte, wäre alles anders gelaufen. So konnte man ihm keinen Vorwurf machen.

Die gesetzliche Regelung:

§ 254 BGBMitverschulden

(1) Hat bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Beschädigten mitgewirkt, so hängt die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist.

(2) Dies gilt auch dann, wenn sich das Verschulden des Beschädigten darauf beschränkt, dass er unterlassen hat, den Schuldner auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens aufmerksam zu machen, die der Schuldner weder kannte noch kennen musste, oder dass er unterlassen hat, den Schaden abzuwenden oder zu mindern. Die Vorschrift des § 278 findet entsprechende Anwendung.