Wussow - Informationen zum Versicherungs- und Haftpflichtrecht (Bsp. eines Beitrags aus dem Bereich des Schadensersatzrechts)

Schaden, Versicherung und Haftpflicht
01.03.2010810 Mal gelesen
Zur Schmerzensgeldbemessung bei hoher Querschnittslähmung anläßlich der Geburt eines Kindes. Schmerzensgeld in Höhe von EUR 300.000,00 und Schmerzensgeldrente von monatlich EUR 600,00 (Kapitalwert 160.000,00 EUR) (§§ 823, 847 BGB a.F.)

 

Grundlagen

 Leidet infolge eines schuldhaft herbeigeführten Verkehrsunfalls der in seinen geistigen Fähigkeiten uneingeschränkte, zum Zeitpunkt des Schadenereignisses dreieinhalb Jahre alte Geschädigte ab dem 1. Halswirbel abwärts an einer Querschnittslähmung, in deren Folge er auf Dauerpflege sowie den Dauereinsatz eines Beatmungsgerätes angewiesen ist und er nur noch über Laute oder mit den Augen mit seiner Umwelt kommunizieren kann, und leidet er weiter infolge innerer Verletzung dauerhaft an Schmerzen, kann nach einer Entscheidung des LG Kiel vom 11.07.2003 das angemessene Schmerzensgeld in einem Einmalbetrag von EUR 500.000,00 und einer zusätzlichen monatlichen Schmerzensgeldrente von EUR 500,00 bestehen (LG Kiel, VersR 2006, 279). In der Anmerkung zu diesem Urteil weist Jaeger (VersR 2006, 279) darauf hin, daß in dieser Entscheidung das bisher höchste zuerkannte Schmerzensgeld ausgeurteilt wurde und darüber hinaus das LG Kiel den Zyklus durchbrochen hat, wonach bis dahin ein schwerst hingeschädigt geborenes Kind ohne jegliche Empfindungen ein höheres Schmerzensgeld erhielt als ein Verletzter, der in jeder Phase seines Lebens unbeschreibliche Qualen leidet und der möglicherweise eine erheblich höhere Lebenserwartung hat (vgl. auch zur Entscheidung des LG Kiel Wussow, WI 2006, 86).


 

Aktuelles

Das OLG Nürnberg hat in einem Urteil vom 15.02.2008 (VersR 2009, 71) ein Schmerzensgeld in Höhe von EUR 460.000,00 sowie eine monatliche Schmerzensgeldrente in Höhe von EUR 600,00 (Kapitalwert EUR 160.000,00) bei hoher Querschnittslähmung wegen einer bei der Geburt erlittenen Halsmarkläsion zuerkannt. Der Senat weist auf eine Schwerstschädigung des mittlerweile 16 Jahre alten Geschädigten hin, wobei es sich jedoch nicht um die schwerstmögliche Beeinträchtigung handele. Der Geschädigte kann aufgrund seiner weitestgehenden Querschnittslähmung nicht sitzen und gehen. Er kann lediglich seine Arme bewegen, wobei die Feinmotorik der Hände aber nicht vorhanden ist. Er ist nicht in der Lage, sich auf natürliche Weise zu entleeren, leidet permanent unter Temperaturempfindungsstörungen und ist rund um die Uhr ? und dies auf Dauer ? auf die Hilfe dritter Personen angewiesen. Er leidet zunehmend auch psychisch unter seiner Schädigung. Das ausgeurteilte Gesamtschmerzensgeld (EUR 460.000,00) erscheine nach Ansicht des Senats auch unter Berücksichtigung der Entscheidungen anderer Gerichte in vergleichbaren Fällen angemessen. Auch der Senat sehe eine Tendenz der Rechtsprechung, in Schwerstschadensfällen Beträge zuzusprechen, die sich an EUR 500.000,00 annähern. Andererseits erscheinen derzeit höhere Schmerzensgeldbeträge (amerikanische Verhältnisse) nicht geeignet, der Ausgleichsfunktion des Schmerzensgeldes gerecht zu werden. Gesundheitliche Beeinträchtigungen, seien sie auch noch so gravierend, ließen sich auch mit höheren Schmerzensgeldbeträgen nicht ausgleichen; solche Beträge erscheinen daher auch unter Berücksichtigung der Interessen des Schädigers nicht angemessen.