Grundlagen
Liegen die Voraussetzungen eines Verzugs des Schuldners gemäß § 286 Abs. 1 ? 3 BGB vor, kommt der Schuldner gemäß § 286 Abs. 4 BGB nicht in Verzug, solange die Leistung infolge eines Umstands unterbleibt, den er nicht zu vertreten hat. Entschuldigungsgründe, die den Eintritt des Verzugs hindern, können unverschuldete tatsächliche Leistungshindernisse vorübergehender Natur wie z. B. eine schwere Krankheit des Schuldners, Unkenntnis der geänderten Anschrift des Gläubigers, aber auch unverschuldete rechtliche Leistungshindernisse vorübergehender Natur wie z. B. Einfuhrbeschränkungen und Beschränkungen im internationalen Zahlungsverkehr, befristetes Bauverbot, sein. Auch ein unverschuldeter Rechts- oder Tatsachenirrtum des Schuldners kann von den Folgen des Verzugs freistellen (vgl. Palandt, BGB, 68. Aufl. 2009, § 286 BGB, Rdnr. 32 ff.). An die Sorgfaltspflichten des Schuldners, insbesondere des Versicherers, für die von ihm geschuldete Versicherungsleistung sind strenge Anforderungen zu stellen. Bei einem Rechts- oder Tatsachenirrtum ist nicht ausreichend, daß sich der Schuldner seine Rechtsauffassung nach sorgfältiger Prüfung und sachgemäßer Beratung gebildet hat. Unverschuldet ist sein Irrtum nur, wenn der Schuldner nach sorgfältiger Prüfung der Sach- und Rechtslage mit einem Unterliegen im Rechtsstreit nicht zu rechnen braucht (BGH, VersR 1990, 153; r s 1991, 37; OLG Düsseldorf, VersR 2001, 885), wobei es auf die Umstände des Einzelfalls ankommt (Prölss/Martin, VVG, 27. Aufl., § 11 VVG, Rdnr. 19).
Aktuelles
Das OLG Koblenz hat in einem Urteil vom 16.11.2007 (VersR 2008, 1381) entschieden, der Versicherer einer Berufsunfähigkeitsversicherung gerate mit geschuldeten Rentenleistungen in Verzug, wenn seine Leistungsablehnung auf einem von ihm eingeholten wissenschaftlich unvertretbaren und schuldhaft falschenSachverständigengutachten beruht. Der Versicherer müsse sich die Leistung des Gutachters nach § 278 BGB zurechnen lassen. Der Versicherer könne sich in einem derartigen Fall nicht auf einen unverschuldeten Rechtsirrtum berufen mit der Begründung, er hätte gestützt auf das Gutachten davon ausgehen können, daß eine Berufsunfähigkeit des VN nicht vorliege. Von besonderer Bedeutung sei in diesem Zusammenhang, daß der Versicherer den Verzug dann verschuldet, wenn sich seine Deckungsablehnung bei objektiver Beurteilung nicht durch ausreichende Tatsachen stützen lasse, wobei er auch die Beweisbarkeit der von ihm behaupteten Tatsachen berücksichtigen müsse. Er kommt in Verzug, wenn er mit der Beweismöglichkeit nicht einigermaßen sicher habe rechnen können (Prölss/Martin, aaO, Rdnr. 18 f.). Umgekehrt gerate er aber auch dann in Verzug, wenn er aufgrund der vorliegenden Unterlagen damit rechnen müsse, daß dem VN der von diesem zu erbringende Nachweis für die Begründetheit seiner Ansprüche durchaus gelingen könne. Hiervon sei bereits dann auszugehen, wenn dem Versicherer im Zeitpunkt der Ablehnungsentscheidung einander widersprechende ärztliche Stellungnahmen vorliegen, ohne daß für ihn erkennbar war, daß die Stellungnahme des vom Versicherer beauftragten Arztes richtiger war als die Stellungnahme der den VN behandelnden Ärzte.
Aus der Entscheidung des OLG Koblenz (aaO) ist zu entnehmen, daß der Versicherer mit einer von ihm geschuldeten Versicherungsleistung (hier: Leistungen aus einer Berufsunfähigkeitsversicherung) bereits dann vertretbar in Verzug gerät, wenn ihm im Zeitpunkt seiner Leistungsablehnung im Hinblick auf die Voraussetzungen für die Leistungspflicht einander widersprechende ärztliche Stellungnahmen vorliegen, mithin eine zweifelhafte Sach- und Rechtslage vorliegt, bei welcher er in einem Rechtsstreit unterliegen könnte.