Versicherungsrecht | AGB-Kontrolle | Lebensversicherung – Zillmerung unzulässig

Versicherungsrecht | AGB-Kontrolle | Lebensversicherung – Zillmerung unzulässig
14.10.2012551 Mal gelesen
Anspruch auf Auszahlung des Rückkaufwertes (BGH Urteil vom 25.07.2012, IV ZR 201/10) – Zillmerung unzulässig

Bei Vertragsabschluss entstehen dem Versicherer einige Kosten, u.a. Abschlussprovision für die Vertragsvermittlung. Diese Kosten hat der Versicherer bei der  erforderlichen Berechnung der Deckungsrückstellung des Vertrags zu berücksichtigen. Die Berechnung erfolgte bis Ende 2007 regelmäßig nach dem Zillmer - Verfahren (Zillmerung), das ist eine Berechnungsformel, benannt nach dem Versicherungsmathematiker August Zillmer (1831-1893). Das Verfahren  findet üblicherweise bei traditionellen Lebens- und Krankenversicherungen seine Anwendung. Dabei wird ein pauschaler Ansatz der Beiträge über die gesamte Vertragslaufzeit vorgenommen. Das Vertragskonto weist deshalb am Anfang einen Negativsaldo auf, der erst durch die langfristigen, regelmäßigen Beiträge ausgeglichen werden kann. Das führt dazu, dass in der Regel im ersten Vertragsjahr überhaupt kein Rückkaufwert gebildet wird und in der Folgezeit ein zunächst sehr geringer.

Mit der neuen Entscheidung hat der BGH vom 25.07.2012 (AZ: IV ZR 201/10)  nunmehr das System der Zillmerung als solches als unwirksam angesehen, weil es den Versicherungsnehmer in seinen Rechten unangemessen benachteiligt- Verstoß gegen § 307 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 1 S. 1 BGB. Die Kapital-Lebensversicherung dient nicht lediglich der Absicherung des Todesfallrisikos, sondern - mindestens gleichrangig - der Kapitalanlage und Vermögensbildung (BVerfG NJW 2006, 1783 Rn. 65). Für die zahlenmäßig große Gruppe von Versicherungsnehmern, die von der beabsichtigten langfristigen Vertragsfortführung vorzeitig absehen müssen, wird dieser Vertragszweck aufgrund der ihnen auferlegten Abschlusskosten je nach Beendigungszeitpunkt unverhältnismäßig belastet oder vereitelt (BGH IV ZR 201/10, Rn. 27)

Der Versicherungsnehmer hat bei der vorzeitigen Beendigung von Lebens- und Rentenversicherungen einen Anspruch auf Auskunft und Auszahlung des Rückkaufwertes. Sofern Altverträge bereits gekündigt und abgewickelt sind, kann das Urteil eine Grundlage für Nachtforderungsansprüche der Versicherungsnehmer bieten. Wie hoch der Mindestrückkaufwert unter Berücksichtigung der neue Rechtsprechung des BGH ist und in welcher Höhe der Versicherer einen Stornoabzug durchgeführt hatten, können die Versicherungsnehmer nachfragen.  Auskunfts- und Zahlungsansprüche gegen die Versicherung verjähren insoweit innerhalb von drei Jahren ab Ende des Jahres in dem die Kündigung erklärt wurde. Solch ein  Anspruch gilt für sog. Altverträge von 2001 bis Ende 2007. Im Neugeschäft seit 1.01. 2008 werden üblicherweise Klauseln verwendet, die sich am reformierten VVG orientieren, namentlich an § 169 VVG- somit besteht keinen Anpassungsbedarf.

Ref. Iur und Dipl. Jur.(Univ.) Ewa Trochimiuk