Verweigerung der BU-Rente? BGH eröffnet neue Chancen bei Anzeigeobliegenheitsverletzung

Kapitalmarktrecht und Altersvorsorge
02.02.201832 Mal gelesen
Wer kennt es nicht: Die Versicherungsgesellschaft verweigert die Zahlung mit kreativen Begründungen. Besonders kritisch ist dieses, wenn der Versicherungsnehmer seiner beruflichen Tätigkeit nicht mehr nachgehen kann und daher auf die vertraglich vereinbarte Berufsunfähigkeitsrente angewiesen ist.

Wer kennt es nicht: Die Versicherungsgesellschaft verweigert die Zahlung mit kreativen Begründungen. Besonders kritisch ist dieses, wenn der Versicherungsnehmer seiner beruflichen Tätigkeit nicht mehr nachgehen kann und daher auf die vertraglich vereinbarte Berufsunfähigkeitsrente angewiesen ist. Häufig wird dabei das Argument gebracht, die Gesundheitsfragen seien falsch beantwortet worden, im Juristendeutsch: Es liege eine vorvertragliche Anzeigeobliegenheitsverletzung vor.

Auf Folgen der Anzeigeobliegenheitsverletzung nicht deutlich hingewiesen   

Der Bundesgerichtshof hat nun mit Beschluss vom 06.12.2017 - IV ZR 16/17 - die Rechte von Versicherungsnehmern, denen Leistungen aus einer Berufsunfähigkeitsversicherung mit der Begründung verweigert werden, sie hätten vor Vertragsabschluss fehlerhafte Angaben bei den Gesundheitsfragen gemacht bzw. relevante Tatsachen verschwiegen, deutlich gestärkt. Der Versicherer habe keinen Anspruch auf Vertragsanpassung, da der Versicherungsnehmer nicht durch gesonderte Mitteilung in Textform auf die Folgen der Anzeigeobliegenheitsverletzung hingewiesen worden sei. Die Belehrung war drucktechnisch nicht so gestaltet, das sie sich deutlich vom übrigen Text abhebt und vom Versicherungsnehmer nicht übersehen werden kann.

Der zugrunde liegende Fall

Der Entscheidung lag ein Fall zugrunde, in dem ein Versicherungsnehmer vor Abschluss einer Berufsunfähigkeitszusatzversicherung die konkrete, im Antragsformular enthaltene Frage des Versicherers, ob er in den letzten fünf Jahren vor Antragstellung aus gesundheitlichen Gründen durch Ärzte beraten oder untersucht worden sei, verneint hatte. Tatsächlich hatte der Versicherungsnehmer sieben Jahre vor Antragstellung eine Lungenembolie erlitten und sich im Nachgang etwa vier Jahre vor Antragstellung radiologisch nachuntersuchen lassen. Als der Versicherungsnehmer vier Jahre nach Abschluss des Versicherungsvertrages erneut eine Lungenembolie erlitt und Leistungen aus dem Versicherungsvertrag beantragte, verweigerte der Versicherer die beantragten Leistungen mit der Begründung, die Gesundheitsfragen seien unrichtig beantwortet worden. Dies berechtige ihn gemäß § 19 Abs. 4 S. 2 VVG zu einer rückwirkenden Vertragsanpassung und damit zur Aufnahme einer Ausschlussklausel in den Versicherungsvertrag, die unter anderem die vom Versicherungsnehmer zur Begründung seines Leistungsantrages angeführten Erkrankungen erfasse.

Der Bundesgerichtshof bestätigte die Urteile der beiden Vorinstanzen und kam ebenfalls zu dem Ergebnis, dass der Versicherer aufgrund eines Verstoßes gegen die Formvorschrift des § 19 Abs. 5 S. 1 VVG nicht von seiner Leistungspflicht frei geworden sei. Zwar sei in der vorliegenden Fallgestaltung eine rückwirkende Vertragsanpassung durch den Versicherer grundsätzlich möglich. Voraussetzung dafür sei jedoch, dass der Versicherer den Versicherungsnehmer bereits bei Antragstellung durch eine gesonderte Mitteilung in Textform auf die Folgen fehlerhafter Angaben bei den Gesundheitsfragen hingewiesen hat. Dieser Hinweispflicht komme der Versicherer nur dann genügend nach, wenn er - soweit er den Versicherungsnehmer nicht in einer von den sonstigen Erklärungen getrennten Urkunde belehrt - auf die Folgen einer Anzeigeobliegenheitsverletzung so drucktechnisch hervorgehoben hinweist, dass sich die Belehrung vom übrigen Text deutlich abhebt und so vom Versicherungsnehmer nicht übersehen werden kann. Diese Voraussetzungen sah der Bundesgerichtshof im konkreten Fall als nicht gegeben an.

Versicherungsnehmer, denen mit einer gleich- oder ähnlich lautender Begründung Leistungen aus der Berufsunfähigkeitsversicherung verweigert werden, können nach dieser Entscheidung des Bundesgerichtshofes wieder Hoffnung schöpfen.

"Dass es in Antragsformularen für Berufsunfähigkeitsversicherungen an einer drucktechnischen Hervorhebung der Belehrung mangelt, kommt häufig vor", erläutert Rechtsanwältin Dr. Petra Brockmann von HAHN Rechtsanwälte. "Die Anforderungen an die Belehrungspflichten der Versicherer sind streng, so dass sich oft noch Möglichkeiten ergeben, Versicherungsleistungen durchzusetzen", so Brockmann weiter.

HAHN Rechtsanwälte vertritt betroffene Versicherungsnehmer, die BU-Leistungen beanspruchen. Ansprechpartner sind Rechtsanwältin Dr. Petra Brockmann und Rechtsanwalt Oliver Becker.