Verhalten gegenüber Vorgesetzten gehört ins Zeugnis - LAG Düsseldorf, Urteil vom 29.11.2017 - 12 Sa 936/16

Individualarbeitsrecht Arbeitgeber
29.01.2018116 Mal gelesen
Der Arbeitgeber ist verpflichtet, seinen Arbeitnehmern bei Vertragsende ein Zeugnis zu erteilen. Die Beurteilung muss sich auf Verlangen der Arbeitnehmer auch auf Leistung und Verhalten erstrecken. Das Schreiben qualifizierter Zeugnisse ist jedoch für etliche Chefs eine Herausforderung.

Der Sachverhalt: Sekretärin S. hatte von ihrem Chef ein Zeugnis bekommen, das ihr nicht gefiel. Sie meinte, in ihr Zeugnis gehöre unbedingt die Bewertung des Verhaltens gegenüber ihren Vorgesetzten. Zudem müsse in den Satz "Dabei arbeitete sie stets sehr sorgfältig und zügig" noch das Wort "selbstständig" eingefügt werden - das sei in ihrer Branche "allgemeiner Zeugnisbrauch".

Das Problem: Zeugnisse müssen wahr und wohlwollend sein. Zwei Eigenschaften, die sich nicht immer decken. Ferner gilt der Grundsatz der Vollständigkeit. Fehlt etwas Wichtiges - zum Beispiel der Ehrlichkeitshinweis bei einem Kassierer - zieht der Zeugnisleser daraus gewisse Schlüsse. Und wenn tatsächlich ein Zeugnisbrauch besteht, kommen Abweichungen negativ rüber.

Das Urteil: Der von der Klägerin behauptete Brauch ließ sich nicht feststellen. Der Arbeitgeber brauchte daher das Wort "selbständig" nicht zu verwenden. Die Bewertung des Verhaltens gegenüber Vorgesetzten gehört dagegen zwingend in ein Zeugnis, sonst hinterlässt das beim Leser einen negativen Eindruck (LAG Düsseldorf, Urteil vom 29.11.2017, 12 Sa 936/16, Pressemitteilung).

Die Konsequenz: S. bekommt ein neues Zeugnis - wenn auch nicht mit allen gewünschten Änderungen. Ganz abgesehen davon war ihr Zeugnis mit der Gesamtnote "stets zu unserer vollsten Zufriedenheit" ein sehr gutes - für das sie sich eigentlich nicht zu schämen brauchte. Aber wie das so ist im Leben: Man muss nicht immer mit allem zufrieden sein, wenn man es noch optimieren kann.

Die BGB-Regelung - § 630:

"Bei der Beendigung eines dauernden Dienstverhältnisses kann der Verpflichtete von dem anderen Teil ein schriftliches Zeugnis über das Dienstverhältnis und dessen Dauer fordern. Das Zeugnis ist auf Verlangen auf die Leistungen und die Führung im Dienst zu erstrecken. Die Erteilung des Zeugnisses in elektronischer Form ist ausgeschlossen. Wenn der Verpflichtete ein Arbeitnehmer ist, findet § 109 der Gewerbeordnung Anwendung."

Die GewO-Regelung - § 109:

(1) Der Arbeitnehmer hat bei Beendigung eines Arbeitsverhältnisses Anspruch auf ein schriftliches Zeugnis. Das Zeugnis muss mindestens Angaben zu Art und Dauer der Tätigkeit (einfaches Zeugnis) enthalten. Der Arbeitnehmer kann verlangen, dass sich die Angaben darüber hinaus auf Leistung und Verhalten im Arbeitsverhältnis (qualifiziertes Zeugnis) erstrecken.
(2) Das Zeugnis muss klar und verständlich formuliert sein. Es darf keine Merkmale oder Formulierungen enthalten, die den Zweck haben, eine andere als aus der äußeren Form oder aus dem Wortlaut ersichtliche Aussage über den Arbeitnehmer zu treffen.
(3) Die Erteilung des Zeugnisses in elektronischer Form ist ausgeschlossen.