Anwendbares Recht im Arzthaftungsfall bei grenzüberschreitender medizinischer Behandlung Deutschland/Schweiz

Gesundheit Arzthaftung
11.06.2011734 Mal gelesen
Fraglich ist, welches Recht anwendbar ist, wenn die die Arzthaftung auslösende Handlung in der Schweiz vorgenommen worden ist.

Gem. Art. 41 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB ist auch auf das deliktische Schuldverhältnis Schweizer Recht anzuwenden. Nach dieser Vorschrift ergibt sich die wesentlich engere Verbindung "aus einer besonderen rechtlichen oder tatsächlichen Beziehung zwischen den Beteiligten im Zusammenhang mit dem Schuldverhältnis". Der Kläger hat mit dem Kantonsspital Basel einen Behandlungsvertrag abgeschlossen, in dessen Ausführung er vom Beklagten behandelt worden ist und der eine besondere rechtliche oder tatsächliche Beziehung zwischen den Beteiligten im Sinne des Kollisionsrechts begründet. Der Behandlungsvertrag mit dem Kantonsspital unterliegt nach Art. 27, 28 EGBGB Schweizer Recht (Art. 41 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB behandelt die akzessorische Anknüpfung als möglichen Anwendungsfall (Regelbeispiel) der allgemeinen Ausweichklausel. Der Grundsatz der akzessorischen Anknüpfung entspricht der kollisionsrechtlichen Gerechtigkeit: Danach ist möglichst der gesamte Lebenssachverhalt einer einheitlichen Rechtsordnung zu unterstellen und nicht in verschiedene Rechtsbeziehungen aufzusplittern, die jeweils unterschiedlichen Rechtsordnungen unterstehen. Platz für eine akzessorische Anknüpfung besteht dort, wo der Vertrag als Sonderordnung eines Gesamtsachverhalts Pflichten entwickelt, die auch allgemeine Verhaltenspflichten prägen, die deliktsrechtlich sanktioniert sind. Die akzessorische Anknüpfung vereinfacht die Rechtsanwendung, indem sie einen Gleichlauf konkurrierender Vertrags- und Deliktsansprüche bewirkt und mit einer klaren und einfachen Lösung schwierige nachträgliche Korrekturen vermeidet, die bei einer getrennten Anknüpfung unausweichlich wären. So macht die Unterstellung deliktischer Ansprüche unter das Statut des Sonderverhältnisses die Sonderanknüpfung von Teilfragen wie etwa Haftungsprivilegien überflüssig.

Dass der Behandlungsvertrag nicht zwischen den Parteien geschlossen wurde, steht der Annahme einer wesentlich engeren Verbindung gem. Art. 41 EGBGB nicht entgegen. Allerdings erfordert die akzessorische Anknüpfung grundsätzlich ein vertragliches oder sonstiges Rechtsverhältnis zwischen dem Schädiger und dem Geschädigten. Eine akzessorische Anknüpfung an ein Rechtsverhältnis, an welchem der Schädiger nicht beteiligt ist, ließe dessen kollisionsrechtliche Interessen von vornherein unbeachtet. Die Voraussetzung der Parteiidentität soll mithin der Beachtung des Verbotes von Verträgen zu Lasten Dritter auf der Ebene des Kollisionsrechts dienen und so die Chancengleichheit zwischen den Beteiligten wahren. Dabei ist zu berücksichtigen, dass dann, wenn die akzessorische Anknüpfung an eine besondere rechtliche Beziehung mangels Parteiidentität scheitert, gleichwohl eine akzessorische Anknüpfung an eine besondere tatsächliche Beziehung zwischen den Beteiligten in Betracht kommen kann

Nach diesen Grundsätzen kann die akzessorische Anknüpfung nicht an der fehlenden Parteiidentität beim Behandlungsvertrag scheitern. Wenn der Behandlungsvertrag mit dem Krankenhaus oder Spital geschlossen wird, muss die deliktische Haftung für ärztliches Handeln im Rahmen des Behandlungsverhältnisses, wozu auch die Aufklärungspflicht des Arztes gehört, sich nach der Rechtsordnung richten, die auch für den Behandlungsvertrag gilt. Im Grundsatz ist für Art. 41 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB anerkannt, dass Ansprüche aus Arzthaftung akzessorisch an den Behandlungs- bzw. Diagnosevertrag zwischen Arzt und Patient anzuknüpfen sind. Der Erstreckung der akzessorischen Anknüpfung bei einem Behandlungsvertrag mit einem Krankenhaus oder Spital auf die behandelnden Ärzte stehen auch deren kollisionsrechtliche Interessen nicht entgegen. Vielmehr sorgt vorliegend erst die Anknüpfung aus der Sicht des Beklagten dafür, dass seine Interessen auf der Ebene des Kollisionsrechts beachtet werden und vermieden wird, dass zu seinen Lasten unangemessene Ergebnisse bei Unterstellung der Deliktshaftung unter eine andere Rechtsordnung als der der Schweizer Rechtsordnung unterliegenden Sonderverbindung entstehen, weil die in den unterschiedlichen Rechtsordnungen bestehenden Haftungsprivilegien gerade dann keine Wirkung entfalten können. Dieses auch vom Landgericht ersichtlich für unangemessen gehaltene Ergebnis hat es dadurch zu lösen versucht, dass es das nur für einen deutschen Amtsträger geltende Haftungsprivileg des § 839 Abs. 2 BGB auch auf einen ausländischen Amtsträger übertragen hat. Dies ist aber rechtsdogmatisch nicht haltbar.

Dabei ist auch von Bedeutung, dass bei Unterwerfung der Haftung eines "beamteten" Schweizer Arztes unter das deutsche Deliktsrecht die Souveränität des Schweizer Staates berührt ist. Das sogenannte Amtsstaatsprinzip bedeutet, dass ein Staat das hoheitliche Handeln eines anderen Staats nicht seiner eigenen Hoheitsgewalt unterwerfen darf. Dementsprechend darf jeder Staat die Voraussetzungen und Folgen seiner Haftung für das hoheitliche Handeln seiner Organe und Bediensteten gegenüber Privaten autonom bestimmen und kein Staat muss es hinnehmen, dass ohne seine Zustimmung über die Regeln des Kollisionsrechts ein anderes Recht als das eigene zur Anwendung gelangt. Auch wenn hier das Amtsstaatsprinzip bei Handeln "beamteter" Ärzte in staatlichen Krankenanstalten nicht zur Anwendung kommt, weil es sich nicht um Ausübung hoheitlicher Rechte im Sinne von "acta jure imperii" (Akte souveräner Gewalt - siehe ROM II Art. 1 Abs. 1), sondern um nicht-hoheitliche Akte (sogenannte "acta jure gestionis") handelt, so ist doch der dahinter stehende Gesichtspunkt in der Weise zu beachten, dass er für eine akzessorische Anknüpfung spricht.