Reform der Reform, Gesetzesänderung oder "nur" Klarstellung? § 1578 b BGB

Reform der Reform, Gesetzesänderung oder "nur" Klarstellung? § 1578 b BGB
19.04.2013984 Mal gelesen
§ 1578 b BGB ist zum 1.3.2013 geändert worden. Dauer der Ehe, Zeiten der Kindererziehung, Zeiten der Haushaltsführung, sollen in besonderer Weise berücksichtigt werden. Die Gerichte schweigen sich aus, die bekannten Kommentatoren jaulen und beklagen ihre Schmerzen, reden die Reform klein.

Zur weiteren Begründung des Anspruchs auf zeitlich unbegrenzten Unterhalt verweisen wir zunächst auf das Alter der Antragsgegnerin, alsdann (das sie während der Ehe zwei Kinder geboren hat, sie während der Ehe wegen der Kinderbetreuung aus dem Erwerbsleben weitgehend ausgeschieden ist, eine berufliche Fortbildung genossen hat und für den Rest ihres Lebens ehebedingte Nachteile beibehalten wird).

Schön dargestellt hat das die Richterin am Oberlandesgericht Monika Hütter, Stuttgart, in der FamRZ 2013, 213 f.    

Ich mache ausdrücklich auf die Neufassung des § 1578 b BGB aufmerksam.

 Der neugefasste Textteil lautet:

.. oder eine Herabsetzung des Unterhaltsanspruchs unter der Berücksichtigung der Dauer der Ehe unbillig wäre. Nachteile im Sinne des Satzes 2 können sich vor allem aus der Dauer der Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes sowie aus der gestaltung der Haushaltsführung und Erwerbstätigkeit während der Ehe ergeben..

 Das ist der Schlag ins Gesicht der Rechtsprechung des 12. Senats des BGH und der ihm folgenden Obergerichte.

Unterhalt ist, wo diese Voraussetzungen wie hier vorliegen  -  Geburt, Betreuung und Erziehung zweier Kinder, Aufgabe der Berufstätigkeit, Haushaltsführung, lange Ehedauer, Eheschließung weit vor dem 1.1.2008  - die Regel, und eine Unbilligkeit fortdauernden Unterhalts wäre vom Unterhaltsschuldner darzulegen und zu beweisen.

 Ich weiß, dass in den Fachzeitschriften sehr weitgehend Schweigen herrscht zur Gesetzesänderung.  Es ist ein betretenes Schweigen, haben doch die selbsternannten Großkommentatoren Ihre Nase ganz tief in den Hintern des 12. Senats des BGH gesteckt und jede Duftspur willig in die eigene Nase gezogen und hernach eifrig beklatscht: Der BGH hat Entscheidung auf Entscheidung herausgejagt und damit den Vielschreibern so viel Gelegenheit zum Bejubeln gegeben, dass gleich zwei weitere familienrechtliche Fachzeitschriften seither aus der Taufe gehoben werden konnten.

Es war der Gesetzgeber, der jetzt der brutalstmöglichen Rechtsprechung des BGH zur Unterhaltsdauer bei langjährigen Altehen den Garaus gemacht hat, und es wundert nicht, wenn die besagten Vielschreiber unter den jubelnden Autoren schweigen, oder, wo sie sich melden, die Reform der Reform kleinzureden versuchen, wie beispielsweise Born in der NJW 2010 (.ist gar keine Gesetzesänderung, nur eine Klarstellung.) (als wäre eine Textänderung des Gesetzes nicht immerauch eine Gesetzesänderung, mag sie auch der Klarstellung der bis dahin vorsätzlich missverstandenen Auffassung des Gesetzgebers dienen) oder wie Graba (FamFR 2013, 49 ff  - Die FamFR ist eine der Adeptenzeitschriften des 12. Senats des BGH) maulen und sich beschweren darüber, dass der Gesetzgeber den Grundsatz des vollen Unterhalts nach den ehelichen Lebensverhältnissen durch die Hintertür wieder eingeführt habe. (Was allemal in Widerspruch steht zur Behauptung, es handle sich ja gar nicht um eine Gesetzesänderung, sondern "nur" um eine Klarstellung, Widerspruch deshalb, weil damit ja zugleich gesagt und damit bestätigt wird, dass der Gesetzgeber der Ausgangsreform zum 1.1.2008 niemals den Unterhaltsanspruch aus  - verkürzt gesagt - Altehen hat einschränken wollen, dass hingegen der BGH maßlos überzogen hat und ihm die Obergerichte und die Adepten willig gefolgt waren, was jetzt durch Klarstellung im Gesetz zu korrigieren sei, so dass die Rechtsprechung sich wieder am Willen des Gesetzgebers zu orientieren habe.

Man will nicht wahrhaben, dass die Textänderung die heftigste Klatsche war, die ein Senat des BGH sich jemals vom Gesetzgeber eingefangen hat, den Vorwurf, am Willen des Gesetzgebers vorbei judiziert zu haben.

Da melden sich dann jetzt  beleidigte Leberwürste, die ihre Jubelkommentare zu den Ergüssen des BGH und der OLG jetzt als bloßgestellt, als unkritisches Beklatschen, gebrandmarkt sehen und sich eingestehen müssen, dass sie Kardinalpflichten von Juristen verletzt haben, nämlich das Gesetz anzuwenden und selber in ihren Kommentaren den BGH und die Obergerichte darauf hinzuweisen, dass das Ganze in die falsche Richtung gelaufen ist.

Es gibt nur eine Entschuldigung: Selbst der Gesetzgeber hat gewartet, bis die Vorsitzende des 12. Senats des BGH, Frau Meo Micaela Hahne, pensioniert war, die Beherrscherin dieses Senats, der wiederum Alleinherrscher über die Familienrechtsprechung ist. Vor der Dame haben alle gebuckelt, und wer einmal in einem ihrer Seminare gesessen und ihr Widerworte gegeben hat, weiß, wie deren Augen tödliche Blitze schleuderten.

Die Folgen der bisherigen Gesetzesanwendung durch BGH und Obergerichte, die ich nicht Rechtsprechung nennen möchte,  - einer 60 Jahre alten Mandantin, die 36 Jahre lang verheiratet war und während der längsten Phase der Ehe "nur" Hausfrau und Mutter war, wurde nach der Hauruckmethode (36 Jahre geteilt durch 4 = 9 Jahre) gerade mal für neun Jahre Unterhalt zugesprochen, und danach muss sie sehen, woran sie stirbt (Auch hier: Ich kann nicht formulieren, "wovon sie danach leben soll")

Diese Art des Judizierens hat zum Himmel gestunken, der Geruch wurde in Berlin vernommen, und hat endlich zur Klarstellung geführt.

 

Eckhard Benkelberg

Rechtsanwalt und zugleich

Fachanwalt für Familienrecht