Unterhaltsrecht: Berufserfahrung kann als Berechnungsgrundlage dienen!

Familie und Ehescheidung
27.03.2013537 Mal gelesen
Elternteile, die Berufserfahrung in einem Job haben, ohne eine Ausbildung für den Beruf absolviert zu haben, werden bei der Höhe des zu zahlenden Unterhalts so gestellt, als ob sie den Beruf ausüben würden (OLG Hamm, Beschluss vom 17.01.2013 - II-2 UF 53/12).

Die Praxis zeigt, dass ein großer Streitpunkt zwischen geschiedenen Eltern in vielen Fällen im Unterhalt für die Kinder liegt. Im Raume steht immer die Frage: Wer muss was in welcher Höhe zahlen? Das Oberlandesgericht Hamm hat jetzt eine wichtige Entscheidung zu dieser Fragestellung getroffen: Elternteile, die Berufserfahrung in einem Job haben, ohne eine Ausbildung für den Beruf absolviert zu haben, werden bei der Höhe des zu zahlenden Unterhalts so gestellt, als ob sie den Beruf ausüben würden (OLG Hamm, Beschluss vom 17.01.2013 - II-2 UF 53/12). Dies kann die Unterhaltsschuld ungemein erhöhen!

Konkret: Fiktives Einkommen wird zugerechnet

Konkret wird es, wenn man den der Entscheidung vorangegangenen Fall näher betrachtet. Hier stritten sich die geschiedenen Eltern um die Unterhaltspflicht des Vaters für zwei Kinder im Alter von 13 und 14 Jahren. Der Vater war bis zur Trennung der Eltern selbstständiger LKW-Fahrer, danach führte er den Job ungefähr ein Jahr in einem Angestelltenverhältnis im Betrieb seines Bruders fort. Schon während dieser Zeit verweigerte der Vater die Zahlung des Mindestunterhaltes für seine Kinder mit dem Argument, kein entsprechendes Einkommen zu haben. Letztendlich wanderte der Mann danach nach Südamerika aus.
Die Mutter wehrte sich gerichtlich gegen die Nichtzahlung des Vaters und erhielt nun vom Oberlandesgericht Hamm Recht zugesprochen.

Erwerbsobliegenheit des Vaters

Das Gericht führte aus, dass sich der Vater nach der Trennung von der Mutter um einen Job hätte kümmern müssen, mit dem er seiner Unterhaltsverpflichtung gegenüber den Kindern hätte gerecht werden können. Lediglich für einen Zeitraum von rund drei Monaten nach der Aufgabe seiner Selbstständigkeit hätte er sich neu orientieren können, um einen adäquaten Job zu finden. Spätestens ab dann jedoch müsse er sich auf Grund seiner Berufserfahrung das Einkommen, das ein Berufskraftfahrer in ähnlichen Verhältnissen hätte, als Berechnungsgrundlage für den Kindesunterhalt zurechnen lassen. Auch der Umstand, dass er ins Ausland zog, änderte in diesem Fall nichts an dieser Entscheidung.

Unterhaltshöhe regelmäßig checken lassen

Dass Urteil aus Hamm zeigt, dass die Berechnung der Höhe des Kindesunterhalts sich stets im Wandel befinden kann. Sicherlich macht es beispielsweise einen deutlichen Unterschied, ob als Berechnungsgrundlage das Einkommen eines Arbeitslosen oder aber das durchschnittliche Einkommen der Berufsgruppe herangezogen wird, für die der unterhaltsverpflichtete Elternteil Berufserfahrung sammeln konnte.

 

Andreas Jäger

Rechtsanwalt und Mediator,
Fachanwalt für Erbrecht,
Fachanwalt für Familienrecht