Betreuungsunterhalt aus kindbezogenen Gründen

Familie und Ehescheidung
19.10.20102928 Mal gelesen
Beim Betreuungsunterhalt ist stets zu untersuchen, ob und inwieweit die Kindesbetreuung auf andere Weise gesichert werden kann. Das sog. Altersphasenmodell hat entgültig seine Berechtigung verloren und ist Geschichte.

Mit Urteil vom 15.09.2010 - XII ZR 20/09 (im Anschluss an die Senatsurteile vom 17.06.2009 - XII ZR 102/08 - FamRZ 2009, 1391 und BGHZ 180,170 = FamRZ 2009,770) hat der BGH folgendes bekräftigt:

a)

Im Rahmen der Billigkeitsentscheidung über eine Verlängerung des Betreuungsunterhalts aus kindbezogenen Gründen nach § 1570 Abs. 1 Satz 2 und 3 BGB ist stets zunächst der individuelle Umstand zu prüfen, ob und in welchem Umfang die Kindesbetreuung auf andere Weise gesichert ist oder in kindgerechten Betreuungseinrichtungen gesichert werden könnte. Denn mit der Neugestaltung des nachehelichen Betreuungsunterhalts in § 1570 BGB hat der Gesetzgeber für Kinder ab Vollendung des 3. Lebensjahres den Vorrang der persönlichen Betreuung aufgegeben.

b)

Ein Altersphasenmodell, das bei der Frage der Verlängerung des Betreuungsunterhalts aus kindbezogenen Gründen allein oder wesentlich auf das Alter des Kindes abstellt, wird diesen Anforderungen nicht gerecht.

Mit der Neuregelung des § 1570 BGB wurde ein auf 3 Jahre befristeter Basisunterhalt eingeführt. Dieser Basisunterhalt kann aus Gründen der Billigkeit verlängert werden. Im Rahmen dieser Billigkeitsentscheidung sind kind- und elternbezogene Verlängerungsgründe zu berücksichtigen. Damit soll vor allem die Betreuung und die Erziehung des Kindes sichergestellt werden. Auch nach dem neuen Unterhaltsrecht ist ein gestufter Übergang bis hin zu einer Vollzeiterwerbstätigkeit möglich. Kind- oder elternbezogene Gründe, die zu einer Verlängerung des Betreuungsunterhalts über die Vollendung des 3. Lebensjahres hinaus aus Gründen der Billigkeit führen könnten, sind vom Unterhaltsberechtigten darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen.

Auf Grund der eindeutigen BGH-Rechtssprechung ist das frühere Altersphasenmodell nicht mehr haltbar. Die Betreuungsbedürftigkeit ist vielmehr nach den individuellen Verhältnissen zu ermitteln, was der BGH jetzt noch einmal herausstellte. Nur wenn das betroffene Kind einen Entwicklungsstand erreicht hat, in dem es unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles zeitweise sich selbst überlassen bleiben kann, kommt es aus kindbezogenen Gründen insoweit nicht mehr auf eine vorrangig zu prüfende Betreuungsmöglichkeit in einer kindgerechten Einrichtung an. Mit der Neuregelung des Betreuungsunterhalts zum 01.01.2008 hat der Gesetzgeber für Kinder ab Vollendung des 3. Lebensjahres grundsätzlich den Vorrang der persönlichen Betreuung gegenüber anderen kindgerechten Betreuungsmöglichkeiten aufgegeben. Besucht das Kind nach dem 3. Lebensjahr eine kindgerechte Einrichtung kann sich der betreuende Elternteil nicht mehr auf die Notwendigkeit einer persönlichen Betreuung des Kindes und somit nicht mehr auf kindbezogene Verlängerunsgründe berufen. Im vorliegenden Fall wurde die Betreuung des Kindes teilweise durch den Vater und teilweise durch den Großvater sichergestellt.

Eine Befristung des Unterhaltsanspruchs kommt beim Betreuungsunterhalt nicht in Betracht. Im Rahmen der Billigkeitsabwägung sind bereits alle kind- und elternbezogene Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen. Wenn sie zu dem Ergebnis führt, dass der Betreuungsunterhalt über die Vollendung des 3. Lebensjahres hinaus wenigstens teilweise fortdauert, können dieselben Gründe nicht zu einer Befristung im Rahmen der Billigkeit nach § 1578 b BGB führen.