Der Pflichtteilsberechtigte trägt das Risiko, dass der Umfang der Erbmasse vollständig bekannt ist

Der Pflichtteilsberechtigte trägt das Risiko, dass der Umfang der Erbmasse vollständig bekannt ist
27.02.2013488 Mal gelesen
Der Pflichtteilsanspruch unterliegt bekanntlich der dreijährigen Verjährung, und zwar ab Kenntnis des Pflichtteilsberechtigten vom Eintritt des Erbfalls und der ihn beeinträchtigenden Verfügung. Problematisch ist, wenn der Umfang der Erbmasse nicht in vollem Maße bekannt ist.

Leider stellt der Erblasser nicht immer sicher, dass nach seinem Tod sein Vermögen rasch aufgefunden wird. Der Zeitpunkt des Bekanntwerdens kann aber erhebliche Relevanz haben.  Wird zum Beispiel nach Ablauf von drei Jahren bekannt, dass weiteres Vermögen zur Erbmasse gehört, so beginnt hier keine neue Verjährungsfrist für den Anspruch des Pflichtteilsberechtigten zu laufen.

Andreas Keßler, Rechtsanwalt, Steuerberater und Fachanwalt für Steuerrecht aus Bad Vilbel bei Frankfurt am Main, www.Kanzlei-Andreas-Kessler.de weist in diesem Zusammenhang auf ein aktuelles Urteil des Bundesgerichtshofes vom 16.01.2013, Aktenzeichen XIV R 232/12, hin, dass:

  • In dem Verfahren ging es um den Umfang der Pflichtteilsansprüche. Nach dem im Februar 2003 verstorbenen Erblasser stellte die Klägerin fest, dass sie enterbt worden war. Sie machte ihr Pflichtteilsrecht geltend und erhielt auf Urteil des Landgerichtes im Jahr 2007 € 1.400,-.
  • Im Jahr 2009 erfuhren sowohl die Klägerin als auch die beklagten Erben erstmals, dass der Erblasser weiteren Grundbesitz besaß. Dieser wurde durch die Erben veräußert, die Klägerin verlangte nun, auch hieran entsprechend ihrem Pflichtteil beteiligt zu werden. Nachdem sie in den unteren Instanzen siegte, wies der Bundesgerichtshof letztinstanzlich ihren Anspruch ab.
  • Der Bundesgerichtshof verweist darauf, dass die Drei-Jahresfrist im Jahr 2009 bereits abgelaufen war. Im Jahr 2003 hatte die Klägerin vom Erbfall und von ihrer Enterbung Kenntnis erlangt, so dass in diesem Zeitpunkt der Fristbeginn gegeben war und die Frist 2006 ablief. Nur die bis dahin bekannte Erbmasse war die Grundlage für ihren Pflichtteilsanspruch.
  • Damit stellt sich der Bundesgerichtshof gegen Stimmen in der Literatur, die die Verjährungsfrist erst ab dem Moment beginnen lassen, in dem der Pflichtteilsberechtigte Kenntnis von der Zugehörigkeit eines Gegenstandes zum Nachlass hat.
  • Der Bundesgerichtshof bestätigt die ständige Rechtsprechung, dass es auf die Vorstellung des Pflichtteilsberechtigten über den beim Erbfall vorhandenen Nachlass und seinen Wert nicht ankommt. Hierfür spricht zum einen der eindeutige Gesetzeswortlaut. Zum anderen ist es  auch der Sinn der Verjährung, hier Rechtsfrieden zu stiften, da mit Eintritt der Verjährung der oder die Erben keine weitere Inanspruchnahme befürchten müssen. Folgte man der Literaturmeinung, so würde die Verjährungsfrist bei Entdeckung neuer Nachlassgegenstände immer wieder neu zu laufen beginnen, ein Rechtsfrieden zwischen den Parteien tritt nicht ein.
  • Eine analoge oder direkte Anwendung des § 2313 BGB wurde abgelehnt. Ausnahmsweise wird in dieser Vorschrift bestimmt, dass ungewisse Vermögensgegenstände, zum Beispiel bestrittene Forderungen, , in den Nachlass für die Ermittlung des Pflichtteilsanspruchs einzubeziehen sind, wenn Gewissheit über das Bestehen derartiger Vermögensgegenstände erlangt wird. Wird zum Beispiel wegen einer offenen Forderung gestritten und gewinnt der Erbe den Rechtsstreit, so ist diese auch in die Pflichtteilsberechnung einzubeziehen, auch wenn die Gewissheit erst nach Ablauf der Drei-Jahres-Frist eintritt. Dies ist aber eine Ausnahmeregelung, die nicht auf noch unentdeckte Vermögensgegenstände anzuwenden ist.

Der Bundesgerichtshof ordnet also das Risiko, dass Gegenstände erst nach Ablauf der dreijährigen Verjährungsfrist gefunden werden, dem Pflichtteilsberechtigten zu. Es zeigt sich, dass der Pflichtteilsberechtigte, der keinen direkten Zugriff auf den Nachlass hat und bei Nachforschungen auf Ablehnung und nicht zu überwindende Widerstände stoßen könnte, das Risiko trägt. Das Auskunftsrecht, das er gegenüber dem Erben hat, führt bei unbekanntem Vermögen gerade nicht weiter. Hier zeigt sich, dass die Rechtstellung des Pflichtteilsberechtigten mit gesetzessystematischen Schwächen behaftet ist.

Für erbrechtliche Fragestellungen - auch im Zusammenhang mit dem Pflichtteilsrecht - steht Rechtsanwalt und Steuerberater Andreas Keßler, Kasseler Str. 30., 61118 Bad Vilbel, Tel.: 06101-800660 http://www.Kanzlei-Andreas-Kessler.de zur Verfügung.