Hilfe zum Suizid und Patientenverfügungen

Erbrecht Eigentum
25.06.2020383 Mal gelesen
Hat die Verfassungswidrigkeit des Verbots der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung Auswirkungen auf die Formulierung von Patientenverfügungen?

In seinem - durchaus umstrittenen - Urteil vom 26. Februar 2020,  2 BvR 2347/15 u.a., hat das Bundesverfassungsgericht festgestellt, dass § 217 StGB, der die geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung unter Strafe stellte, verfassungswidrig ist. Das von Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG geschützte Recht auf Selbsttötung beinhalte "auch die Freiheit, hierfür bei Dritten Hilfe zu suchen und Hilfe, soweit sie angeboten wird, in Anspruch zu nehmen" (Rn. 212). Vor diesem Hintergrund wird in letzter Zeit von Mandanten häufiger die Frage gestellt, ob man nicht in irgendeiner Weise in eine Patientenverfügung den Wunsch einbauen kann, unter bestimmten Umständen Hilfe zur Selbsttötung zu erhalten.

Diese Frage ist zu verneinen.

Zum einen besteht gar keine Notwendigkeit, die Problematik der Selbsttötung in einer Patientenverfügung zu regeln: Selbsttötung setzt nämlich voraus, dass der Betroffene selber handelt, also beispielsweise die ihm hingelegt Gifttablette selber zu sich nimmt. Der Suizident muss folglich die Tatherrschaft über den von ihm geplanten Suizid haben. Für eine Selbsttötung können folglich nur Menschen in Betracht kommen, die selber noch entscheidungsfähig und handlungsfähig sind. Solche Menschen können aber regelmäßig ihren Willen äußern und um Hilfeleistung zu ihrer von ihnen selbst zu begehenden Selbsttötung bitten. Sie sind schon vom Ansatz her nicht darauf angewiesen, ihren Wunsch nach Hilfe zur Selbsttötung schriftlich in einer Patientenverfügung, die ja primär für den Fall gedacht ist, dass man selber seinen Willen nicht mehr äußern kann, niederzulegen.

Hinzu kommt folgendes: Für eine zulässige Hilfe zur Selbsttötung verlangt das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 26.2.2020 (dort Rn. 242), dass "dem Betroffenen alle entscheidungserheblichen Gesichtspunkte tatsächlich bekannt" sind und "dass der Entscheidungsträger Handlungsalternativen zum Suizid erkennt, ihre jeweiligen Folgen bewertet und seine Entscheidung in Kenntnis aller erheblichen Umstände und Optionen trifft". Dies ist aber nur möglich, wenn dem Betroffenen die konkrete Krankheitssituation, deren jeweilige Besonderheiten und etwaige Behandlungsmöglichkeiten bewusst sind. Selbiges ist zum Zeitpunkt der Erstellung einer Patientenverfügung nicht gewährleistet. Diese wird nämlich im Normalfall von einer noch gesunden Person errichtet und zwar lange Zeit, bevor sie tatsächlich benötigt wird und bevor der dann noch unbekannte Krankheitszustand eingetreten ist. Dies gilt umso mehr, als das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 26.2.2020 (dort Rn. 339) den Gesetzgeber aufgerufen hat, für den Schutz der Selbstbestimmung von Suizidenten durch Sicherungsmaßnahmen wie z.B. Aufklärungs- und Wartepflichten zu sorgen, die dann ohnehin noch zu beachten sind.

Es bleibt also dabei, dass ein etwaiger Wunsch nach Hilfe zur Selbsttötung genauso wie ein Wunsch nach aktiver Sterbehilfe nicht Gegenstand einer Patientenverfügung sein kann. Regelungsgegenstände einer Patientenverfügung sind vielmehr: Die Frage, wann eine Behandlung unterbleiben bzw. abgebrochen werden soll, sowie die Problematik der indirekten Sterbehilfe, also der Verabreichung einer schmerzlindernden, bewusstseinsdämpfenden Medikation, die als unbeabsichtigte aber unvermeidbare Nebenfolge jedoch den Todeseintritt beschleunigt.