Dienstunfähigkeit: Verweigerung der amtsärztlichen Begutachtung

Beamtenrecht
31.08.2020357 Mal gelesen
Der Beamte darf eine rechtswidrig angeordnete ärztliche Untersuchung verweigern. Das Risiko einer Fehleinschätzung trägt er allerdings selbst.

Die dauernde Dienstunfähigkeit eines Beamten wird aufgrund eines ärztlichen Gutachtens festgestellt. Der Beamte ist zur Mitwirkung verpflichtet. Bestehen Zweifel über die Dienstunfähigkeit, ist er verpflichtet, sich nach Weisung der Behörde ärztlich untersuchen und, falls dies aus amtsärztlicher Sicht für erforderlich gehalten wird, auch beobachten zu lassen (§ 44 Abs. 6 BBG, ebenso die Beamtengesetze der Länder, z.B. § 43 Abs. 1 S. 2 NBG).
Weigerung als Beweisvereitelung
Verweigert ein Beamter eine vom Dienstherrn angeordnete ärztliche Untersuchung, kann sich dies nach einem allgemeinen Rechtsgrundsatz zu seinem Nachteil auswirken. Vereitelt eine Partei schuldhaft die Benutzung eines bestimmten Beweismittels, kann dieses Verhalten als ein Umstand bewertet werden, der für die Richtigkeit des Vorbringens der Gegenpartei zeugt. Im Zurruhesetzungsverfahren kann auf dieser Grundlage dann im Rahmen der sog. freien Beweiswürdigung auf die Dienstunfähigkeit des Beamten geschlossen werden, wenn der Beamte durch sein Verhalten die Feststellung seines Gesundheitszustandes bewusst verhindert. 
Untersuchungsanordnung muss rechtmäßig sein
Diese für den Beamten nachteilige Schlussfolgerung setzt jedoch eine rechtmäßige Untersuchungsanordnung voraus. Sie muss sich auf solche Umstände beziehen, die bei vernünftiger, lebensnaher Einschätzung die ernsthafte Besorgnis begründen, der betroffene Beamte sei dienstunfähig. Der Aufforderung müssen tatsächliche Feststellungen zugrunde gelegt werden, die die Dienstunfähigkeit des Beamten als nahe liegend erscheinen lassen. Die Anordnung muss aus sich heraus verständlich sein. Man muss ihr entnehmen können, was konkret ihr Anlass ist und ob das in ihr Verlautbarte die behördlichen Zweifel an seiner Dienstfähigkeit zu rechtfertigen vermag. Insbesondere darf die Behörde nicht nach der Überlegung vorgehen, der Betroffene werde schon wissen, "worum es gehe". Dem Beamten bekannte Umstände müssen in der Anordnung von der zuständigen Stelle zumindest so umschrieben sein, dass für den Betroffenen ohne weiteres erkennbar wird, welcher Vorfall oder welches Ereignis zur Begründung der Aufforderung herangezogen wird. Genügt die Anordnung einer ärztlichen Begutachtung nicht den an sie zu stellenden Anforderungen, kann dieser Mangel nicht dadurch "geheilt" werden, dass die Behörde nachträglich im Behörden- oder Gerichtsverfahren darlegt, objektiv hätten zum Zeitpunkt der Anordnung tatsächlich Umstände vorgelegen, die ausreichenden Anlass zu Zweifeln an der Dienstfähigkeit des Beamten hätten geben können.
OVG Nordrhein-Westfalen - 18.04.2013 - 1 A 1707/11 
Eine rechtswidrige Anordnung braucht der Beamte nicht zu befolgen. Allerdings kann die Anordnung nicht isoliert angefochten werden. Denn die Untersuchungsanordnung ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kein anfechtbarer Verwaltungsakt. Sie ist - anders als ein Verwaltungsakt - nicht auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet. Das Merkmal der Außenwirkung fehlt Maßnahmen gegenüber Beamten, die nach ihrem objektiven Sinngehalt auf organisationsinterne Wirkung abzielen, weil sie dazu bestimmt sind, den Beamten nicht als Träger subjektiver Rechte, sondern als Amtswalter und Glied der Verwaltung anzusprechen. Die Aufforderung zur Untersuchung regelt lediglich einen einzelnen Schritt in einem gestuften Verfahren, das bei Feststellung der Dienstunfähigkeit mit der Zurruhesetzung endet.
BVerwG - 30.05.2013 - 2 C 68.11
Eine Überprüfung der Rechtmäßigkeit kann deshalb nur durch das Verwaltungsgericht in einem Klageverfahren gegen die Entscheidung über die Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit erfolgen. Stellt das Verwaltungsgericht fest, dass die Untersuchungsanordnung rechtmäßig war, kann die Weigerung des Beamten, sich untersuchen zu lassen, unter Umständen sogar zu seinem Nachteil ausgelegt werden.
Die Verweigerung einer Untersuchung ist also durchaus mit Risiken verbunden. Selbst wenn man nach gründlicher rechtlicher Prüfung zu dem Ergebnis kommt, dass die Untersuchungsanordnung rechtswidrig ist, bleibt es im Einzelfall eine taktische Frage, ob man die Untersuchung verweigert.


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