BGH: Erhebliche Wohnflächenabweichung rechtfertigt fristlose Kündigung

Bauverordnung Immobilien
29.04.2009671 Mal gelesen

Der u.a. für Wohnraummietrecht zuständige 8. Senat des Bundesgerichtshofs (BGH) hat entschieden, dass eine erhebliche Abweichung der tatsächlichen von der vertraglich vereinbarten Wohnfläche den Mieter zur außerordentlichen ("fristlosen") Kündigung berechtigt (Az.: VIII ZR 142/08).

In dem durch den BGH entschiedenen Fall stellten die Mieter fest, dass die Wohnung deutlich kleiner wahr als vertraglich vereinbart. In dem Mietvertrag wurde eine Wohnfläche von "ca. 100 qm" zugesichert. Der Mieter kündigte wegen der seiner Meinung nach vorliegenden Wohnflächenabweichung außerordentlich, hilfsweise ordentlich zum nächst möglichen Kündigungszeitpunkt und zog aus. Der Vermieter sah es anders und klagte die Miete bis zum ordentlichen Kündigungszeitpunkt ein.

Der BGH gab dem Mieter recht. Das höchste deutsche Zivilgericht sah den außerordentlichen Kündigungsgrund nach § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) gegeben. Danach kann der Mieter ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen, wenn "dem Mieter der vertragsgemäße Gebrauch der Mietsache ganz oder zum Teil nicht rechtzeitig gewährt oder entzogen wird". Diese Voraussetzungen seien nach dem BGH erfüllt. Die Abweichung der tatsächlichen von der vertraglich vereinbarten Wohnfläche stelle einen "Mangel" der Mietsache dar, der so schwerwiegend sei, dass sogar fristlos gekündigt werden könne. Eine Fortsetzung des Mietverhältnisses bzw. ein Abwarten bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist sei dem Mieter nicht "zumutbar".

Trotz dieser "Grundsatzentscheidung" muss jeder Fall gesondert beurteilt werden. Denn bei einer Abweichung der Wohnfläche von mehr als 10% wird zwar sehr häufig ein Mangel vorliegen, der zur fristlosen Kündigung berechtigt. Es kommt jedoch auch darauf an, ob in dem Mietvertrag eine "ca."-Angabe steht oder nicht. Außerdem kann es auch sein, dass der Mieter sich nicht auf die Wohnflächenabweichung berufen kann, weil er bei Abschluss des Mietvertrages wusste, dass die Anagabe in dem Mietvertrag nicht stimmt. Ein weiterer Fall der sog. "Verwirkung" kann vorliegen, wenn der Miete zumindest kurz nach dem Einzug erkannte, dass die in dem Mietvertrag genannte Wohnfläche nicht stimmt und dies nicht zeitnah zum Anlass nahm, um "fristlos" zu kündigen.

Neben dem Recht zur außerordentlichen Kündigung hat der Mieter zudem ein Recht zur Minderung der Miete. Da der Mangel der zu geringen Wohnfläche nicht behebbar sein wird, kann der Mieter dauerhaft die Miete mindern. Es sollte also aus Sicht des Mieters überlegt werden, ob es nicht besser ist, in der Wohnung bei (faktisch) reduzierter Miete zu bleiben.

Bei der Höhe der Mietminderung ist jedoch Vorsicht geboten: Es kommt immer auf den Einzelfall und das Ausmaß der Abweichung an. Wird zu viel gemindert, kann ein außerordentlicher Kündigungsgrund zugunsten des Vermieters entstehen, weil der Mieter wegen der zu hohen Minderung mit einem "nicht unerheblichen Teil der Miete in Verzug" gerät (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3a BGB).

Außerdem ist es riskant, die Wohnflächenabweichung grob zu schätzen oder die Wohnung selbst zu vermessen. Hier können grobe Fehler passieren, da ein Laie die genauen Vorgaben der Wohnflächenverordnung (WoFlV) nicht exakt kennen wird. Hier sollte dringend anwaltlicher Rat zu dem richtigen Vorgehen eingeholt werden. Eine Möglichkeit für den Mieter, Rechtssicherheit zu haben, bietet z.B. das sog. selbstständige Beweisverfahren, in dem ein Sachverständiger die Wohnung vermisst. Der Vorteil eines solchen Verfahrens ist u.a., dass das Beweisergebnis "gerichtsfest" ist und weniger Kosten entstehen als in einem "normalen" Klageverfahren.

MAXIMILIAN KOCH

Rechtsanwalt, M.B.A.

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