Krankheit im Arbeitsverhältnis - Teil 2

Arbeitsrecht Kündigung
02.07.202366 Mal gelesen
Höchste Aufmerksamkeit ist geboten, wenn der Arbeitgeber während einer Krankheit eine Kündigung ausspricht.

3) Kündigung trotz oder sogar wegen Krankheit?

Wer als Arbeitnehmer seine Arbeitsunfähigkeit immer rechtzeitig mitgeteilt und nachgewiesen hat, läuft trotzdem Gefahr, irgendwann Nachteile zu bekommen.

Der Arbeitgeber könnte die Erkrankung zum Anlass nehmen, eine Kündigung auszusprechen (§ 1 Abs. 2 Kündigungsschutzgesetz). Anders als viele Arbeitnehmer glauben, besteht während einer Krankheit kein Kündigungsverbot, im Gegenteil, die Kündigung kann explizit mit der Arbeitsunfähigkeit begründet werden.

Eine Kündigung wegen Krankheit ist eine "personenbedingte" Kündigung. Bei ihr wird dem Arbeitnehmer kein Fehlverhalten vorgeworfen, also kein arbeitsvertragswidriges Verhalten, es ist deshalb auch keine vorherige Abmahnung erforderlich. Grundlage der personenbedingten Kündigung ist die Annahme, der Arbeitnehmer werde seine Arbeitsleistung, zu der er sich im Arbeitsvertrag verpflichtet hatte, auch in Zukunft nicht oder jedenfalls nicht konstant erbringen können.

Auslöser kann eine langanhaltende Erkrankung sein, aber auch häufige Kurzerkrankungen. Das Fehlen des Arbeitnehmers muss zu einer erheblichen Beeinträchtigung betrieblicher Interessen führen, in einem Maße, das für den Arbeitgeber auf Dauer nicht mehr hinzunehmen ist.

Dabei hilft es dem Arbeitnehmer bei einer Dauererkrankung nicht, dass er bereits Krankengeld von der Krankenkasse bezieht, der Arbeitgeber also aktuell keine Entgeltfortzahlung mehr leisten muss. Wenn absehbar ist, dass ein Arbeitnehmer auf Dauer arbeitsunfähig sein wird, besteht eigentlich immer eine erhebliche Beeinträchtigung betrieblicher Interessen, die den Arbeitgeber zu einer Kündigung berechtigt, ihm ist nicht zuzumuten, ein nicht gelebtes Arbeitsverhältnis fortzusetzen.

Da keiner in die Zukunft schauen kann, ließe sich prinzipiell auch bei einer Dauererkrankung einwenden, dass diese vielleicht doch eines Tages verschwinden wird. Aber auch darauf muss sich der Arbeitgeber nicht einlassen: wenn eine Genesung in den nächsten 24 Monaten ungewiss ist, reicht das für eine Kündigung.

Der Arbeitnehmer kann sich auch nicht auf den Standpunkt zurückziehen, der Arbeitgeber könne all das doch überhaupt nicht beurteilen, er sei schließlich nicht verpflichtet, Details der Erkrankung zu offenbaren. Letzteres ist richtig, soweit es um die Anzeige und den Nachweis der Arbeitsunfähigkeit geht - siehe oben. Gerade deshalb aber darf der Arbeitgeber erst einmal behaupten, es sei auch in Zukunft keine Besserung zu erwarten, das zeigten bereits die bisherigen Fehlzeiten des gekündigten Arbeitnehmers.

Es ist dann Aufgabe des Arbeitnehmers, konkret darzulegen, weshalb diese Negativprognose nicht gerechtfertigt ist. Er kann sich dabei auf die Einschätzung seiner Ärzte berufen, muss diese dann aber von der ärztlichen Schweigepflicht entbinden, damit sie vor dem Arbeitsgericht aussagen können.

Bei häufigen Kurzerkrankungen, bei denen der Arbeitnehmer nach der Genesung stets an seinen Arbeitsplatz zurückkehrt und seine Arbeitsleistung erbringt, sind es meist die Kosten der Entgeltfortzahlung, die den Arbeitgeber zur Kündigung veranlassen. Auch hier kann er sich im Kündigungsschutzprozess zunächst darauf beschränken, auf die Fehlzeiten in der Vergangenheit zu verweisen, der Arbeitnehmer muss dann kontern, etwa indem er auf die positive Prognose seiner Ärzte verweist.

Bei Kurzerkrankungen wird oft argumentiert, man habe Pech gehabt, sei erst an x, dann y und schließlich z erkrankt, jetzt aber sei "alles gut". Auch das kann zum Problem werden: Selbst wenn sich nachweisen ließe, die Erkrankungen seien jeweils ausgeheilt, könnte der Eindruck einer allgemeinen Krankheitsanfälligkeit entstehen, bei der auch in Zukunft mit ähnlichen, häufig wechselnden Erkrankungen zu rechnen sei (Bundesarbeitsgericht, 20.11.2014, 2 AZR 755/13).

Krankheitsbedingte Kündigungen sind juristisch anspruchsvoll, für beide Seiten, weil es dabei neben medizinischen Fragen auch auf das prozessual richtige Taktieren ankommt, es kann zum Beispiel ein Fehler sein, gleich alle Karten aufzudecken. Deshalb sollten Sie sich rechtzeitig beraten lassen.

(wird fortgesetzt)

Rechtsanwalt Lars Finke, LL.M., Fachanwalt für Arbeitsrecht, Mülheimer Str. 85, 47058 Duisburg - anwaltfinke.de