I. Ausgangslage
Vereinbarungen zwischen Leiharbeitnehmern und Verleihfirma, die im Hinblick auf wesentliche Arbeitsbedingungen für den Leiharbeiter schlechter sind, als die im Betrieb des Entleihers für vergleichbare Arbeitnehmer geltende Regeln, sind nach dem Gesetz unwirksam, soweit diese Ungleichbehandlung nicht in einem entsprechenden Leiharbeits-Tarifvertrag normiert wurde. Leiharbeiter können somit bei Nichteinhaltung dieses Gleichbehandlungsgrundsatzes beispielsweise auch rückwirkend gegen ihre Verleihfirma Lohnansprüche in der Höhe geltend machen, wie sie der Stammbelegschaft im Entleiherbetrieb zustehen.
Leiharbeitnehmer müssen dabei diese Ansprüche auf gleichen Lohn innerhalb der Verjährungsfrist geltend machen, in der Regel innerhalb von 3 Jahren, wobei tariifvertragliche oder einzelvertragliche Ausschlussfristen beachtet werden müssen. Im Entleiherbetrieb gelten nun aber für die Stammbelegschaft sehr häufig betriebliche oder tarifliche Ausschlussfristen, die eine sehr viel kürzere Frist zur Geltendmachung von Ansprüchen setzen.
Fraglich war und ist nun, ob der Leiharbeiter bei der Geltendmachung der Ungleichbehandlung nicht auch die Verjährungsfristen und Ausschlussfristen einhalten muss, die für die Stammbelegschaft des Entleihers gelten.
II. So auch der konkrete Fall
Ein Metallbetrieb in Bayern hatte mehrere Jahre lang einen Ingenieur über eine Leihfirma beschäftigt. Mit seiner Klage verlangte der Ingenieur nun von seiner Verleihfirma rückwirkend den gleichen Lohn wie die Stammbelegschaft des Entleihers wegen Verstoßes gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz ("equal pay"). Sein eigener Arbeitsvertrag enthielt keine Ausschlussfrist für die Geltendmachung von Ansprüchen, einen diesbezüglichen Tarifvertrag gab es nicht. Für die Arbeitnehmer des Entleiherbetriebs galten jedoch tarifvertraglich geregelte Ausschlussfristen von wenigen Monaten, die der Ingenieur nicht eingehalten hatte.
Das Landesarbeitsgericht (LAG) hatte noch entschieden, dass der Kläger die Ausschlussfristen hätte einhalten müssen, die für die Stammbelegschaft gelten: Wenn der Leiharbeiter Gleichbehandlung fordere, müsse er eben auch alle Regeln einhalten, die für die Stammbelegschaft gelten einschließlich der Verjährungsfristen.
III. Die Entscheidung des BAG
Dem widersprach nun aber das BAG: Das Gleichbehandlungs- oder "Equal-Pay"-Gebot für Leiharbeitnehmer beziehe sich nur auf die "wesentlichen Arbeitsbedingungen", wie etwa Lohn, Arbeitszeit und Urlaub. Ausschlussfristen gehörten nicht dazu: Im Entleiherbetrieb geltende Ausschlussfristen gehören nach Ansicht des BAG nicht zu den wesentlichen Arbeitsbedingungen, die der Verleiher den Leiharbeitnehmern im Sinne des Gesetzes "gewähren" muss. Kürzere Fristen, die tarifvertraglich für Lohnnachforderungen der Stammmitarbeiter festgelegt sind, gelten daher für Leiharbeitnehmer nicht.
IV. Fazit und Bewertung
Eine zutreffende Entscheidung des BAG:
Leiharbeiter und Verleihfirma haben einen eigenen Arbeitsvertrag mit eigenen Regeln. Nur weil das Gesetz in einigen Fällen dem Leiharbeiter das Recht gibt, darüber hinaus einzelne Ansprüche gelten zu machen, die auch der Stammbelegschaft der Entleiherfirma zu stehen, kann dies nicht zwingend bedeuten, dass der Leiharbeiter hierbei auch sämtliche Pflichten einhalten muss, die nur dem Arbeitsvertrag der Stammbelegschaft entspringen. Der Grundsatz der Gleichbehandlung soll schließlich nicht dazu führen, dass der Inhalt des Arbeitsvertrages ausgewechselt wird, sondern soll lediglich einzelne wesentliche Aspekte der Ungleichbehandlung ausgleichen.
Die Entscheidung ist insbesondere auch deshalb zu befürworten, da der einzelne Leiharbeiter zumeist von den geltenden Ausschlussfristen bzw. Verjährungsfristen keine hinreichende Kenntnis hat.
Rechtsanwalt M. Henke, Dortmund