Beamtenrecht – Disziplinarverfahren – Rechtfertigt Surfen im Internet auf dem Dienst-PC eine Entfernung aus dem Dienst?

Arbeit Betrieb
19.09.20101746 Mal gelesen
In den letzten Jahren mussten sich die Gerichte wiederholt mit der Frage beschäftigen, ob das Surfen im Internet während der Dienstzeit Kündigungen oder Entfernungen aus dem Dienst rechtfertigen. In den meisten Fällen wurden strafbare Inhalte, z.B. kinderpornographisches Material heruntergeladen.

Die Gerichte haben in solchen Fällen keinen Zweifel daran gelassen, dass die disziplinare Höchststrafe angebracht ist. Dies gilt selbst dann, wenn ein Beamter sich entsprechendes Material außerhalb der Dienstzeit auf seinen privaten Rechner lädt (z.B: VG Göttingen, 12.05.2009, 5 A 4/07).

Nicht entschieden war bislang dagegen die Frage, welche Sanktionen in Betracht kommen, wenn sich der Beamte während der Dienstzeit privat im Internet bewegt, aber nur neutrale bzw. harmlose Seiten besucht. Das VG Lüneburg hat jetzt aktuell einen Fall entschieden, in dem einem Polizeibeamten vorgeworfen wurde, während der Dienstzeit u.a. privates Onlinebanking betrieben und andere nicht anstössige Seiten besucht zu haben. Die Behörden hielt den Vorwurf gleichwohl für besonders schwerwiegend und enthob den Beamten vorläufig des Dienstes. Dem trat das Verwaltungsgericht entgegen:

In den Entscheidungsgründen heisst es: Die zuständige Behörde kann einen Beamten gleichzeitig mit oder nach der Einleitung des Disziplinarverfahrens vorläufig des Dienstes entheben, wenn im Disziplinarverfahren voraussichtlich auf Entfernung aus dem Beamtenverhältnis erkannt werden wird (§ 38 Abs. 1 Nr. 1 NDiszG) oder durch ein Verbleiben im Dienst der Dienstbetrieb oder die Ermittlungen wesentlich beeinträchtigt würden und die vorläufige Dienstenthebung zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Disziplinarmaßnahme nicht außer Verhältnis steht (§ 38 Abs. 1 Nr. 2 NDiszG). Voraussetzung ist eine Prognose, dass im Disziplinarverfahren voraussichtlich die disziplinare Höchstmaßnahme zu erwarten ist. Die Dienstentfernung des Beamten muss nach der gebotenen, ihrer Natur nach nur überschlägig möglichen Prüfung des Sachverhalts wahrscheinlicher sein als eine unterhalb der Höchstmaßnahme liegende Disziplinierung.

Dies sei hier aber nicht der Fall. Die Pflichtverletzungen, die dem Beamten vorgeworfen werden, würden allenfalls eine Maßnahme im unteren bis mittleren Bereich rechtfertigen. Das Gericht hat die vorläufige Dienstenthebung ausgesetzt.

Der Beamte wurde anschließend sofort wieder dienstlich eingesetzt. 

Den Beschluss können Sie über unsere Website herunterladen: Verwaltungsgericht Lüneburg - Beschluss vom 06.09.2010 - 10 B 1/10

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