Fristlose Kündigung wegen 1,30 Euro – eine Kassiererin muss ehrlich sein

Arbeit Betrieb
26.02.2009 1467 Mal gelesen

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes kann ein Arbeitgebers ein Arbeitsverhältnis auch aufgrund des Verdachts einer Straftat kündigen. Dabei ist die Verdachtskündigung kein Freibrief für den Arbeitgeber, frei nach dem Motto: wo kein Kündigungsgrund, da zumindest ein Verdacht, unliebsame Arbeitnehmer los zu werden. Es genügt eben nicht der ?bloßer Verdacht? einer Straftat. Vielmehr muss ein dringender Verdacht vorliegen, der sich nicht auf Unterstellungen, sondern objektive Tatsachen gründet und die Begehung der Tat massiv nahelegt. Der Arbeitgeber muss diese Tatsachen beweisen. Entscheidend ist letztlich, ob dem Arbeitgeber aufgrund der Verdachtsmomente die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers noch zumutbar ist. Hinzu kommen bei der Verdachtskündigung hohe formale Anforderungen hinsichtlich der Aufklärung des Sachverhaltes, der notwendigen Anhörung des Arbeitnehmers etc.

Im dem der Entscheidung des LAG Berlin ? Brandenburg zugrunde liegenden Fall waren diese Voraussetzungen erfüllt. 

Die seit 1977 als Kassiererin beschäftigte Klägerin soll zwei ihr nicht gehörende Leergutbons im Werte von 0,48 und 0,82 Euro unrechtmäßig aus dem Kassenbüro entnommen und für sich selbst eingelöst haben. Nach den von der Klägerin selbst eingeräumten Umstände, sowie anhand der weiteren unstreitigen Umstände wie des Kassenjournals und anhand der Zeugenaussagen sah das Gericht diesen Vorwurf als erwiesen an. Insofern stand am Ende für das Gericht fest, dass nicht nur ein dringender Verdacht vorhanden sei, sondern dass sogar die Tatbegehung erwiesen war.

So bleibt an der Verdachtskündigung wenig zu kritisieren. Dass Straftaten gegen den Arbeitgeber sanktioniert werden müssen, kann ernsthaft nicht hinterfragt werden. Bleibt allein die Frage nach der Verhältnismäßigkeit: kann eine Unterschlagung von 1,30 Euro wirklich eine 31-jähriges Beschäftigungsverhältnis beenden? Ja, es kann ? so zumindest das Bundesarbeitsgericht seit dem sogenannten ?Bienenstich-Urteil? aus dem Jahr 1984. Damals hatte eine Verkäuferin ein Stück Bienenstich von der Theke genommen und gegessen. Die darauf ausgesprochene Kündigung hielt das Bundesarbeitsgericht für wirksam. Seit damals gilt, dass auch geringfügige Vermögensdelikte Grund für eine fristlose Kündigung sein können. Nicht der Vermögensschaden ist für die Kündigung entscheidend, sondern der Vertrauensschaden. Und eine Kassiererin, die der Unterschlagung überführt oder stark verdächtigt ist, ist nicht mehr vertrauenswürdig.

 

Insofern überrascht auch die Begründung des Landesarbeitsgerichtes Berlin ? Brandenburg nicht, wenn es einen irreparablen Vertrauensverlust darin sieht, dass die Klägerin Bons entwendet und für sich eingelöst hat. Eine Kassiererin muss unbedingte Zuverlässigkeit und absolute Korrektheit zeigen. Insofern kommt es auch nicht auf den Wert der entwendeten Ware an. Das Eigentum des Arbeitgebers steht auch nicht für geringe Beträge zur Disposition. Allein dieser Vertrauensverlust, nicht der Wert der Sache ist maßgeblicher Kündigungsgrund.

So ist aus arbeitsrechtlicher Sicht die Entscheidung schon nicht zu beanstanden. Um aber auch der Moral gerecht zu werden, sei nicht verschwiegen, dass die Klägerin bei den mit ihr geführten Gesprächen widerlegbar falsche Angaben gemacht hat und auch eine Kollegin zu Unrecht der Tat bezichtigt hat. Auch dies fördert nicht das Vertrauen in eine gedeihliche weitere Zusammenarbeit.