Keine Anwesenheitspflicht im Krankheitsfall

Arbeit Betrieb
07.11.2016202 Mal gelesen
Muss der Arbeitnehmer bei Arbeitsunfähigkeit der Afforderung des Arbeitgebers Folge leisten, zur Besprechung der weiteren beruflichen Beschäftigungsmöglichkeit zu einem Personalgespräch persönlich vorbeizukommen?

Na, so ungewöhnlich klingt das für den juristischen Laien jetzt nicht, was das Bundesarbeitsgericht am 2.11.2016 - 10 AZR 596/15 - entschieden hat. Etwas ungewöhnlicher schon, wie dieser Rechtsstreit zum BAG gelangt ist. Was war passiert? Der Arbeitnehmer, ein Krankenpfleger, war unfallbedingt für eine längere Zeit arbeitsunfähig. Zur "Klärung der weiteren Beschäftigungsmöglichkeit" lud der Arbeitgeber zu einem Personalgespräch ein. Diese Einladung wurde vom Arbeitnehmer aber nicht angenommen, und zwar mit Verweis auf die andauernde Arbeitsunfähigkeit. Daraufhin lud der Arbeitgeber erneut zu einem Personalgespräch, verband diese Einladung allerdings mit dem Hinweis, dass für die Nichtteilnahme an diesem Gespräch ein »spezielles ärztliches Attest« erforderlich sei. Doch auch diesen Termin blieb der spätere Kläger fern. Es folgte der Ausspruch einer Abmahnung durch den Arbeitgeber, weil sich der Kläger den Anordnungen und Weisungen widerrechtlich widersetzt habe.

Der Kläger wehrt sich nun gegen diese Abmahnung und klagt klagt auf Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte. Der Arbeitgeber unterliegt in den Vorinstanzen und legt nun Revision zum Bundesarbeitsgericht ein, allerdings ohne Erfolg. Das BAG führt aus, dass die Arbeitspflicht des Arbeitnehmers auch die Pflicht zur Teilnahme an einem vom Arbeitgeber während der Arbeitszeit im Betrieb angewiesenen Gespräch umfasst, dessen Gegenstand Inhalt, Ort und Zeit der zu erbringenden Arbeitsleistung ist, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht anderweitig im Rahmen des Direkttionsrechts festgelegt sind. Da der erkrankte Arbeitnehmer während der Arbeitsunfähigkeit seiner Arbeitspflicht aber nicht nachkommen muss, ist er grundsätzlich auch nicht verpflichtet, im Betrieb zu erscheinen oder sonstige, mit seiner Hauptleistung unmittelbar zusammenhängende Nebenpflichten zu erfüllen. Aufgrund dieser Suspendierung der Hauptleistungspflicht sei der Arbeitnehmer daher nicht verpflichtet, der Einladung des Arbeitgebers zu folgen.

Das BAG stellte aber zugleich klar, dass es dem Arbeitgeber nicht schlechthin untersagt sei, während der Dauer der Arbeitsunfähigkeit mit dem erkrankten Arbeitnehmer in einem zeitlich angemessenen Umfang in Kontakt zu treten, um mit ihm im Rahmen der arbeitsvertraglichen Vereinbarungen die Möglichkeiten der weiteren Beschäftigung nach dem Ende der Arbeitsunfähigkeit zu erörtern. Voraussetzung sei einzig und allein, dass der Arbeitgeber hierfür ein berechtigtes Interesse aufzeige. Der arbeitsunfähige Arbeitnehmer ist jedoch nicht verpflichtet, hierzu auf Anweisung des Arbeitgebers im Betrieb zu erscheinen, es sei denn, dies ist ausnahmsweise aus betrieblichen Gründen unverzichtbar und der Arbeitnehmer ist dazu gesundheitlich in der Lage.