Gewerkschaftsvertreter im Aufsichtsrat

Gewerkschaftsvertreter im Aufsichtsrat
20.07.20141018 Mal gelesen
Im Anwendungsbereich des MitbestG sind je nach Größe des Ausichtsrats entweder zwei oder drei Sitze Gewerkschaftsvertretern vorbehalten. Welchen Hintergrund hat diese Regelung?

Das MitbestG 1976 sieht in § 7 II (i.V.m. § 16 II MitbestG) eine zwingende Besetzung von Aufsichtsratsposten mit Gewerkschaftsvertretern vor. Je nach Größe des mitbestimmten Aufsichtsrates sind entweder zwei oder drei Sitze Gewerkschaftsvertretern vorbehalten. Die Gewerkschaften habe für diese Aufsichtsratsposten das alleinige Vorschlagsrecht. Die vorgeschlagenen Kandidaten werden dann von den Arbeitnehmern bzw. den Delegierten  (vgl. § 16 I und II MitbestG). Der Gesetzgeber hat insofern ein faktisches Entsenderecht der Gewerkschaften normiert. Die Arbeitnehmer müssen ihre Wahlentscheidung unter den Gewerkschaftsvorschlägen treffen.

Die Regelung stellt den im Gesetzgebungsverfahren gefundenen Kompromiss zwischen den Forderungen der Gewerkschaften und denen der Anteilseignerseite dar. Während die Anteilseigner einen Einfluss der Gewerkschaften auf die Besetzung der Aufsichtsräte möglichst ganz verhindern wollten, forderten die Gewerkschaften ein alleniges Entsenderecht.

Die Gewerkschaften sind bei der Kandidatenauswahl an keine weitergehenden Vorgaben gebunden. Meist werden von ihnen externe Personen nominiert. Die Gewerkschaftsmitgliedschaft ist theoretisch keine Voraussetzung für die Kandidatur. Regelmäßig handelt es sich bei den Vorgeschlagenen um hauptamtliche und hochrangige Angestellte der Gewerkschaft oder um Personen, die ein großes Vertrauen in der Gewerkschaft genießen.

Gewerkschaftsintern wird die Aufstellung der Wahlvorschläge durch die Satzung geregelt.

Das Vorschlagsrecht steht jeder im Unternehmen vertretenen Gewerkschaft zu, d.h. jeder Gewerkschaft, zu deren Mitgliedern wenigstens ein Arbeitnehmer des Unternehmens gehört. Den Nachweis kann die Gewerkschaft - wie im Betriebsverfassungsrecht - mittels notarieller Erklärung führen, wobei der Name des Gewerkschaftsmitglieds oder der Gewerkschaftsmitglieder ungenannt bleiben kann.

Ohne Einfluss auf das zwingende Vorschlagsrecht der Gewerkschaften sind mögliche tarifpolitisch bedingte Interessenkollissionen. Selbst Gewerkschaftsmitglieder, die ggf. in Tarifverhandlungen dem Unternehmen gegenüber sitzen könnten, sind nominierbar.

Das Bundesverfassungsgericht hat sich in seinem sog. "Mitbestimmungsurteil" am Rande auch mit der zwingenden Sitzreservierung für Gewerkschaftsvertreter befasst. Es hielt diese für mit dem Grundgesetz, insbesondere mit der Vereinigungsfreiheit und der Koalitionsfreiheit für vereinbar.

Das Vorschlags- bzw. Entsenderecht der Gewerkschaften entspreche einem überlieferten freien Wahlrecht, zumal auch die Anteilseigner dem Unternehmen nicht angehörende Vertreter in den Aufsichtsrat wählen könnten. Die Arbeitnehmerseite erhalte zudem durch das Vorschlagsrecht die Möglichkeit, besonders qualifizierte Vertreter in den Aufsichtsrat zu entsenden. Die Beteiligung der Gewerkschaften wirke außerdem dem tendenziell zu erwartenden "Betriebsegoismus" entgegen.