Ein arbeitsunfähig geschriebener Arbeitnehmer darf aktiv am Marathon teilnehmen

Ein arbeitsunfähig geschriebener Arbeitnehmer darf aktiv am Marathon teilnehmen
13.05.2013355 Mal gelesen
Die Teilnahme eines arbeitsunfähig geschriebenen Arbeitnehmers an Marathonläufen während der Zeit, für die er arbeitsunfähig geschrieben ist, rechtfertigt nach Ansicht des Arbeitsgerichts Stuttgart nicht dessen Kündigung.

Ein Arbeitnehmer betreibt seit dem 16. Lebensjahr Leistungssport, nimmt regelmäßig an Marathonläufen teil, wobei er ca. 3.000 km pro Jahr läuft, dazu fährt er Rad, schwimmt und spielt Fußball. Am 5. September 2006 kam es zu einem Wegeunfall, bei dem sich unser Arbeitnehmer das linke Schulterblatt brach. Sein Arzt schrieb ihm aus diesem Grunde für den Zeitraum vom 5. September bis zum 27. Oktober 2006 arbeitsunfähig krank.

Nach Rücksprache mit seinem Arzt nahm unser Arbeitnehmer sodann in der Zeit, für die er arbeitsunfähig geschrieben war, nämlich am 17. September am Wien-Marathon, sowie am  21. Oktober am Schwäbisch-Alb-Marathon teil.

Sein Arbeitgeber erfuhr von der Teilnahme seines arbeitsunfähig erkrankten Arbeitnehmers an den Marathonläufen aus der Presse. Am 30. Oktober 2006 führte der Arbeitgeber unter Beteiligung des bei ihr gebildeten Betriebsrats ein Gespräch mit dem Arbeitnehmer, in welchem er seine Teilnahme an den Marathonläufen einräumte. Er unterrichtete den Betriebsrat am selben Tage von der beabsichtigten außerordentlichen Kündigung, hilfsweise ordentlichen Kündigung. Der Betriebsrat widersprach. Trotzdem sprach der Arbeitgeber mit Schreiben vom 6. November die außerordentliche Kündigung und hilfsweise die ordentliche Kündigung zum 30.6.2007 aus.

Unser Marathon-laufender Arbeitnehmer erhob Kündigungsschutzklage.

Seine Arbeitsunfähigkeit sei noch lange kein Grund, von der Teilnahme an Marathonläufen Abstand zu nehmen.

Sein Arbeitgeber meint, es sei nachgewiesen, dass Ausdauersport unter Leistungsbedingungen das Immunsystem und damit die physiologische Heilung schwäche. Ein Marathonlauf, vor allem unter Wettbewerbsbedingungen, sei bei einer bestehenden Schulterverletzung grundsätzlich nicht als heilungsfördernd zu betrachten. Der Arbeitnehmer  habe gegen seine Treuepflichten aus dem Arbeitsverhältnis verstoßen und sei deshalb zu Recht gekündigt  worden.

Das Arbeitsgericht gab dem Arbeitnehmer Recht.

Die bloße Möglichkeit einer ungünstigen Auswirkung auf den Krankheitsverlauf reiche nicht aus, um eine arbeitsvertragliche Pflichtverletzung anzunehmen. Notwendig sei vielmehr eine konkrete Verletzung der Interessen des Arbeitgebers, welche der Arbeitgeber im Streitfall zu beweisen hätte. Es liegen auch keinerlei Umstände vor, die eine Verzögerung des Heilungsverlaufs vermuten lassen. Im Gegenteil erscheine bei einem Bruch des Schulterblattes eine Gesamtdauer der Arbeitsunfähigkeit vom 5.9.2006 bis 27.10.2006 als relativ kurz. Insofern liegt sogar der Schluss nahe, dass die ständige sportliche Betätigung des Marathonläufers den schnellen Heilungsverlauf eher begünstigt habe. Jedenfalls genügt ein Arbeitgeber seiner Darlegungslast im Kündigungsschutzprozess zur Frage der Gefährdung der Genesung nicht, wenn er  eine solche Gefährdung lediglich behauptet, obwohl eine die Gefährdung des Genesungsverlaufs ausschließende, ärztliche Stellungnahme des behandelnden Arztes vorliegt.

Die außerordentliche Kündigung sei daher jedenfalls unwirksam.

Für eine ordentliche verhaltensbedingte Kündigung sei das Verschulden des Arbeitnehmers bei der Pflichtverletzung erforderlich, an der es vorliegend jedenfalls fehlt, nachdem der erkrankte Arbeitnehmer vor der Teilnahme an den Marathonläufen seinen behandelnden Arzt konsultiert hat.

Die Kündigungsschutzklage hatte somit vollen Erfolg.

  

(Quelle: Arbeitsgericht Stuttgart, Urteil vom 22.03.2007;  9 Ca 475/06)

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