Krankheitsbedingte Kündigung – Wirksamkeit trotz fehlendem betrieblichen Eingliederungsmanagement?

Krankheitsbedingte Kündigung – Wirksamkeit trotz fehlendem betrieblichen Eingliederungsmanagement?
20.02.2013484 Mal gelesen
Ist eine krankheitsbedingte Kündigung auch dann wirksam, wenn ihr nicht das durch das Sozialgesetz vorgeschriebene betriebliche Eingliederungsmanagement (BEM) vorausgegangen ist? Diese Frage hatte das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz in folgendem Fall zu klären.

Eine Produktionshelferin bei einem Pharmahersteller war 15 Monate durchgehend krank. Der Arbeitgeber kündigte ihr krankheitsbedingt. Zuvor wurde kein betriebliches Eingliederungsmanagement durchgeführt. Unmittelbar bevor sie gekündigt wurde, musste sich die Arbeitnehmerin einer Krebsoperation unterziehen. Davon hatte der Arbeitgeber jedoch keine Kenntnis. Die Arbeitnehmerin war außerdem mittlerweile als schwerbehinderter Mensch anerkannt. Auch hiervon wusste der Arbeitgeber nichts. Vor der Kündigung stellte er damit auch keinen Antrag auf Zustimmung beim Integrationsamt. Erst im Rahmen ihrer Kündigungsschutzklage, einige Monate nach der Kündigung, berief sich die Arbeitnehmerin auf ihren Sonderkündigungsschutz als schwerbehinderter Mensch.

Das Landesarbeitsgericht hielt die Kündigung für wirksam. Zunächst sei die Kündigung nicht bereits mangels vorheriger Zustimmung des Integrationsamtes unwirksam. Wird die Schwerbehinderung dem Arbeitgeber zu spät mitgeteilt, so sei die Kündigung auch ohne vorherige Zustimmung des Integrationsamtes wirksam. Die Richter des Landesarbeitsgerichts sahen auch die weiteren Voraussetzungen einer krankheitsbedingten Kündigung als gegeben an. Insbesondere konnte der Arbeitgeber aufgrund des gesundheitlichen Zustandes der Arbeitnehmerin die Prognose stellen, dass die teilweise schwere körperliche Arbeit als Produktionshelferin der Arbeitnehmerin aufgrund ihrer Erkrankung in den nächsten 24 Monaten nicht zugemutet werden könne. Mit einer Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit konnte er Arbeitgeber zum Kündigungszeitpunkt nicht rechnen. Der Arbeitgeber konnte außerdem, obwohl kein betriebliches Eingliederungsmanagement durchgeführt worden war, nachweisen, dass eine anderweitige Beschäftigung im Betrieb nicht möglich war. Die krankheitsbedingte Kündigung war trotz fehlendem betrieblichen Eingliederungsmanagement wirksam.

(Quelle: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 20.03.2012, 3 Sa 505/11)

Die Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements ist keine zwingende Voraussetzung für eine wirksame krankheitsbedingte Kündigung. Jedoch erleichtert das betriebliche Eingliederungsmanagement Arbeitgeber den Nachweis, dass der Arbeitnehmer im Betrieb nicht anderweitig beschäftigt werden konnte. Die Entscheidung zeigt außerdem, dass schwerbehinderte Arbeitnehmer ihre Schwerbehinderung aus eigenem Interesse so früh wie möglich ihrem Arbeitgeber anzeigen sollten. Die Arbeitnehmerin wäre bei einer rechtzeitigen Anzeige in den Genuss des Sonderkündigungsschutzes für schwerbehinderte Menschen gekommen.

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