Grundsicherung nach dem SGB XII bei Beschäftigung in einer WfB (Werkstatt für Behinderte): Folgen für unterhaltspflichtige Angehörige

Arbeit Betrieb
28.07.20111542 Mal gelesen
Immer wieder lehnen Sozialhilfeträger es ab, Leistungen der Grundsicherung für Personen in einer WfB zu erbringen. Anstelle der Grundsicherung wird Hilfe zum Lebensunterhalt bewilligt. Diese Entscheidung betrifft weniger die Hilfeempfänger selbst, als vielmehr ihre unterhaltspflichtigen Angehörigen:

Der Unterschied zwischen Leistungen der Grundsicherung und Hilfe zum Lebensunterhalt liegt nicht in der Höhe der Leistungen, sondern in den Auswirkungen für die unterhaltspflichtigen Angehörigen. Denn eine Besonderheit des Deutschen Sozialhilferechts besteht darin, dass die Unterhaltsansprüche, die ein Hilfeempfänger gegen Unterhaltspflichtige hat, auf den Träger der Sozialhilfe übergehen. Sie können von diesem selbständig geltend gemacht werden. Der klassische Anwendungsfall ist der sog. Elternunterhalt.

Aber auch bei jungen Menschen können sich diese Regelungen auswirken: Denn das Gesetz bestimmt ausdrücklich, dass bei Grundsicherungsleistungen der Unterhaltsanspruch gegen die Eltern nicht auf den Träger der Sozialhilfe übergeht, solange das Jahreseinkommen 100.000,00 EUR nicht übersteigt. Der Gesetzgeber will auf diese Weise den Familienzusammenhalt schützen. Für Hilfebedürftige, die das 65 Lebensjahr noch nicht vollendet haben, wird Grundsicherung allerdings nur bewilligt, wenn sie dauerhaft voll erwerbsgemindert sind und unwahrscheinlich ist, dass die volle Erwerbsminderung behoben werden kann. Das Recht der gesetzlichen Rentenversicherung wiederum bestimmt, dass Personen, die in anerkannten Werkstätten für Behinderte Menschen tätig sind, kraft Gesetzes als voll erwerbsgemindert gelten. Daraus könnte man schließen, dass diese - sofern die Hilfevoraussetzungen im übrigen erfüllt sind - automatisch auch ein Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung besteht. Dies sehen viele Sozialhilfeträger aber anders. In denjenigen Fällen, in denen die Beschäftigung in der WfB im Eingangsverfahren und im Berufsbildungsbereich stattfindet, soll der Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung ausgeschlossen sein, weil man in diesen Fällen noch nicht absehen könne, dass die Erwerbsminderung auf Dauer besteht. Sie berufen sich für diese Rechtsauffassung auf ein internes Papier des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales. In solchen Fällen wird von vornherein keine Begutachtung durch den Rentenversicherungsträger beantragt. Man will durch dieses Vorgehen erreichen, dass der Unterhaltsanspruch gegen die Angehörigen erhalten bleibt. Nach unserer Einschätzung ist dieses Vorgehen häufig rechtswidrig: Denn zumindest in denjenigen Fällen, in denen in medizinischer Hinsicht alles darauf hindeutet, dass die Hilfesuchenden aufgrund einer Behinderung dauerhaft nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt eingesetzt werden können, muss u.E. eine Begutachtung durchgeführt werden. Geschieht dies nicht, sollte in solchen Fällen eine gerichtliche Klärung angestrebt werden.

Wichtig: Grundsicherung wird nur auf ausdrücklichen Antrag bewilligt. Die Sozialhilfeträger sind gesetzlich nicht verpflichtet, darauf hinzuweisen, dass ein Anspruch auf Grundsicherungsleistungen bestehen könnte. Deshalb wird den Antragstellern in vielen Fällen ein bereits vorbereitetes Formular vorgelegt, worin als beantragte Hilfeart die "normale" Hilfe zum Lebensunterhalt angekreuzt ist und Grundsicherung praktisch ausgeschlossen wird. Deshalb also auch die Antragsformulare genau lesen.

 

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