Urteil zum Whistleblowing – Kündigung wegen kritischer Äußerungen unrechtmäßig!

Arbeit Betrieb
21.07.20111051 Mal gelesen
In einem bahnbrechenden Urteil hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg einer Arbeitnehmerin, die öffentlich auf Missstände in ihrem Unternehmen hingewiesen hatte und der daraufhin fristlos gekündigt wurde, hohen Schadensersatz zugesprochen.

Mit diesem Urteil zeigten die europäischen Richter den hohen Stellenwert des Rechts auf freie Meinungsäußerung und stärkten die Rechte abhängig Beschäftigter entscheidend.

 

15.000 Euro Entschädigung für Arbeitnehmerin

 Gegen ihre Kündigung geklagt hatte eine Berliner Arbeitnehmerin eines staatlichen deutschen Klinikbetreibers. Diese wurde, nachdem sie ihren Arbeitgeber wegen Betruges angezeigt und beschuldigt hatte, zur Versorgung der Bewohner eines Pflegeheims nicht ausreichend Personal angestellt zu haben, fristlos entlassen. Während die Arbeitnehmerin im Arbeitsrechtsprozess vor den deutschen Arbeitsgerichten bis hin zum Bundesverfassungsgericht noch unterlag, sprach der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte ihr nun eine Entschädigung in Höhe von 15.000 Euro zu.

 

Abwägung zugunsten des öffentlichen Informationsinteresses

 Die Straßburger Richter begründeten ihre Entscheidung damit, dass die deutschen Arbeitsrichter bei ihrer Urteilsfindung über die Rechtmäßigkeit der Kündigung den Stellenwert des Rechts auf Meinungsfreiheit und des öffentlichen Informationsinteresses nicht ausreichend berücksichtigt hätten. Die im speziellen Falle zwar geschädigten Geschäftsinteressen eines staatlichen Unternehmens müssten in diesem Einzelfall gegenüber den genannten Menschenrechten zurücktreten - nicht zuletzt, weil die Arbeitnehmerin durch mehrere interne Eingebungen an die Geschäftsleitung zunächst intern auf die Missstände hingewiesen hatte, bevor sie sich an die Öffentlichkeit wendete.

 

Arbeitnehmer entscheidend gestärkt

Das Urteil des EGMR zeigt, dass sich auch im Arbeitsprozess Durchhaltevermögen auszahlt. Zudem sind Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis in ähnlicher Konstellation auf Grund der vermeintlichen Rufschädigung des Unternehmens gekündigt wurde, angehalten, ihre Kündigung rückwirkend überprüfen zu lassen und gegebenenfalls Entschädigungen geltend zu machen. Für im Gange befindliche Prozesse hat das (noch nicht rechtskräftige) Urteil des EGMR wahrscheinlich eine große Ausstrahlungswirkung - betroffene Arbeitnehmer können im Kündigungsschutzprozess darauf hoffen, dass ihre Kündigung von vornherein als unrechtmäßig gewertet wird.

 

Volker Schneider

Fachanwalt für Arbeitsrecht,
Fachanwalt für Insolvenzrecht 

http://www.gks-rechtsanwaelte.de