Rechtsmissbrauch bei einer Abmahnung als „Retourkutsche“?

Abmahnung Filesharing
09.04.2010756 Mal gelesen
1. Den Abmahnungen, sei es auf dem Gebiet des Wettbewerbs-, Urheber- und Markenrechts, wird im zunehmenden Maße die Rechtsmissbräuchlichkeit einer Abmahnung als Einwand entgegengehalten.
 
2. Mittlerweile hat dies ein solches Ausmaß angenommen, dass sich die Gerichte im erheblichen Umfang mit diesem Einwand befassen müssen. Leider ist es allerdings so, dass insbesondere im Internet durch die Anzahl der Fundstellen, bei dem es um Abmahnmissbrauch geht, so zugenommen haben, dass der Eindruck vermittelt wird, dass dieser Einwand der Stein der Weisen wäre.
 
3. Auch Rechtsanwälte lassen sich im zunehmenden Maße von der eher hitzigen Diskussion im Internet dazu verleiten, ihre gesamte Strategie auf diesem Einwand aufzubauen. Allerdings ist hierzu mitzuteilen, dass entgegen dem vermittelten Eindruck ein solcher Einwand in den wenigsten Fällen mit Erfolg geltend gemacht werden kann.
 
4. Denn was bei dieser Diskussion allzu oft vergessen wird, ist, dass es schließlich der mutmaßliche Schuldner ist, der durch seine Verhaltensweise oder seinem Auftritt das Tätigwerden des mutmaßlichen Gläubigers veranlasst hat, mit dem Vorhalt, dass der Schuldner sich nicht an Recht und Gesetz hält.
 
5. Um einen solchen Rechtsmissbrauchseinwand soll es auch im Nachfolgenden gehen.
 
a) Das Oberlandesgericht hatte jetzt einen Fall zu entscheiden, bei dem es um zwei Mitbewerber ging, die schon früher wettbewerbliche Auseinandersetzungen miteinander hatten. Nunmehr wurden von einer Partei mutmaßliche Wettbewerbsverstöße in bereits abgelaufenen Angeboten auf der Onlinehandelsplattform eBay des anderen abgemahnt. Der Abgemahnte verweigerte die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung mit der Begründung, dass er in seinen aktuellen Angeboten bereits freiwillig und ohne äußere Einwirkung die Verstöße ausgeräumt habe und insofern keine Wiederholungsgefahr mehr bestehe. Im Übrigen sei die Abmahnung rechtsmissbräuchlich, da dies nur dem Gebührenerzielungsinteresse diene und es sich bei der Abmahnung nur um eine "Retourkutsche" handle. Der Unterlassungsanspruch wurde zwar mit einer Verfügung einstweilen durchgesetzt, da aber keine Abschlusserklärung abgegeben wurde, musste zur endgültigen Sicherung des Gläubigers der Unterlassungsanspruch mittelsUnterlassungsklage und Kostenerstattungsklage geltend gemacht werden. Der Beklagte wurde antragsgemäß nicht nur zur Unterlassung, sondern auch zur Erstattung der entstandenen Rechtsanwaltskosten verurteilt. Hiergegen wendete sich der Beklagte mit der Berufung.
 
b) Das Oberlandesgericht Hamm hat mit Urteil vom 07.07.2009 unter dem Aktenzeichen 4 U 28/09 die zulässige Berufung als unbegründet zurückgewiesen und damit die Entscheidung der Vorinstanz bestätigt. Begründet wurde die Entscheidung damit, dass die Annahme, die Abmahnung sei eine sogenannte "Retourkutsche" oder ein "Denkzettel" nicht dafür genüge, anzunehmen, dass ein Rechtsmissbrauch vorliegt. Dies sei nur dann der Fall, wenn davon auszugehen wäre, dass das beherrschende Motiv die Geltendmachung sachfremde Ziele sei, wie etwa, wenn deren Geltendmachung vorwiegend dazu diene, gegen den Zuwiderhandelnden einen Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen oder Kosten der Rechtsverfolgung entstehen zu lassen. Dieser Grund sei aber hier nicht erkennbar. Zudem sei die Geltendmachung von wettbewerblichen Ansprüchen im Bezug auf bereits abgelaufene Online-Verkaufsangebote nicht missbräuchlich, da man sich insbesondere nicht auf ein späteres Wohlverhalten des Verletzers verweisen lassen müsse.
 
6. Diese Entscheidung zeigt sehr deutlich dem im Wettbewerbsrechtvorherrschenden Grundsatz, dass ein Unterlassungsanspruch grundsätzlich erst dann wegfällt, wenn die Wiederholungsgefahr im ausreichenden Maße beseitigt wurde, was grundsätzlich nur durch die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung möglich ist. Hierzu gehört jedenfalls nicht das Abstellen des Verstoßes. Auch zeigt die Entscheidung, dass der Einwand des Rechtsmissbrauchs in den seltensten Fällen durchgreift.
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